2.1 Übersicht
Bei den Voraussetzungen zur Berücksichtigung eines Auslandskindes sind bei Kindergeld und Kinderfreibetrag/Bedarfsfreibetrag folgende Unterscheidungen von Bedeutung:
Wohnsitz bzw. gewöhnlicher Aufenthalt des Kindes |
Beim Kindergeld:
- Das Kind muss seinen Wohnsitz in einem anderen EU-/EWR-Staat, der Schweiz oder in einem Abkommensstaat haben.
Kinder in anderen Drittstaaten werden nicht berücksichtigt. Ausnahme: Sie leben im ausländischen Haushalt eines nach § 1 Abs. 2 EStG der erweiterten unbeschränkten Steuerpflicht unterliegenden Auslandsbeamten etc.
Für Kinder mit Wohnsitz in Großbritannien ist das Austrittsabkommen EU / Vereinigtes Königreich zu beachten. Demnach sind Kinder, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Vereinigten Königreich haben, zu berücksichtigen, wenn der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthalt vor dem 1.1.2021 begründet wurde.
Beim Kinderfreibetrag/Bedarfsfreibetrag:
Der Anspruch besteht dem Grunde nach für jedes Kind, unabhängig von seinem Wohnsitzstaat. Der Höhe nach ist der Kinderfreibetrag/Bedarfsfreibetrag jedoch nach den Bestimmungen der Ländergruppeneinteilung u. U. auf 3/4, 1/2 oder 1/4 zu ermäßigen.
Kindschaftsverhältnis, besondere Voraussetzungen für Kinder über 18 Jahre (Berufsausbildung etc.) |
Diese Voraussetzungen stimmen beim Kindergeld und beim Kinderfreibetrag/Bedarfsfreibetrag grundsätzlich überein. Beim Kindergeld sind auch Stiefkinder (= Kinder des Ehegatten bzw. des Lebenspartners) und Enkelkinder, die in den ausländischen Haushalt des Anspruchsberechtigten aufgenommen sind, zu berücksichtigen.
Den Kinderfreibetrag/Bedarfsfreibetrag erhält weder der Stiefelternteil für das Stiefkind noch erhalten ihn Großeltern für das Enkelkind. Die nach § 32 Abs. 6 Satz 8 EStG mögliche Übertragung der Freibeträge auf einen Stiefelternteil oder Großelternteil geht bei Auslandskindern ins Leere. Voraussetzung für die Übertragung ist, dass der Stiefelternteil oder Großelternteil das Kind in seinem Haushalt aufgenommen hat. Da dieser Haushalt bei Auslandskindern zwangsläufig im Ausland belegen ist, scheidet die Übertragung in diesen Fällen aus.
2.2 Bedeutung des Wohnsitzes des Kindes
2.2.1 Beim Kindergeld
a) EU-/EWR-Staaten
Nach § 63 Abs. 1 Satz 6 EStG werden Auslandskinder beim Kindergeld nur berücksichtigt, wenn sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen EU-/EWR-Staat haben. Zu den EU-/EWR-Staaten gehören:
Belgien, Bulgarien, Deutschland, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Island, Italien, Kroatien, Lettland, Liechtenstein, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechische Republik, Ungarn und Zypern.
Großbritannien ist ab 1.1.2021 nur noch als Drittstaat zu behandeln, soweit kein Bestandsschutz besteht.
Die Schweiz wird aufgrund des Freizügigkeits-Abkommens wie ein Mitgliedstaat der EU behandelt.
Der Nordteil der Insel Zypern ist kein Mitgliedstaat i. S. d. § 63 Abs. 1 Satz 6 EStG.
Für Kinder, die keinen Wohnsitz haben und mit einem Elternteil in einem Wohnmobil mit wechselnden Aufenthalten innerhalb der EU reisen, besteht ein Anspruch auf Kindergeld, wenn der andere Elternteil – als Antragsteller – seinen Wohnsitz in Deutschland hat. Im Anwendungsbereich des § 63 EStG ist es ausreichend, wenn die Kinder ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, dem Gebiet der EU, des EWR oder der Schweiz haben. Der gewöhnliche Aufenthalt muss nicht an einem konkreten Ort oder in einem bestimmten Gebiet liegen. Vielmehr reicht es aus, wenn der Aufenthalt für eine gewisse Dauer im genannten Territorium (EU, EWR, Schweiz) besteht, solange die Kinder sich nicht in Drittstaaten aufhalten.
b) Vertragsstaaten
Die Regelungen über Familienleistungen (Kindergeld) in den zwischen der Bundesrepublik Deutschland und einer Reihe von Staaten abgeschlossenen Abkommen über Soziale Sicherheit ergänzen die Bestimmungen des § 63 EStG hinsichtlich der Wohnsitzvoraussetzungen beim Kind.
c) Vorrang bzw. Konkurrenzregelungen: EU-/EWR-Staaten und Abkommenstaaten
Bei ausländischen Arbeitnehmern, deren Kindergeldanspruch sich aus § 62 EStG oder aus überstaatlichen bzw. zwischenstaatlichen Regelungen ergibt und deren Kind und der andere Elternteil oder ein anderer Anspruchsberechtigter
- in einem anderen EU-/EWR-Staat, der Schweiz oder
- in einem Vertragsstaat
wohnen, ergibt sich häufig ein Doppelanspruch auf Leistungen. In diesen Fällen besteht für dasselbe Kind im selben Anspruchszeitraum einerseits Anspruch auf Familienleistungen (Kindergeld) im Wohnsitzstaat des Kindes und andererseits Anspruch auf inländisches Kindergeld. Um die Gewährung von Doppelleistungen auszuschließen, bestehen sog. Kollisionsnormen, also Konkurrenzregelungen (Vorrangregelungen) in der VO (EWG) Nr. 1408/71 und in der VO (EG) Nr. 883/2004 sowie in den einzelnen zwischenstaatlichen Abkommen.
Nach diesen Konkurrenzregelungen wird die Familienleistung (Kindergeld) im einen Staa...