Detlef Burhoff, Thomas Hillenbrand
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Das bußgeldrechtliche EV endet ggf. mit dem Erlass eines Bußgeldbescheides gem. den §§ 65 ff. OWiG. |
2. |
Entscheidend für die Wirksamkeit/Unwirksamkeit des Bußgeldbescheides ist, ob eine Verwechselungsgefahr mit anderen (Verkehrs-)Verstößen gegeben ist. |
3. |
Bei der Einlegung des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid sind die sich aus §§ 67 ff. OWiG ergebenden Besonderheiten zu beachten. |
Rdn 1584
Literaturhinweise:
Burhoff, Regierungsentwurf zu einem "Gesetz zur weiteren Digitalisierung der Justiz" – Die wichtigsten geplanten Änderungen, VRR 3/2024, 13 = StRR 4/2024, 10
ders., Formwirksamkeitsfragen bei Rechtsmitteln im Straf- und Bußgeldrecht, VRR 4/2024, 4
Fromm, Aktuelles zur Verjährungsunterbrechung gem. § 33 I OWiG in Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren – zugleich zur Unterbrechung der Verjährung durch vorläufige Einstellung wegen Abwesenheit, DAR 2024, 71
Krenberger, Der Einspruch im Bußgeldverfahren, zfs 2022, 664
s.a. die Hinw. bei → Bußgeldverfahren, Besonderheiten, Allgemeines, Teil B Rdn 1575.
Rdn 1585
1.a) Das bußgeldrechtliche EV endet entweder mit der Einstellung des Verfahrens nach § 47 OWiG (→ Bußgeldverfahren, Besonderheiten, Verfahren, Teil B Rdn 1633 ff.) oder wegen mangelnden Tatverdachts nach § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 170 Abs. 2 (dazu Burhoff/Krenberger, OWi, Rn 1006 ff.) bzw. mit dem Erlass eines Bußgeldbescheides gem. den §§ 65 ff. OWiG.
Rdn 1586
b) Es ist Aufgabe des Verteidigers, sich mit der Wirksamkeit des Bußgeldbescheides auseinander zu setzen (dazu Göhler/Bauer, § 66 Rn 1 ff., 38 ff. m.w.N.; zu den Mindestanforderungen Burhoff/Burhoff, OWi, Rn 656 ff. m.w.N.).
☆ Der Verteidiger muss insbesondere darauf achten, ob die Angaben im Bußgeldbescheid ggf. fehler- oder lückenhaft sind. Ist das der Fall, ist der Bußgeldbescheid keine wirksame Verfahrensgrundlage. Es besteht dann ein Verfahrenshindernis, da ein unwirksamer Bußgeldbescheid nicht die Verjährung unterbricht. Das OWi-Verfahren muss dann eingestellt werden. Die Verjährung wird i. Üb. auch nicht unterbrochen, wenn die Verwaltungsbehörde nach Erlass des Bußgeldbescheides und vor Übersendung der Akten an das AG gem. § 69 Abs. 4 S. 2 OWiG ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 62 OWiG gestellt wird und die Verwaltungsbehörde dem AG die Akten zur Entscheidung über den Antrag übersendet (KG, Beschl. v. 4.6.2023 – 3 Orbs 108/23, DAR 2023, 578).Angaben im Bußgeldbescheid ggf. fehler- oder lückenhaft sind. Ist das der Fall, ist der Bußgeldbescheid keine wirksame Verfahrensgrundlage. Es besteht dann ein Verfahrenshindernis, da ein unwirksamer Bußgeldbescheid nicht die Verjährung unterbricht. Das OWi-Verfahren muss dann eingestellt werden. Die Verjährung wird i. Üb. auch nicht unterbrochen, wenn die Verwaltungsbehörde nach Erlass des Bußgeldbescheides und vor Übersendung der Akten an das AG gem. § 69 Abs. 4 S. 2 OWiG ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 62 OWiG gestellt wird und die Verwaltungsbehörde dem AG die Akten zur Entscheidung über den Antrag übersendet (KG, Beschl. v. 4.6.2023 – 3 Orbs 108/23, DAR 2023, 578).
Rdn 1587
2. Entscheidend für die Wirksamkeit/Unwirksamkeit ist, ob eine Verwechselungsgefahr mit anderen (Verkehrs-)Verstößen gegeben ist. Von Bedeutung ist, ob dem Bußgeldbescheid ohne Zweifel entnommen werden kann, wem die Tat zur Last gelegt wird und welche Tat gemeint ist (st. Rspr., BGHSt 23, 336 = NJW 1970, 2222; OLG Bamberg DAR 2009, 155; NStZ-RR 2010, 121; OLG Düsseldorf VRR 2010, 272; Beschl. v. 25.5.2022 – 1 RBs 33/21, DAR 2022, 39; OLG Hamm, Beschl. v. 13.1.2022 – 5 RBs 278/21; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 23.1.2020 – 1 Rb 21 Ss 967/19; LG Kaiserslautern, Beschl. v. 7.2.2022 – 5 Qs 3/22, zfs 2022, 593 m. abl. Anm. Krenberger; AG Kaiserslautern, Beschl. v. 12.11.2021 – 8 OWi 6070 Js 17914/21, zfs 2022, 133; Urt. v. 8.12.2021 – 8 OWi 6070 Js 18242/21 [2], DAR 2022, 284; AG Rockenhausen, Beschl. v. 3.4.2023 – 2a OWi 6070 Js 1673/23, DAR 2023, 405; Burhoff/Burhoff, OWi, Rn 686 ff.; Rebler NZV 2016, 305, zum Tatbegriff im Verkehrsrecht eingehend Fromm zfs 2018, 309 und zu Namensverwechselungen Fromm DAR 2021, 293 ff.). Dazu folgende
Rdn 1588
Rechtsprechungsbeispiele (wegen weiterer Rspr.-Beispiele Burhoff/Burhoff, OWi, Rn 703 ff.; Fromm zfs 2018, 309 ff.):
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Im Bußgeldbescheid wird bei einer Messung der gefahrenen Geschwindigkeit mit dem Lasermessgerät Riegl LR 90–235/P als Tatort fälschlicherweise der Standort des Messgerätes und nicht der tatsächliche Messpunkt genannt (OLG Hamm NStZ-RR 2002, 150 [Verwechselungsgefahr verneint, weil der Fahrer nach der Geschwindigkeitsmessung angehalten und unmittelbar auf den Verkehrsverstoß angesprochen worden ist]; s. dazu auch Göhler/Bauer, § 66 Rn 42 ff. m.w.N.; Burhoff/Burhoff, OWi, Rn 703 ff.), |
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Fehlerhafte Tatortangabe bei einem Rotlichtverstoß, nach dem der Betroffene nicht angehalten worden ist (KG VRS 57, 135; OLG Hamm DAR 1999, 371 = VRS 97, 182 = zfs 2000, 127; aber OLG Düsseldorf, Beschl. v. 25.5.2021 – 1 RBs 33/21, DAR 2022, 39; AG... |