Detlef Burhoff, Thomas Hillenbrand
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Für die AE im Bußgeldverfahren gelten grds. die allgemeinen Regeln der AE im Strafverfahren nach § 147. |
2. |
U.a. aus § 49 OWiG können sich aber Besonderheiten für die AE im Bußgeldverfahren ergeben. |
3. |
Auch hinsichtlich des Umfangs und der Art und Weise der AE gelten auch die allgemeinen Regeln aus dem Strafverfahren nach § 147. |
4. |
Besonders intensiv diskutiert wurden und werden die mit der die Akteneinsicht im straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren zusammenhängenden Fragen. |
Rdn 1547
Literaturhinweise:
S. die Hinw. bei → Bußgeldverfahren, Besonderheiten, Allgemeines, Teil B Rdn 1575.
Rdn 1548
1.a) Für die AE im Bußgeldverfahren gelten grds. die allgemeinen Regeln der AE im Strafverfahren nach § 147 (Einzelh. bei Burhoff/ Niehaus, OWi, Rn 144 ff.; Göhler/Bauer, § 60 Rn 48 ff. m.w.N., § 49 Rn 1 ff.; → Akteneinsicht, Allgemeines, Teil A Rdn 225, m.w.N.). Das gilt insbesondere auch wegen des Umfangs der AE (→ Akteneinsicht, Umfang, Teil A Rdn 483), insoweit besteht aber im straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren erheblicher Streit (wegen der Besonderheiten und der Art und Weise der AE Teil B Rdn 1554 ff.).
Rdn 1549
2. Auf folgende verfahrensrechtliche Besonderheiten ist hinzuweisen:
Rdn 1550
a) AE wird im EV von der Verwaltungsbehörde erteilt, die das Verfahren durchführt. Zunächst hat der Verteidiger des Betroffenen ein AER.
Nach § 49 Abs. 1 S. 1 OWiG kann in Verfahren vor der Verwaltungsbehörde dem Betroffenen auf Antrag aber auch selbst AE gewährt werden, soweit der Untersuchungszweck, auch in einem anderen Straf- oder Bußgeldverfahren, nicht gefährdet werden kann und nicht überwiegende schutzwürdige Interessen Dritter entgegenstehen. Werden die Akten nicht elektronisch geführt, können an Stelle der Einsichtnahme in die Akten Kopien aus den Akten übermittelt werden (§ 49 Abs. 1 S. 2 OWiG; → Akteneinsicht, elektronische Akte, Teil A Rdn 395). Die AE durch den Betroffenen selbst steht zwar im Ermessen der Verwaltungsbehörde, dürfte aber in einfachen Bußgeldverfahren, in denen die Akten meist nicht so umfangreich sind, i.d.R. zu gewähren sein. Dem als Zeugen befragten Fahrzeughalter steht ein AER nicht zu (a. AG Eilenburg, Beschl. v. 30.8.2023 – 8 OWi 510/23, zfs 2024, 51). Die Ausführungen bei → Akteneinsicht, Berechtigter, Teil A Rdn 289 ff., gelten insoweit entsprechen.
☆ Das AER des Betroffenen ist unabhängig davon, ob er einen Verteidiger beauftragt hat (schon zum alten Recht zutreffend Schäpe DAR 1998, 327; Göhler /Bauer , § 49 Rn 1). Die Einschränkung auf den nicht verteidigten Beschuldigten in § 147 Abs. 4 ist in § 49 Abs. 1 S. 1 OWiG nicht enthalten. Der Betroffene hat aber kein Recht zur Besichtigung amtlich verwahrter Beweisstücke . Beweisstücke kann nur der Verteidiger besichtigen, insoweit weicht § 49 Abs. 1 S. 1 OWiG von § 147 Abs. 4 ab.unabhängig davon, ob er einen Verteidiger beauftragt hat (schon zum alten Recht zutreffend Schäpe DAR 1998, 327; Göhler/Bauer, § 49 Rn 1). Die Einschränkung auf den nicht verteidigten Beschuldigten in § 147 Abs. 4 ist in § 49 Abs. 1 S. 1 OWiG nicht enthalten. Der Betroffene hat aber kein Recht zur Besichtigung amtlich verwahrter Beweisstücke. Beweisstücke kann nur der Verteidiger besichtigen, insoweit weicht § 49 Abs. 1 S. 1 OWiG von § 147 Abs. 4 ab.
Rdn 1551
b) Die Entscheidung über die AE trifft die Behörde. Wird dem Betroffenen die AE versagt, kann dagegen die gerichtliche Entscheidung nach § 62 OWiG beantragt werden (auch Teil B Rdn 1572). Das gilt auch für die Ablehnung nach Einstellung des Bußgeldverfahrens (OLG Stuttgart NStZ 2001, 584 [Ls.]). Es ist dann nicht etwa der → Antrag nach §§ 23 ff. EGGVG, Teil A Rdn 622, zulässig.
Rdn 1552
c) § 49 Abs. 1 gilt aber nur für das Verfahren bei der Verwaltungsbehörde. Ist das Verfahren von dieser gem. § 69 Abs. 3 OWiG an die StA bzw. dann von dieser an das Gericht abgegeben worden, bleibt es bei der Anwendung des § 147. D.h.: Es besteht dann das grds. alleinige AER des Verteidigers. Nur der nicht verteidigte Betroffene hat dann im Rahmen des § 147 Abs. 4 ein AER (→ Akteneinsicht, Berechtigter, Teil A Rdn 285).
Rdn 1553
Wird diesem die AE versagt, kann der Verteidiger/Betroffene abweichend von den sonstigen Rechtsmitteln bei Versagung/Beschränkung von AE (→ Akteneinsicht, Rechtsmittel bei Ablehnung, Teil A Rdn 465) gem. § 62 OWiG Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellen, über den das nach § 68 OWiG zuständige Gericht entscheidet (wegen der z.T. streitigen Einzelh. Burhoff/Niehaus, OWi, Rn 167 ff.; Göhler/Bauer, § 60 Rn 54a, § 62 Rn 1 ff., jeweils m.w.N.).
Rdn 1554
d) Die Kosten für die AE im OWi-Verfahren sind durch das JKomG in § 107 Abs. 5 OWiG an Nr. 9003 KV GKG angepasst worden. Danach gilt auch hier eine Aktenversendungspauschale. Wegen der Einzelheiten der Kosten für die AE kann daher auf → Akteneinsicht, Kosten, Teil A Rdn 425, verwiesen werden (s.a. Göhler/Thoma, § 107 Rn 23a).
☆ Soweit in landesrechtlichen Regelungen für die Gewährung von AE eine Gebühr vorgesehen ist, gilt ...