Leitsatz
Die Formulierung "Sollte meine Frau ebenfalls sterben so gilt folgendes" kann bei einer erfolgten Zuwendung an ein Kind dahin ausgelegt werden, dass das Kind als Ersatzerbe, nicht jedoch als Nacherbe berufen sein soll.
Sachverhalt
Der Erblasser war mit der nachverstorbenen Ehefrau verheiratet; die Eheleute hatten eine gemeinsame Tochter (Beteiligte zu 1). Die weitere Tochter wurde kurz nach der Eheschließung geboren, sie ist jedoch nicht die leibliche Tochter des Erblassers (Beteiligte zu 2). Zwischen den Töchtern ist streitig, ob dieser Umstand dem Erblasser bekannt war.
Der Erblasser errichtete kurz vor einem gemeinsamen Urlaub ein Einzeltestament, nach dessen Verfügungen die Ehefrau Alleinerbin werden sollte. Weiter heißt es: "Sollte meine Ehefrau ebenfalls sterben so gilt folgendes." Das gesamte Vermögen sollte auf die gemeinsame Tochter übergehen. Diese sollte der Beteiligten zu 2 nach ihrem 21. Lebensjahr einen Betrag von 20.000 DM auszahlen. Es sollte dem Überlebenden unbenommen bleiben, der Beteiligten zu 2 weitere Ansprüche zuzubilligen.
Nach dem Tod des Erblassers stellte das Nachlassgericht der Ehefrau einen Alleinerbschein aus. Diese testierte später überwiegend zugunsten der Beteiligten zu 2. Als die Ehefrau 27 Jahre später verstarb, beantragte die Beteiligte zu 1 die Einziehung des Erbscheins und die Erteilung eines Alleinerbscheins für sich. Sie meint, der Erblasser habe seine Ehefrau zur Vorerbin und sie zur Nacherbin eingesetzt, lediglich eine Ersatzerbfolge sei nicht gewollt. Der Erblasser habe das Vermögen seinem Stamm weitergeben wollen.
Entscheidung
Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 ist ohne Erfolg geblieben. Die Beteiligte zu 1 hatte zwar nicht ihr Recht die Einziehung des Erbscheins zu fordern, verwirkt, da im Erbscheinsverfahren die Richtigkeit der materiell-rechtlichen Lage grundsätzlich Vorrang hat. Aber die Erbfolge beruht auf dem Testament des Erblassers, nach dem die Beteiligte zu 1 lediglich als Ersatzerbin berufen war. Dem Testament ließen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, der Erblasser habe seine Ehefrau auf die Rechtsstellung einer Vorerbin beschränken wollen.
Die Formulierung "Sollte meine Frau ebenfalls sterben" deutet nicht daraufhin, dass der Erblasser eine allgemeine Regelung für das Nachversterben seiner Ehefrau habe treffen wollen, sondern dass der Erblasser nur bestimmte Konstellationen des Versterbens seiner Frau vor Augen hatte. Ansonsten hätte eine Formulierung wie "Nach dem Tod meiner Frau" näher gelegen. Dass der Erblasser indes nur eine Regelung für die anstehende Urlaubsreise habe treffen wollen, ist eher unwahrscheinlich, denn es findet sich kein Hinweis hierzu im Testament. Ferner hätte der Erblasser dieses im Anschluss an den Urlaub vernichten können.
Ob der Erblasser Kenntnis davon hatte, dass die Beteiligte zu 2 nicht seine leibliche Tochter war, bleibt ungewiss. Die Feststellungslast trifft insofern die Beteiligte zu 1. Denn die Erwägung, der Erblasser habe den Grundbesitz in seiner Blutslinie weiter vererben wollen, kann der Auslegung dann nicht zu Grunde gelegt werden.
Ferner hatte der Erblasser seiner Ehefrau die Möglichkeit eröffnet, durch die Öffnungsklausel die Einsetzung der Beteiligten zu 1 als Erbin in gewissem Umfang wieder zu lockern, was ebenfalls gegen die Annahme spricht, die Ehefrau habe nur Vorerbin werden sollen.
Link zur Entscheidung
OLG Hamm, Beschluss vom 11.12.2006, 15 W 94/06