Detlef Burhoff, Thomas Hillenbrand
Rdn 652
Literaturhinweise:
Dencker, Belehrung des Angeklagten über sein Schweigerecht und Vernehmung zur Person, MDR 1975, 359
Geppert, Die "qualifizierte" Belehrung, in: Gedächtnisschrift für Karlheinz Meyer, 1990, S. 93
Gillmeister, Die Hinweispflicht des Tatrichters, StraFo 1998, 8
Schünemann, Die Belehrungspflichten der §§ 243 Abs. 4, 136 n.F. StPO und der BGH, MDR 1969, 101
s.a. die Hinw. bei → Vernehmung des Angeklagten zur Person, Teil V Rdn 3744.
Rdn 653
1. Nach der → Verlesung des Anklagesatzes, Teil V Rdn 3522, muss der Vorsitzende gem. § 243 Abs. 5 S. 1 den Angeklagten über sein Recht, die Aussage zu verweigern, belehren. Die Belehrung ist in der HV unabhängig davon erforderlich, dass der Angeklagte zuvor bereits im EV bei der Polizei und/oder der StA (ggf. mehrfach) belehrt worden ist.
☆ Soll im Zusammenhang mit der Mitteilung gem. § 243 Abs. 4 S. 1 (erneut) in Erörterungen mit dem Ziel einer Verständigung (§ 257c) eingetreten werden, ist der Vorsitzende nicht verpflichtet, den Angeklagten zunächst/erneut über sein Schweigerecht zu belehren (§ 243 Abs. 5 S. 1; → Mitteilung über Erörterungen zur Verständigung , Teil M Rdn 2303 ).Mitteilung gem. § 243 Abs. 4 S. 1 (erneut) in Erörterungen mit dem Ziel einer Verständigung (§ 257c) eingetreten werden, ist der Vorsitzende nicht verpflichtet, den Angeklagten zunächst/erneut über sein Schweigerecht zu belehren (§ 243 Abs. 5 S. 1; → Mitteilung über Erörterungen zur Verständigung, Teil M Rdn 2303).
Rdn 654
Die Belehrung ist auch dann notwendig, wenn die HV ausgesetzt war (aber BGH NStZ 1983, 210 [Pf/M; für ein Verfahren, in dem zum dritten Mal vor dem Schwurgericht verhandelt wurde]). Eine "qualifizierte Belehrung" des Angeklagten über die prozessualen Folgen der Zustimmung zu einer Verteidigererklärung, die der Verteidiger mit einer Einlassung zur Sache verliest und von der der Angeklagte auf Befragen des Gerichts ausdrücklich bestätigt, dass es sich bei der verlesenen Erklärung um seine eigene Einlassung zur Sache handele, ist nicht erforderlich (BVerfG StRR 2009, 122 [Ls.]; zum Inhalt der Belehrung in der Berufungsinstanz, wenn der Einspruch des Angeklagten gem. §§ 412, 329 verworfen worden ist, OLG Hamm, Beschl. v. 16.2.2021 – 4 RVs 118/20).
☆ Bei der richterlichen Belehrung über das Recht zur Äußerung oder zum Schweigen muss der Verteidiger darauf achten, ob der Angeklagte den Hinweis verstanden hat. Es empfiehlt sich, dem Mandanten den Hinweis bereits bei der → Vorbereitung der Hauptverhandlung , Teil V Rdn 4046 , zu erläutern . Will der Mandant nicht zur Sache aussagen, muss der Verteidiger darauf achten, dass der Angeklagte durch Hinweise des Gerichts über Nachteile oder Unzweckmäßigkeit des Schweigens nicht verwirrt wird. Solchen Hinweisen muss er entgegentreten, da es allein die Entscheidung des Angeklagten ist, ob er sich zur Sache einlässt oder nicht.Hinweis verstanden hat. Es empfiehlt sich, dem Mandanten den Hinweis bereits bei der → Vorbereitung der Hauptverhandlung, Teil V Rdn 4046, zu erläutern. Will der Mandant nicht zur Sache aussagen, muss der Verteidiger darauf achten, dass der Angeklagte durch Hinweise des Gerichts über Nachteile oder Unzweckmäßigkeit des Schweigens nicht verwirrt wird. Solchen Hinweisen muss er entgegentreten, da es allein die Entscheidung des Angeklagten ist, ob er sich zur Sache einlässt oder nicht.
Rdn 655
Häufig wird vom Vorsitzenden in die Belehrung des Angeklagten mit aufgenommen, dass das Schweigen des Angeklagten nicht zu seinem Nachteil verwertet werden dürfe (z.B. BGHSt 34, 324; → Vorbereitung der Hauptverhandlung, Teil V Rdn 4046; Burhoff, EV, Rn 2058 ff.). M.E. sollte, wenn der Angeklagte schon über die Belehrungspflicht des § 243 Abs. 4 S. 1 hinaus belehrt wird, er dann aber auch darüber belehrt werden, dass aus (nur) teilweisem Schweigen nachteilige Schlüsse gezogen werden können (dazu BGHSt 20, 298; 32, 140, 145 m.w.N.; BGH NStZ 2011, 357; Gillmeister StraFo 1997, 11). Unterlässt der Vorsitzende das, sollte der Verteidiger seinen Mandanten darauf (nochmals) hinweisen.
☆ Wurde der Hinweis/die Belehrung des Angeklagten in der HV (zunächst) vergessen, kann er/sie nachgeholt werden. Allerdings wird dann eine qualifizierte Belehrung dahin erforderlich sein, dass bislang gemachte Angaben des Angeklagten nicht verwertet werden dürfen, wenn er nunmehr schweigt (s. BGHSt 53, 112 [für Übergang von der Zeugen- zur Beschuldigtenvernehmung]; OLG Hamm NStZ-RR 2009, 283; schon Geppert , S. 93, 103; → Widerspruchslösung , Teil W Rdn 4114 ).nachgeholt werden. Allerdings wird dann eine qualifizierte Belehrung dahin erforderlich sein, dass bislang gemachte Angaben des Angeklagten nicht verwertet werden dürfen, wenn er nunmehr schweigt (s. BGHSt 53, 112 [für Übergang von der Zeugen- zur Beschuldigtenvernehmung]; OLG Hamm NStZ-RR 2009, 283; schon Geppert, S. 93, 103; → Widerspruchslösung, Teil W Rdn 4114).
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2. Für die Revision gilt: Bei der Pflicht zur Belehrung handelt es sich nicht um eine bloße Ordnungsvorschrift, sodass...