Das Wichtigste in Kürze:

1. Ein Beweisantrag ist das ernsthafte Verlangen eines Prozessbeteiligten, über eine die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betreffende Behauptung durch bestimmte, nach dem OWiG und der StPO zulässige Beweismittel Beweis zu erheben.
2. Der Beweisantrag ist vom Beweisermittlungsantrag und der Beweisanregung zu unterscheiden.
 

Rdn 484

 

Literaturhinweise:

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Witting/Junker, Aktuelle Entwicklungen der BGH-Rechtsprechung zum Beweisantragsrecht, StRR 2009, 244

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s. auch die Hinw. bei → Beweisantrag, Inhalt, Rdn 510.

 

Rdn 485

1.a) Das Beweisantragsrecht des Betroffenen/Verteidigers folgt aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG (BVerfG NJW 1986, 833). Der Begriff des Beweisantrags ist zwar nicht im OWiG (§ 77), aber in § 244 Abs. 3 S. 1 StPO definiert. Danach ist der Beweisantrag ein in der HV an das Gericht gestelltes Verlangen eines Verfahrensbeteiligten, Beweis durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel über eine bestimmte Beweisbehauptung zu erheben (vgl. dazu u.a. BGHSt 6, 128, 129; NStZ 2007, 712; LR/Becker, § 244 Rn 95 ff.). Zudem ist erforderlich, dass "dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll" (sog. Konnexität → Beweisantrag, Begründung, Rdn 505 ff.).

 

Rdn 486

Kein zulässiger Beweisantrag liegt hingegen vor, wenn der Verteidiger in seinem Antrag keine Tatsachen unter Beweis gestellt wissen will, sondern Rechtsfragen. Eine derartig begehrte Beweiserhebung ist unzulässig. Gleiches gilt für die in einem Antrag unter Beweis gestellten "Tatsachen" betreffend verschiedener Wertungen aus äußeren Umständen und Handlungen wie z.B. "schwere Spielsucht" (OLG Hamm, Beschl. v. 19.9.2013 – 5 RVs 75/13), "Alkoholprobleme" (BGH StV 1997, 622), "glaubwürdig", "zuverlässig", "angeheitert". Auch über diese Gesichtspunkte ist im Eigentlichen eine Beweiserhebung nicht möglich (vgl. Burhoff, HV, Rn 1163, aber auch zu den "Ausnahmen" Burhoff, HV, Rn 1165). Bei dem Antrag auf Vernehmung eines Zeugen zur Feststellung eines Verfahrenshindernisses (z.B. Verjährung) handelt es sich, da nicht unmittelbar für den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch bedeutsam, nicht um einen Beweisantrag i.S.d. §§ 244 Abs. 3 S. 1 StPO, 77 OWiG. Diese Tatsachen sind vielmehr von Amts wegen freibeweislich festzustellen (OLG Bamberg, Beschl. v. 7.1.2018 – 3 Ss OWi 1710/18, VA 2019, 86). Auch ein "Beweisersuchen" mit dem Ziel der Prozessverschleppung wird nach den Änderungen der StPO durch das "Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens" v. 10.12.2019) nicht als "Beweisantrag" angesehen (wegen der Einzelh. Burhoff, StRR 10/2020, 5).

 

☆ Der Beweisantrag ist das wirkungsvollste Mittel des Verteidigers , auf den Umfang der Beweisaufnahme Einfluss zu nehmen. Durch den Antrag wird das Gericht gezwungen,...

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