Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Geschäftsordnungsbeschluss (hier: gegen die Teilnahme eines Rechtsanwaltes als Beistand eines Eigentümers) ist nicht anfechtbar
Teilnahme dritter Personen in der Versammlung als Berater nur bei berechtigtem Eigentümerinteresse
Die Thematik einer baulichen Veränderung des Gemeinschaftseigentums (hier: Anschluss eines Küchendunstabzuges an den gemeinschaftlichen WC- Abluftschacht) weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten als Voraussetzung anwaltlicher Beratung in der Versammlung auf
Zur Anfechtung eines ersetzenden Wiederholungsbeschlusses gleichen Inhalts mit konstitutiver Wirkung der Beseitigung einer baulichen Veränderung
Normenkette
§ 10 WEG, § 14 WEG, § 23 Abs. 1, 4 WEG
Kommentar
1. (Zum Sachverhalt):
Ein antragstellender Eigentümer hatte - bereits vor 25 Jahren - in der Küche seiner Wohnung einen Dunstabzug eingebaut und diesen an einen Entlüftungsschacht angeschlossen, mit dem die Abluft innenliegender WCs über das Dach ins Freie geführt wird. In einer Eigentümerversammlung vom 9. 5. 1995 lehnten die Eigentümer diese bauliche Veränderungsmaßnahme mehrheitlich ab und beschlossen in bestimmter Frist die Verpflichtung des Eigentümers zur Wiederherstellung des vorherigen Zustandes; dieser Beschluss wurde mangels Anfechtung bestandskräftig.
In weiterer Versammlung vom 27. 11. 1995 wurde erneut mehrheitlich beschlossen, dass die angeschlossene Dunstabzugshaube innerhalb neuerlicher Frist wieder ausgebaut werden sollte und der Lüftungsschacht ordnungsgemäß zu verschließen sei. In dieser Versammlung erschien auch ein Rechtsanwalt als Beistand des betroffenen Eigentümers; vor Eintritt in die Tagesordnung sprach sich die Mehrheit gegen die Teilnahmeberechtigung des Anwalts aus, der daraufhin auch die Versammlung verließ. Nach Vereinbarung in der Gemeinschaftsordnung war in dieser Gemeinschaft Vertretung durch schriftlich Bevollmächtigte zulässig; der Verwaltervertrag führte aus, dass sich ein Wohnungseigentümer nur durch den Verwalter, seinen Ehegatten oder einen anderen Eigentümer der Gemeinschaft aufgrund schriftlicher Vollmacht vertreten lassen könne.
2. (Aus den Gründen):
Ein wie hier gefasster Geschäftsordnungsbeschluss (Teilnahmeverbot eines Beistands in der Versammlung) wird mit Beendigung der Eigentümerversammlung von selbst gegenstandslos; der Anfechtung eines solchen Beschlusses fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, so dass die Anfechtung unzulässig ist (h.R.M.). Ist eine in einem Geschäftsordnungsbeschluss getroffene Regelung rechtswidrig, so kann sie, wenn sich der Fehler entsprechend auswirkt, bei rechtzeitiger Anfechtung zur Ungültigkeit sonstiger in der Versammlung gefasster (Sach-) Beschlüsse führen (h.M., BayObLGZ 95, 407/409; Bärmann/Pick/Merle, 7. Aufl., § 23 Rz. 142; Becker, WE 96, 50/52). Anders wäre die Rechtslage, wenn sich ein solcher Beraterausschluss über die gegenwärtige Versammlung hinaus auch auf künftige Versammlungen bezöge (hier nicht gegeben).
Im vorliegenden Fall gab es nur Vereinbarungsregelungen über Eigentümervertretungen; die Frage der Teilnahme von Beratern oder Beiständen in einer Eigentümerversammlung war damit weder in der Gemeinschaftsordnung noch im Verwaltervertrag geregelt. Eine zulässigerweise vereinbarte Vertretungsbeschränkung beinhaltet nicht zugleich ein Verbot der Hinzuziehung von Beiständen (vgl. auch BGHZ 121, 236/241). Versammlungen der Eigentümer sind grundsätzlich nicht öffentlich, so dass ein Eigentümer dritte Personen (Berater) nur hinzuziehen darf, wenn er ein berechtigtes Interesse daran hat (BGH, a.a.O.; OLG Karlsruhe, ZMR 96, Nr. 3 "Aktuell" - Ls -; Wenzel, WPM 96, Sonderbeilage 5, Seite 12). Gegenüber dem schutzwürdigen Interesse der anderen Eigentümer, die Versammlungen auf den eigenen Kreis zu beschränken, kann das Interesse eines Eigentümers an sachkundiger Beratung vorrangig sein, wenn er sich aus einem in seiner Person liegenden beachtlichen Grund oder wegen des Schwierigkeitsgrades der Angelegenheit nicht in der Lage sieht, seine Rechte in der Versammlung angemessen wahrzunehmen (BGH). Solche vorrangige Interessen an sachkundiger Beratung könnten sich etwa aus einem hohen Lebensalter eines Eigentümers oder seinem Unvermögen ergeben, seinen Standpunkt in der Versammlung angemessen zu vertreten.
Der vorliegende Fall einer üblichen baulichen Veränderungs-Thematik weist keine solchen besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf, die hier auch in Zukunft zu diesem Streitkomplex generelle Beistandsberechtigungen angezeigt erscheinen lassen könnten, zumal der betreffende Eigentümer (Antragsteller) durchaus selbst vor Gericht in der Lage war, seine Argumente überzeugend vorzutragen. Für den Eigentümer wäre es insoweit auch zumutbar, sich vor Beginn entsprechender Versammlungen sachkundig beraten zu lassen.
3. Die Anfechtung des neuerlichen Beschlusses zur Beseitigung des Dunstabzuges am WC-Entlüftungsschacht wurde zu Recht für unzulässig erklärt, da diesem Anfechtungsantrag wegen der Bestandskraft des inhaltsgleic...