Leitsatz

Mitgesellschafter dürfen ohne sachlichen Grund nicht aus einer Gesellschaft ausgeschlossen werden. Eine Ausnahme hiervon kann dann aber gelten, wenn ein neuer Gesellschafter in eine seit langer Zeit bestehende Sozietät von Freiberuflern aufgenommen wird und das Ausschließungsrecht allein dazu dient, den Altgesellschaftern binnen einer angemessenen Frist die Prüfung zu ermöglichen, ob zu dem neuen Partner das notwendige Vertrauen hergestellt werden kann und ob die Gesellschafter auf Dauer in der für die gemeinsame Berufsausübung erforderlichen Weise harmonieren können. Eine Prüfungsfrist von zehn Jahren überschreitet den hierfür zulässigen Rahmen aber bei weitem.

 

Sachverhalt

Die Beklagten betreiben eine Gemeinschaftspraxis, an der der Kläger seit 1991 beteiligt war. Im Gesellschaftsvertrag war unter anderem Folgendes vereinbart: "Im Hinblick auf die erheblichen Vorleistungen der Altgesellschafter kommen die Vertragsschließenden überein, dass die Ausschließung der Vertragsschließenden Ziff. 4 (Kläger) + 5 aus der Gesellschaft mit einer Frist von 6 Monaten zum Ende eines Kalenderjahres auch ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes, frühestens aber zum 31.12.1993 zulässig ist". Im Jahre 2000 beschloss die Gesellschafterversammlung, den Kläger zum 31.12.2000 aus der Gesellschaft auszuschließen, weil er einer für ihn nachteiligen Gesellschaftsvertragsänderung nicht zustimmen wollte. Er kündigte in der Folge das Gesellschaftsverhältnis selbst aus (anderem) wichtigen Grund. Seiner Feststellungsklage gegen den Ausschluss zum 31.12.2000 gaben die Vorinstanzen statt. Der BGH bestätigte diese Entscheidungen.

 

Entscheidung

Laut BGH[1] ist eine gesellschaftsvertragliche Regelung, die einem einzelnen Gesellschafter das Recht einräumt, Mitgesellschafter ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes aus einer Personengesellschaft oder einer GmbH auszuschließen, unzulässig. Tragende Erwägung hierfür ist, den von der Ausschließung oder Kündigung bedrohten Gesellschafter zu schützen. Denn das freie Kündigungsrecht kann auch als unzulässiges Disziplinierungsmittel genutzt werden. Allerdings gilt dieser Grundsatz nicht ausnahmslos[2].

Auch bei der Aufnahme eines neuen Gesellschafters in eine seit Jahren bestehende Sozietät von Freiberuflern können nach Auffassung des BGH Gründe vorliegen, die es nach Abwägung der beiderseits beteiligten Interessen als gerechtfertigt erscheinen lassen, dass die Altgesellschafter auch ohne Vorhandensein eines in der Person des anderen Teils liegenden wichtigen Grundes dessen Gesellschafterstellung einseitig beenden. Für die bisherigen Gesellschafter, die einen ihnen unter Umständen weitgehend unbekannten Partner aufnehmen müssen, können erhebliche Gefahren entstehen. Oft wird sich erst nach einer gewissen Zeit der Zusammenarbeit herausstellen, ob zwischen den Gesellschaftern das notwendige Vertrauen besteht, vor allem ob sie in ihrer besonderen Berufsauffassung harmonieren.

Unter diesem Gesichtspunkt kann es nicht von vornherein als sittenwidrig[3] angesehen werden, wenn den Altgesellschaftern in der Satzung für eine angemessene Prüfungszeit das Recht eingeräumt wird, den Neugesellschafter auszuschließen. Dies gilt vor allem dann, wenn sie allein Träger des Gesellschaftsvermögens sind und der neue Partner ohne Leistung einer Einlage aufgenommen wird.

 

Praxishinweis

Im Streitfall hielt das Gericht den Ausschluss für ungerechtfertigt, weil er eine Reaktion auf die Weigerung des Klägers war, einen ihn benachteiligenden geänderten Gesellschaftsvertrag abzuschließen. Der Ausschluss diente aber nicht dazu, den – durchaus anzuerkennenden – Besonderheiten einer Aufnahme eines jungen Partners in eine seit langer Zeit bestehende, von den Altgesellschaftern aufgebaute und durch ihren persönlichen Einsatz und ihr Ansehen geprägte Sozietät Rechnung zu tragen.

 

Link zur Entscheidung

BGH-Urteil vom 8.3.2004, II ZR 165/02

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