Rdn 631

 

Literaturhinweise:

Burhoff, Verjährungsunterbrechung durch Erlass eines Bußgeldbescheides, VA 2003, 73

Fromm, Aktuelle Rechtsprechung und praxisrelevante Fallkonstellationen zum Tatbegriff im Verkehrsrecht, zfs 2018, 309

ders., Namensverwechselungen im Verkehrsbußgeldverfahren – Fallkonstellationen und -lösungen, DAR 2021, 293

Goldbach/Friedrich, Verteidigung im Ordnungswidrigkeitenverfahren mit Vollmacht im Hinblick auf die Verjährung, VRR 2008, 208

Hunsmann, Die Mitwirkung hör-, seh- und sprachbehinderter Personen im Strafverfahren, StRR 2014, 324

Krenberger, Praxistauglichkeit des Bußgeldverfahrens: Reformüberlegungen zu Verjährung und Rechtsbeschwerde, NZV 2020, 393

Puppe, Die Individualisierung der Tat in Anklageschrift und Bußgeldbescheid und ihre nachträgliche Korrigierbarkeit, NStZ 1982, 230

Rebler, Die Abgrenzungsfunktion des Bußgeldbescheides, NZV 2016, 304.

 

Rdn 632

1.a) Der Bußgeldbescheid wird von der Verwaltungsbehörde erlassen. Er schließt das Verwaltungsverfahren ab und stellt, wenn der Betroffene Einspruch einlegt, die Verfahrensgrundlage dar (OLG Bamberg NStZ 2007, 292 für den Fall der Personenverwechselung; → Bußgeldbescheid, Erlass, Rdn 642).

 

Rdn 633

b) Der Bußgeldbescheid ist der Anklage und dem Strafbefehl nachgebildet (KK/Kurz, § 65 Rn 5; Rebler NZV 2016, 304 f.; vgl. auch BGHSt 23, 336 = NJW 1970, 2222 = DAR 1971, 22). Ähnlich wie diese enthält er den dem Betroffenen gemachten Vorwurf, der den Gegenstand des Verfahrens bei der Verwaltungsbehörde bildet. Der Bußgeldbescheid grenzt den Gegenstand des Verfahrens in persönlicher, sachlicher und rechtlicher Hinsicht ab (dazu Rdn 634; zum Einspruch → Einspruch, Allgemeines, Rdn 909). Damit bestimmt der Bußgeldbescheid auch den Umfang der Rechtskraft (st. Rspr. seit BGH, a.a.O.; auch KK/Kurz, a.a.O., m.w.N.; → Rechtskraft der bußgeldrechtlichen Entscheidung, Rdn 3199). Daneben hat der Bußgeldbescheid auch eine Informationsfunktion (dazu Rdn 634).

 

Rdn 634

Im Einzelnen gilt:

Seine Abgrenzungsfunktion kann der Bußgeldbescheid nur erfüllen, wenn inhaltlich zweifelsfrei feststeht, gegen welche Person er sich richtet und welcher konkrete Lebensvorgang von ihm erfasst werden soll (dazu u.a. BGHSt 23, 336 = NJW 1970, 2222 = DAR 1971, 22; OLG Bamberg DAR 2009, 155 = VRR 2009, 683; OLG Brandenburg, Beschl. v. 6.5.2021 – 2 OLG 53 Ss-OWi 141/21; OLG Düsseldorf NJW 2006, 2647; OLG Hamm NStZ 1987, 515; Beschl. v. 24.6.2001 – 5 RBs 107/21; v. 16.9.2021 – 4 RBs 277/21, SVR 2021, 475; OLG Jena, StraFo 2016, 254; OLG Köln VRS 49, 128, 129; 64, 286; AG Dillenburg zfs 2010, 652; AG Limburg, Beschl. v. 9.11.2017 – 1 OWi – 6 Js 11243/17, zfs 2018, 295 = SVR 2018, 233; zur Frage, inwieweit der Akteninhalt oder sonstige Umstände herangezogen werden müssen/können, um zu prüfen, ob der Bußgeldbescheid seine Abgrenzungsfunktion erfüllt, u.a. KG, Beschl. v. 15.10.2018 – 3 Ws (B) 238/18; OLG Düsseldorf StraFo 2007, 511 = StRR 2008, 31; OLG Beschl. v. 25.5.2021 – 1 RBs 33/21, DAR 2022, 39 m. Anm. Krenberger; OLG Jena, a.a.O.; → Bußgeldbescheid, Inhalt, Rdn 674 ff.).

 

☆ Eine Verwechselung mit anderen Taten und Personen muss ausgeschlossen sein (wegen der Einzelh. → Bußgeldbescheid, Inhalt , Rdn 656 ; → Bußgeldbescheid, Mängel , Rdn 686 ).Verwechselung mit anderen Taten und Personen muss ausgeschlossen sein (wegen der Einzelh. → Bußgeldbescheid, Inhalt, Rdn 656; → Bußgeldbescheid, Mängel, Rdn 686).

Die Informationsfunktion ist erfüllt, wenn der Bußgeldbescheid so abgefasst ist, dass auch ein unerfahrener Betroffener ohne Akteneinsicht und ohne Einholung von Rechtsrat in der Lage ist, zu erkennen, welcher konkrete Vorwurf gegen ihn erhoben wird (KK/Kurz, § 65 Rn 6; dazu u.a. KG, Beschl. v. 31.1.2019 – 3 Ws (B) 42/19; OLG Bamberg DAR 2009, 155 = VRR 2009, 68; OLG Brandenburg, Beschl. v. 6.5.2021 – 2 OLG 53 Ss-OWi 141/21; OLG Hamm VRS 113, 61; NStZ-RR 2008, 53 = VRR 2007, 396; Beschl. v. v. 16.9.2021 – 4 RBs 277/21, SVR 2021, 475; OLG Jena, StraFo 2016, 254; OLG Koblenz, Beschl. v. 27.2.2018 – 1 OWi 6 SsRs 19/18; v. 22.3.2021 – 2 OWi 6 SsBs 20/21, zfs 2021, 412).
Der Bußgeldbescheid dient außerdem als Vollstreckungsgrundlage, d.h. er muss einen vollstreckbaren Inhalt haben (→ Bußgeldbescheid, Inhalt, Rdn 656).
 

Rdn 635

2. Die mit dem Bußgeldbescheid zusammenhängenden Fragen haben in der Praxis erhebliche Bedeutung:

Zum einen unterbricht nur der wirksame Bußgeldbescheid nach § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 die Verjährung (dazu → Verjährung, Unterbrechungstatbestände, Rdn 3892; → Bußgeldbescheid, Mängel, Rdn 686; zur Praxistauglichkeit des Bußgeldverfahrens und zu Reformüberlegungen zur Krenberger NZV 2020, 393),

zum anderen ist nur der wirksame Bußgeldbescheid im Fall des Einspruchs wirksame Verfahrensgrundlage für eine gerichtliche Sachentscheidung.

 

☆ Ist der Bußgeldbescheid mangelhaft , ist das Verfahren mangels einer Prozessvoraussetzung nach §§ 206a, 260 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 einzustellen (zu den Wirksamkeitsvoraussetzungen → Bußgeldbescheid, Inhalt , Rdn 656 ; zur Unwirksamkei...

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