Das Wichtigste in Kürze:

1. Der Betroffene ist bei der schriftlichen oder mündlichen Anhörung über seine Rechte zu belehren.
2. Die Belehrungspflicht besteht nur bei einer Anhörung als Betroffener.
3. Nicht abschließend beantwortet ist die Frage, welche Folgen im Bußgeldverfahren an eine unterbliebene oder unzureichende Belehrung geknüpft sind.
4. Der Verteidiger muss der Verwertung in der HV ausdrücklich widersprechen (sog. Widerspruchslösung).
5. Die sog. qualifizierte Belehrungspflicht dürfte in OWi-Verfahren nur sehr selten notwendig sein.
6. Besteht ein Verwertungsverbot, muss der Betroffene im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht darlegen und beweisen, dass er bei ordnungsgemäßer Belehrung nicht ausgesagt hätte.
7. Bei Spontanäußerungen besteht unter dem Gesichtspunkt der Belehrungspflicht kein Verwertungsverbot.
 

Rdn 401

 

Literaturhinweise:

Brüssow, Beweisverwertungsverbot in Verkehrsstrafverfahren, StraFo 1998, 294

Burhoff, Die Widerspruchslösung in bußgeldrechtlichen Verfahren, VA 2013, 16

ders., So müssen Sie auf die "Widerspruchslösung" in bußgeldrechtlichen Verfahren reagieren, VA 2013, 35

Hecker, Verwertungsverbot infolge unterlassener Betroffenenbelehrung, NJW 1997, 1833

Neuhaus, Zur Notwendigkeit der qualifizierten Beschuldigtenbelehrung, NStZ 1997, 312

ders., Ungeschriebene Belehrungspflichten im Rahmen des § 136 Abs. 1 S. 2 StPO und die Folgen ihrer Verletzung, StV 2010, 45

Soiné, Selbstbelastungsfreiheit und Beweisverwertung bei Verkehrsstraftaten und Ordnungswidrigkeiten

Straßburg, Belehrung des Betroffenen bei Verkehrsordnungswidrigkeiten, MDR 1979, 461

Urbanzyk, Atemalkoholtests – Freiwilligkeit, Belehrungspflicht und Rechtsfolge bei fehlender Belehrung, DAR 2018, 402

auch die Hinw. bei → Beweisverwertungsverbote, Allgemeines, Rdn 542 und → Beweisverwertungsverbote im OWi-Verfahren, Rdn 592.

 

Rdn 402

1. Der Betroffene ist bei der schriftlichen oder mündlichen Anhörung über seine Rechte zu belehren (dazu Straßburg MDR 1979, 461). Das folgt aus dem Verweis in § 46 Abs. 1 auf die StPO. Der Umfang der gebotenen Belehrung im OWi-Verfahren wird allerdings gem. § 55 eingeschränkt.

 

Rdn 403

a) Gem. § 55 Abs. 2 S. 1 muss der Betroffene nicht darüber belehrt werden, dass er schon vor seiner Vernehmung einen Verteidiger befragen kann, wobei das Recht auf Verteidigerkonsultation und Beantragung von Beweiserhebungen dadurch selbstverständlich nicht eingeschränkt wird, sondern nur der Umfang der Belehrung. S. 2 schließt weiterhin die Regelung in § 136 Abs. 1 S. 3 bis S. 5 StPO aus, es bedarf also u.a. keiner Belehrung über das Recht, zur Entlastung Beweiserhebungen beantragen und unter den gesetzlichen Voraussetzungen einen Pflichtverteidiger beanspruchen zu können.

 

Rdn 404

b) Der Betroffene ist in Bußgeldverfahren daher letztlich nur darüber zu belehren, dass es ihm nach dem Gesetz freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen (§ 136 Abs. 1 S. 2, § 163a Abs. 3 S. 2 und Abs. 4 S. 2 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1; vgl. zum Schweigerecht u.a. BGHSt 51, 367 = NJW 2007, 2706 = StRR 2007, 224; s.a. BGHSt 38, 214, 229).

 

Rdn 405

c) Bei der Vernehmung oder der schriftlichen Anhörung ist dem Betroffenen zu eröffnen, welche Tat ihm zur Last gelegt wird. Das folgt für die Bußgeldstelle aus den §§ 163a Abs. 3 S. 2, 136 Abs. 1 S. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1, für die Polizei aus § 163 a Abs. 4 S. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1. Eine Mitteilung des vorgeworfenen Sachverhalts zumindest in groben Zügen kann ausreichen (vgl. BGH NStZ 2012, 581 = StV 2013, 485 = StRR 2012, 378). Anders als die Bußgeldstelle ist die Polizei aber nicht verpflichtet, auf die in Betracht kommenden Vorschriften hinzuweisen (§ 163a Abs. 4 S. 2 StPO verweist nicht auf § 136 Abs. 1 S. 1 StPO, maßgeblich ist insoweit allein § 163a Abs. 4 S. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 (BGH, a.a.O.).

 

Rdn 406

2.a) Die Belehrungspflicht besteht bei einer Anhörung als Betroffener. Deshalb ist die Belehrung obligatorisch, wenn ein OWi- oder Ermittlungsverfahren bereits förmlich eingeleitet worden ist (BGH StV 2015, 337 = NStZ 2015, 291 = StraFo 2015, 114).

 

☆ Die Belehrung ist nach den Feststellungen zur Identität des Betroffenen vor Beginn der Vernehmung zu erteilen, also noch nicht auf dem Weg zur Vernehmung (OLG Stuttgart, Beschl. v. 28.4.2009 – 2 Ss 747/09). Zuvor gemachte Angaben sind ggf. als Spontanäußerung verwertbar (Rdn 426 f.).vor Beginn der Vernehmung zu erteilen, also noch nicht auf dem Weg zur Vernehmung (OLG Stuttgart, Beschl. v. 28.4.2009 – 2 Ss 747/09). Zuvor gemachte Angaben sind ggf. als Spontanäußerung verwertbar (Rdn 426 f.).

 

Rdn 407

b) Die Zuweisung der Rolle als Beschuldigter/Betroffener kann auch konkludent erfolgen. Dies richtet sich danach, wie sich das Verhalten des ermittelnden Beamten bei seinen Aufklärungsmaßnahmen nach außen darstellt (BGH NJW 1992, 1463 = StV 1992, 212 = NStZ 1992, 242; StV 2015, 337 = NStZ 2015, 291 = StraFo 2015, 114). Das Strafverfahren ist ferner eingeleitet, sobald die Ermittlungsbehörde eine Maßnahme trifft, die nach i...

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