Detlef Burhoff, Thomas Hillenbrand
Rdn 743
Literaturhinweise:
König, Zum Einsatz von Proberichtern in der Großen Strafkammer, StV 1995, 39
s.a. die Hinw. bei → Berufung, Allgemeines, Teil B Rdn 657, und bei → Reduzierte Besetzung der großen Strafkammer/Jugendkammer, Teil R Rdn 2714.
Rdn 744
1. Berufungsgericht ist nach § 76 Abs. 1 S. 1 GVG sowohl bei Berufungen gegen Urteile des Richters am AG (Strafrichter) als auch gegen Urteile des (erweiterten) Schöffengerichts nach § 74 Abs. 3 GVG die kleine Strafkammer des LG (zur Verbindung von Berufungssachen zu erstinstanzlicher Verhandlung u.a. OLG Stuttgart NStZ 1995, 248; → Verbindung von Verfahren, Teil V Rdn 3327; zur Frage, ob ein Richter im Eingangsamt den Vorsitz einer Berufungsstrafkammer inne haben kann KG NStZ 2018, 491 [grds. nein, zur Erprobungszwecken allerdings erlaubt]; ähnlich KG, Beschl. v. 30.6.2023 – 3 ORs 37/23, StraFo 2023, 364).
☆ In Verfahren über Berufungen des erweiterten Schöffengerichts (§ 29 Abs. 2 GVG) gilt § 76 Abs. 6 GVG. Es ist also ein zweiter Richter hinzuzuziehen. Hierbei handelt es sich um eine Frage der sachlichen Zuständigkeit (für die Revision § 338 Nr. 4). Sie richtet sich allein danach, welches Gericht, ob zuständig oder unzuständig, in der ersten Instanz tatsächlich entschieden hat (OLG Düsseldorf NStZ 1994, 97 [für den Fall, dass das AG zu Unrecht in der Besetzung mit einem zweiten Berufsrichter tätig geworden ist]).erweiterten Schöffengerichts (§ 29 Abs. 2 GVG) gilt § 76 Abs. 6 GVG. Es ist also ein zweiter Richter hinzuzuziehen. Hierbei handelt es sich um eine Frage der sachlichen Zuständigkeit (für die Revision § 338 Nr. 4). Sie richtet sich allein danach, welches Gericht, ob zuständig oder unzuständig, in der ersten Instanz tatsächlich entschieden hat (OLG Düsseldorf NStZ 1994, 97 [für den Fall, dass das AG zu Unrecht in der Besetzung mit einem zweiten Berufsrichter tätig geworden ist]).
Rdn 745
2.a) Bei Berufungen gegen Urteile des Jugendrichters bzw. des Jugendschöffengerichts (§§ 39, 40 JGG) ist nach § 41 Abs. 2 JGG die Jugendkammer des LG zuständig, und zwar nach § 33b Abs. 1 JGG für Berufungen gegen Urteile des Jugendrichters die kleine Jugendkammer (Vorsitzender und zwei Jugendschöffen; § 33b Abs. 1 Hs. 2 JGG) und für Berufungen gegen Urteile des Jugendschöffengerichts die große Jugendkammer (dazu Teil B Rdn 746; wegen der weiteren Einzelh. der Berufung im Jugendgerichtsverfahren → Jugendgerichtsverfahren, Besonderheiten der Hauptverhandlung, Teil J Rdn 2208; Burhoff/Schimmel/Nöding, RM, Teil A Rn 651 ff.). Es ist i.Ü. zulässig, wenn die Jugendkammer bei einem Berufungsurteil mit zwei Proberichtern als beisitzenden Richtern besetzt ist; darin liegt kein Verstoß gegen § 29 S. 1 GVG (OLG Zweibrücken NStZ 1994, 356 m.w.N.; zum Einsatz von Proberichtern in großen Strafkammern König StV 1995, 39).
Rdn 746
b)aa) Durch das "Gesetz über die Besetzung der großen Straf- und Jugendkammern in der HV und zur Änderung weiterer gerichtsverfassungsrechtlicher Vorschriften sowie des BundesdisziplinarG" ist 2011 § 33b Abs. 4 S. 1 JGG neu eingeführt worden. Danach gilt in Verfahren über die Berufung gegen ein Urteil des Jugendschöffengerichts § 76 Abs. 2 GVG entsprechend. Die große Jugendkammer muss also über ihre Besetzung mit zwei oder drei Richtern entscheiden (→ Reduzierte Besetzung der großen Strafkammer/Jugendkammer, Teil R Rdn 2714; Burhoff, EV, Rn 4155; Deutscher StRR 2012, 10).
☆ Nach § 33b Abs. 4 S. 2 JGG ist die Dreier-Besetzung notwendig , wenn mit dem angefochtenen Urteil auf eine Jugendstrafe von mehr als vier Jahren erkannt wurde.§ 33b Abs. 4 S. 2 JGG ist die Dreier-Besetzung notwendig, wenn mit dem angefochtenen Urteil auf eine Jugendstrafe von mehr als vier Jahren erkannt wurde.
Rdn 747
bb) Wann die große Jugendkammer über ihre Besetzung entscheidet, ist in § 33b Abs. 4 JGG nicht ausdrücklich bestimmt. Sie wird dies spätestens in Zusammenhang mit der Terminierung der Sache tun müssen. I.Ü. gelten die allgemeinen Regeln des § 76 GVG (→ Reduzierte Besetzung der großen Strafkammer/Jugendkammer, Teil R Rdn 2714). Das bedeutet u.a.: Hat die große Jugendkammer eine Besetzung mit zwei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Jugendschöffen beschlossen und ergeben sich vor Beginn der HV neue Umstände, die nach § 33b Abs. 2 – 4 JGG eine Besetzung mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Jugendschöffen erforderlich machen, kann sie nach § 33b Abs. 5 JGG eine solche Besetzung beschließen. Ändert sich die Sachlage erst nach Beginn der HV, ist diese grds. in der ursprünglich angeordneten Besetzung zu Ende zu führen (BGH NStZ 2013, 181; BT-Drucks. 17/6905, S. 12 für normale StK).
Siehe auch: → Berufung, Allgemeines, Teil B Rdn 657 m.w.N.