Leitsatz
Art. 3 Abs. 1 GG vermittelt dem Bewerber um das Amt eines Insolvenzverwalters einen Rechtsanspruch auf fehlerfreie Ausübung des Auswahlermessens nach § 56 Abs. 1 InsO. Es ist mit dem grundgesetzlichen Gebot effektiven Rechtsschutzes vereinbar, eine Anfechtung der Bestellung zum Insolvenzverwalter durch Mitbewerber und einen vorläufigen Rechtsschutz zur Verhinderung der Bestellung zu versagen.
Sachverhalt
Der Beschwerdeführer war bereits in etwa 350 Verfahren als Insolvenzverwalter tätig und wurde vom Amtsgericht in einem weiteren Verfahren zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Nach Erstattung eines Gutachtens eröffnete das AG das Insolvenzverfahren, bestellte aber nicht den Beschwerdeführer, sondern einen früher bei ihm beschäftigten Rechtsanwalt zum Insolvenzverwalter. Der Beschwerdeführer wurde seitdem vom AG nicht mehr zum Insolvenzverwalter bestellt. Seinen Antrag, die Bestellung seines früheren Mitarbeiters aufzuheben und an dessen Stelle ihn zum Insolvenzverwalter zu ernennen, verwarf das OLG als unzulässig, da das Gesetz insoweit kein Rechtsmittel vorsehe. Die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde blieb ohne Erfolg.
Entscheidung
Nach § 56 Abs. 1 InsO ist eine für den jeweiligen Einzelfall geeignete, insbesondere geschäftskundige und von den Gläubigern und dem Schuldner unabhängige natürliche Person zum Insolvenzverwalter zu bestellen. Diese Regelung dient der sachgerechten Durchführung des Insolvenzverfahrens und damit der Wahrung der Interessen der Gläubiger und des Schuldners. Sie ist nicht dazu geschaffen, Insolvenzverwaltern die berufliche Betätigung zu ermöglichen und eröffnet daher keine solchen subjektiven Rechte.
Im Hinblick auf das aus Art. 3 GG abgeleitete Verbot einer willkürlichen Ungleichbehandlung darf der mit dem konkreten Fall befasste Richter seine Entscheidung für einen bestimmten Insolvenzverwalter jedoch nicht nach freiem Belieben treffen. Er muss sein Auswahlermessen pflichtgemäß ausüben. Insofern verfügt jeder geeignete Bewerber um das Insolvenzverwalteramt über ein hiermit korrespondierendes subjektives Recht. Für dieses subjektive Recht muss Rechtsschutz gewährleistet sein.
Eine Anfechtung der Bestellung zum Insolvenzverwalter durch nicht zum Zuge gekommene Mitbewerber ist jedoch ebenso ausgeschlossen wie die Verhinderung einer Bestellung im Wege vorläufigen Rechtsschutzes. Zu berücksichtigen sind in diesem Zusammenhang Interessen des Staates, der beteiligten Gläubiger, des Schuldners und der konkurrierenden potentiellen Verwalter. Gerade diese Konkurrenten können durch nacheinander erfolgende Rechtsmittel gegen ihnen nicht genehme Verwalterbestellungen Insolvenzverfahren erheblich verzögern. Dies würde den Verfahrenszweck – und vor allem die Gläubigerinteressen – gefährden.
Der Rechtsschutz zugunsten der Bewerber um das Insolvenzverwalteramt muss demnach unter Ausschluss einer Drittanfechtung der Bestellung und unter Ausschluss vorläufigen Rechtsschutzes erfolgen. Diese Lösung ist angemessen, weil nach dem vom Gesetzgeber mit Blick auf die Gewährleistung des Eigentums verfolgten Ziel des Insolvenzverfahrens den Interessen der Gläubiger und des Schuldners Vorrang gegenüber den Interessen der potentiellen Verwalter an beruflicher Betätigung zukommt.
Link zur Entscheidung
BVerfG-Beschluss vom 23.5.2006, 1 BvR 2530/04