Rz. 59
Der Ausschluss des Versicherungsschutzes bei wissentlicher Pflichtverletzung wird überwiegend für wirksam erachtet. Für die D&O-Versicherung liegt noch keine BGH-Entscheidung vor. Allerdings hält der BGH den Ausschluss der wissentlichen Pflichtverletzung bei der Vermögensschadenshaftpflichtversicherung bei den verbreiteten Berufshaftpflichtversicherungen für zulässig. Auch mag angeführt werden, dass die Organperson, die wissentlich ihre Pflichten verletzt hat, damit rechnen muss, ihren Versicherungsschutz zu verlieren und sie deshalb keinen Schutz verdient. Auch wird angeführt, dass der Einschluss der wissentlichen Pflichtverletzung gegen die Legalitätspflicht einerseits und gegen § 138 Abs. 1 BGB andererseits verstieße. Dem ist entgegenzuhalten, dass der Haftpflichtversicherungsschutz "selbstverständlich" für Gesetzesverstöße, auch für bewusst begangene gewährt werden kann, solange nur der Schaden nicht vorsätzlich herbeigeführt wird. Bekanntes Beispiel ist die vorsätzliche Missachtung einer roten Ampel mit Unfallfolge. Der Unfall mit dem Sach- und Personenschaden wurde nicht vorsätzlich herbeigeführt und es besteht Versicherungsschutz. Auch wird geltend gemacht, dass der Ausschluss der Verhaltenssteuerung diene. Die Organmitglieder würden angehalten, sich pflichtgemäß zu verhalten. Der Ausschluss der wissentlichen Pflichtverletzung, so das entscheidende Argument für die Unwirksamkeit des Ausschlusses, trägt allerdings nicht der besonderen Ausgestaltung der Organhaftung Rechnung.
Im Kern der Deckung steht die Innenhaftung aus § 43 GmbHG bzw. § 93 AktG. Hier wird eine Haftung ausgelöst, wenn Entscheidungen vorgenommen werden, die nicht mehr vom unternehmerischen Ermessen getragen sind. Ist das unternehmerische Ermessen überschritten, ergibt sich daraus die Pflichtwidrigkeit. Ein Verschulden wird unterstellt, das Organmitglied müsste sich entlasten, was wegen des typisierten Verschuldensmaßstabes nur in Ausnahmefällen gelingt (siehe zum unternehmerischen Ermessen ausführlich die Ausführungen bei § 43 GmbHG unter II 3).
Rz. 60
Bemüht sich der Geschäftsleiter eine Entscheidung zu treffen, die vom unternehmerischen Ermessen gedeckt ist, indem er eine entsprechende Abwägung vornimmt, wird diese aber vom Gericht bei der späteren Beurteilung der Haftpflichtfrage abweichend von der Auffassung des Geschäftsleiters als pflichtwidrig beurteilt, läge regelmäßig die Situation vor, dass der Geschäftsleiter pflichtwidrig gehandelt hat und er diese Handlung bewusst und gewollt vorgenommen hat. Sie war ja gerade das Ergebnis seines Entscheidungs- und Abwägungsprozesses.
Rz. 61
Dem Geschäftsleiter könnte z.B. vorgeworfen werden, er habe nicht ausreichend Informationen eingeholt. So genüge es z.B. nicht bei der Prüfung der Bonität nur eine Auskunft einer Auskunftei einzuholen, es genüge auch nicht sich den letzten Jahresabschluss anzuschauen, erforderlich sei vielmehr eine aktuelle Auskunft der Hausbank, wonach der Vertragspartner mindestes für einen Betrag in Höhe der Vertragssumme "gut" sei oder es hätten Sicherheiten gefordert werden müssen. Kommt es zum Forderungsausfall, lässt sich "immer" begründen, warum der Geschäftsleiter zu wenig gemacht habe. Die Gefahr, dass eine Pflichtwidrigkeit bejaht wird, ist daher stets vorhanden, sobald der Schaden eingetreten ist. Nur dann stellt sich die Frage der Haftung. Man müsste sich dann darüber unterhalten, ob auf Seiten des Geschäftsleiters ein Verbotsirrtum vorliegt, der den Vorsatz ausschließt und ggf. auf die Vermeidbarkeit abstellen.
Rz. 62
Jedenfalls führt allein der Umstand, dass ein Schaden eingetreten ist, obwohl der Geschäftsleiter vorträgt, er habe sein unternehmerisches Ermessen pflichtgemäß ausgeübt und es seien nur die "immanenten" Risiken eingetreten, dazu, dass der Versicherer - wenn das Gericht wegen Überschreitung des unternehmerischen Ermessens doch eine Pflichtwidrigkeit annimmt -, diese Handlung als wissentliche Pflichtverletzung einordnen könnte und der Versicherer den Versicherungsschutz nachträglich versagt. Schließlich habe der Geschäftsleiter die Handlung doch bewusst und gewollt vorgenommen. Zwar wird man auch das Bewusstsein des Geschäftsleiters von der Pflichtwidrigkeit bei der Vornahme der Handlung fordern müssen, das regelmäßig gefehlt haben dürfte, doch räumt die Eröffnung dieser Diskussion nicht die durch die Klausel hervorgerufene unangemessene Benachteiligung aus.
Rz. 63
Der Risikoausschluss ist im Ergebnis ein probates Instrument des Versicherers eine Deckungsversagung oder einen für ihn günstigen Deckungsvergleich durchzusetzen. Dilling hat daher 2014 in seiner Dissertation überzeugend herausgearbeitet, dass sowohl der Ausschluss der wissentlichen als auch jener der vorsätzlichen Pflichtverletzung wegen unangemessener Benachteiligung gemäß § 307 BGB unwirksam sind. Hierbei nimmt Dilling zu Recht einen Verstoß gegen beide Regelbeispiele in § 307 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BGB an. Er stellt heraus, dass eine Abweichung vom geset...