Detlef Burhoff, Thomas Hillenbrand
Rdn 1233
Literaturhinweise:
Bandilla/Hassemer, Zur Abhängigkeit strafrichterlicher Beweiswürdigung vom Zeitpunkt der Zeugenvernehmung im Hauptverfahren, StV 1989, 551
Barton, Der Zeitpunkt des Beweisantrages unter Berücksichtigung des Inertia-Effektes, StraFo 1993, 11
Hammerstein, Kann die Reihenfolge der Beweiserhebung das Urteil beeinflussen?, in: Festschrift für Rudolf Schmitt, 1992, S. 323
Scheffler, Beweisanträge kurz vor oder während der Verkündung des Strafurteils, MDR 1993, 3
Schmid, Der späte Beweisantrag, StraFo 1993, 53
s.a. die Hinw. bei → Beweisantrag, Fristsetzung, Teil B Rdn 1176, und bei → Beweisantragsrecht, Allgemeines, Teil B Rdn 1225.
Rdn 1234
1.a) Nach der ausdrücklichen Regelung in § 246 Abs. 1 darf eine Beweiserhebung nicht (allein) deshalb abgelehnt werden, weil das Beweismittel oder die zu beweisende Tatsache zu spät vorgebracht worden ist (dazu BVerfG NJW 2010, 592; s. aber die Nachw. zur teilweisen a.A. in der Rspr. des BGH für die Fälle der "Prozessverschleppung" bei → Beweisantrag, Ablehnungsgründe, Teil B Rdn 1048 ff.; → Beweisantrag, Fristsetzung, Teil B Rdn 1175 ff.). Änderungen sind 2019 auch durch das "Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens" eingetreten. Denn nach § 244 Abs. 6 S. 2 müssen zum Zwecke der Prozessverschleppung gestellte Anträge nicht gem. § 244 Abs. 6 S. 1 mit einem Gerichtsbeschluss auf der Grundlage der Ablehnungsgründe des § 244 Abs. 4 S. 3 S. 2 und 3, Abs. 4 beschieden werden (→ Beweisantrag, Ablehnungsbeschluss, Teil B Rdn 1027). Das bedeutet:
Rdn 1235
b) Beweisanträge i.S. des § 244 Abs. 3 S. 1 sind bis zum Beginn der → Urteilsverkündung, Teil U Rdn 3315, zulässig (st.Rspr.; zuletzt BGH NStZ 2005, 395; Meyer-Goßner/Schmitt, § 244 Rn 33, jew. m.w.N.; Hamm/Pauly, Rn 229). Bis dahin ist das Gericht verpflichtet, sie entgegenzunehmen, und zwar auch, wenn es sich um einen sog. Verkündungstermin handelt (BGH, a.a.O.; Urt. v. 26.10.2023 – 5 StR 257/23, StRR 1/2024, 12; KG StV 1991, 59). Daran hat sich durch die 2017 eingeführte "Fristenregelung" in § 244 Abs. 6 S. 2 – 4 nichts geändert (BT-Drucks. 18/11277, S. 34; SSW-StPO-Sättele, § 244 Rn 129; Meyer-Goßner/Schmitt, § 244 Rn 95; → Beweisantrag, Fristsetzung, Teil B Rdn 1175 ff.). Auch das "Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens" hat 2019 insoweit keine Änderungen gebracht.
Rdn 1236
Die → Urteilsverkündung, Teil U Rdn 3315, beginnt i.Ü. nicht erst mit der Verlesung des Urteilstenors, sondern bereits mit den ersten Worten der Eingangsformel "Im Namen des Volkes", mit der alle Urteile verkündet werden (§ 268 Abs. 1) (BGH, Urt. v. 26.10.2023 – 5 StR 257/23, StRR 1/2024, 12). Der Verteidiger darf die Verkündung des Urteils nicht durch lautes Schreiben stören oder zu verhindern versuchen (BH, a.a.O. [Rechtsmissbrauch}).
☆ Lehnt der Vorsitzende die Entgegennahme des Beweisantrags ab , muss der Verteidiger nach § 238 Abs. 2 das Gericht anrufen (BGH NJW 1992, 3182), es sei denn, der Vorsitzende lässt den Verteidiger überhaupt nicht zu Wort kommen (BGH NStZ 1992, 248). der Vorsitzende die Entgegennahme des Beweisantrags ab, muss der Verteidiger nach § 238 Abs. 2 das Gericht anrufen (BGH NJW 1992, 3182), es sei denn, der Vorsitzende lässt den Verteidiger überhaupt nicht zu Wort kommen (BGH NStZ 1992, 248).
Rdn 1237
c) Ab Beginn der → Urteilsverkündung, Teil U Rdn 3315, bis zum Schluss der mündlichen Begründung (BGHSt 25, 333, 335) liegt es im Ermessen des Vorsitzenden, dem Verteidiger oder dem Angeklagten (noch einmal) das Wort zu erteilen (BGH NStZ 1986, 182). Der Vorsitzende braucht seine ablehnende Entscheidung nicht zu begründen. Es ist allerdings nicht zulässig, den Verteidiger, der nach → Urteilsberatung, Teil U Rdn 3306, aber vor → Urteilsverkündung, Teil U Rdn 3315, einen Beweisantrag stellen will, nicht zu Worte kommen zu lassen und ihn dadurch an der Stellung eines Antrags zu hindern. Entsprechendes gilt, wenn nach Unterbrechung der Verkündung mit dieser erneut und vollständig von vorne begonnen wird, nachdem dem Vorsitzenden zuvor die Stellung eines Beweisantrags angekündigt worden war (BGH, a.a.O.). Eine Ausnahme scheint der BGH dann machen zu wollen, wenn dem Verteidiger zuvor eine Frist zur Stellung von Beweisanträgen gemacht worden ist. Darauf deutet der Hinweis auf die Entscheidung BGH NJW 2005, 2466 hin (BGH NStZ 2007, 112).
☆ Ob der Antrag nach § 238 Abs. 2 für die Revision erforderlich ist, ist zweifelhaft (abl. BGH MDR 1992, 635 [H]; zust. BGH NJW 1992, 3182 [Ls.]; zu allem eingehend Scheffler MDR 1993, 3). Wegen der ungeklärten Frage ist zu empfehlen , dass der Verteidiger gegen die ablehnende Entscheidung auf jeden Fall das Gericht anruft (→ Urteilsverkündung , Teil U Rdn 3315 f.).Antrag nach § 238 Abs. 2 für die Revision erforderlich ist, ist zweifelhaft (abl. BGH MDR 1992, 635 [H]; zust. BGH NJW 1992, 3182 [Ls.]; zu allem eingehend Scheffler MDR 1993, 3). Wegen der ungeklärten Frage ist zu empfehlen, dass der Verteidiger gegen die ablehnende Entscheidung auf jeden Fall das Gericht anruft (→ Urt...