Detlef Burhoff, Thomas Hillenbrand
Rdn 678
Literaturhinweise:
S. die Hinw. bei → Berufung, Allgemeines, Teil B Rdn 657.
Rdn 679
1.a) Die StPO schreibt eine Begründung der Berufung des Angeklagten (bislang) nicht vor. § 317 ist – für den Angeklagten – eine Kann-Vorschrift; die StA ist jedoch nach Nr. 156 RiStBV zur Berufungsbegründung verpflichtet. In der Praxis gehen daher auch die Meinungen auseinander, ob der Verteidiger eine Berufung begründen soll oder nicht (zur Rechtsmittelbegründung Burhoff/Kotz/Grube, RM, Teil A Rn 1328 ff.).
Bei der Formulierung seiner Berufungsbegründung muss der Verteidiger darauf achten, dass er nicht konkludent eine Beschränkung vornimmt. Das könnte z.B. der Fall sein, wenn er nach unbeschränkt eingelegter Berufung dann nur zur Strafzumessung Stellung nimmt. Die Ausführungen bei → Revision, Begründung, Allgemeines, Teil R Rdn 2762, gelten entsprechend.
Rdn 680
b) Für den Nebenkläger gilt § 400 Abs. 1 mit der Folge, dass er das Rechtsmittelziel angeben muss, um dem Berufungsgericht die Prüfung der an sich nur eingeschränkten Zulässigkeit seines Rechtsmittels zu ermöglichen (OLG Jena NStZ-RR 2007, 209; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 27.2.2009 – 1 Ws 26/09; → Nebenklägerrechte in der Hauptverhandlung, Teil N Rdn 2394). Nicht ausreichend ist insoweit die bloße Behauptung eines nebenklagefähigen Delikts (für Revision st.Rspr., u.a. BGH NStZ 2011, 338; NStZ-RR 2003, 102 [Ls.]; Meyer-Goßner/Schmitt, § 400 Rn 7). Vielmehr muss zumindest die entfernte rechtliche Möglichkeit bestehen, dass der Angeklagte wegen eines nebenklagefähigen Straftatbestandes verurteilt worden ist (OLG Hamm NStZ-RR 2003, 20 [Ls.]; StRR 2008, 122 [Ls.]; OLG Köln NStZ 2011, 477; exemplarisch – auch – BGH, Beschl. v. 16.9.2019 – 4 StR 131/19, NStZ-RR 2019, 353; Beschl. v. 6.12.2016 – 2 StR 425/16; OLG Bamberg, Beschl. v. 24.3.2022 – 1 Ws 135/22, NStZ-RR 2022, 317). Auch, wenn der Nebenkläger sich gegen die Bewertung der Konkurrenzverhältnisse wenden will – was ein grds. zulässiges Rechtsmittelziel eines Nebenklägers sein kann –, um zu einer weitergehenden Verurteilung des Angeklagten gelangen zu können, muss er dies in der notwendigen Klarheit in der Berufungsbegründung zum Ausdruck bringen (BGH StraFo 2014, 79 für Revision; zur Formulierung des Rechtsmittelziels noch BGH StRR 3/2018, 3 [Ls.]). Bei seiner Prüfung muss das Berufungsgericht den gesamten Akteninhalt berücksichtigen und darf sich nicht auf eine Bewertung anhand des erstinstanzlichen Urteils und der Berufungsbegründung des Nebenklägers beschränken (OLG Hamm, a.a.O.; offengelassen von OLG Jena, a.a.O.).
☆ Die Ausführungen zum Rechtsmittelziel können im Beschwerdeverfahren nachgeholt werden (OLG Zweibrücken, a.a.O.).nachgeholt werden (OLG Zweibrücken, a.a.O.).
Rdn 681
2. Seine Entscheidung "pro/contra" eine Berufungsbegründung muss der Verteidiger u.a. von folgenden Überlegungen abhängig machen:
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Einerseits kann es nachteilig sein, dass mit einer Berufungsbegründung ggf. das Berufungsziel und/oder die Verteidigungsstrategie zu früh aufgedeckt werden müssen. |
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Andererseits kann es das Berufungsziel aber auch gerade erforderlich machen, dass der Verteidiger die Berufung begründet. Wird eine Einstellung erstrebt, wird es i.d.R. kaum gelingen, das Gericht dazu noch in der Berufungsinstanz zu bewegen, wenn nicht mit einer Begründung offengelegt wird, wie schwierig sich anderenfalls die Berufungs-HV gestalten wird (Dahs, Rn 874). |
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Eine frühzeitige Bekanntgabe der Angriffspunkte ermöglicht es dem Gericht, die Berufungs-HV vorzubereiten. Deshalb wird der Verteidiger, wenn er zunächst unbeschränkt Berufung eingelegt hat, dann nach Prüfung des erstinstanzlichen Urteils und/oder nach Rücksprache mit dem Mandanten die Berufung aber nur noch beschränkt durchführen will (→ Berufung, Berufungsbeschränkung, Teil B Rdn 684), das Gericht zumindest von der nun beabsichtigten Beschränkung informieren. Das erlaubt eine andere zeitliche Planung und erspart darüber hinaus dem Mandanten unnötige Kosten für Zeugen, die wegen der Beschränkung der Berufung ggf. nicht mehr benötigt werden. |
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Eine (umfangreiche) Berufungsbegründung wird sich dann nicht empfehlen, wenn nur die Beweiswürdigung der ersten Instanz angegriffen werden soll. Von der Glaubwürdigkeit von Zeugen muss sich das Berufungsgericht selbst einen Eindruck verschaffen. Der Verteidiger muss jedoch zumindest mitteilen, dass die in der ersten Instanz vernommenen Zeugen auf jeden Fall geladen werden sollen, um so deren Ladung zur Berufungs-HV sicherzustellen und die Verlesung von deren Vernehmungen zu vermeiden (→ Berufung, Berufungshauptverhandlung, Teil B Rdn 748). |
☆ Bedarf die Berufung der Annahme (→ Berufung , Annahmeberufung , Teil B Rdn 667 ), muss der Verteidiger die Berufung auf jeden Fall begründen und darlegen, warum die Berufung nicht offensichtlich unbegründet ist ( Meyer-Goßner/Schmitt , § 317 Rn 1 [ dringend zu empfehlen ]; Beck- Michalke , S. 581). Dies zwingt das Berufungsgericht, sich mit den Angriffen gegen das Urteil des AG auseinanderzusetzen...