Rz. 100

Weit verbreitet sind Klauseln, die bei der wissentlichen Pflichtverletzung vom Ausschluss Handlungen ausnehmen, wenn zum Wohle der Gesellschaft auf der Grundlage angemessener Informationen gehandelt wurde.

 

Rz. 101

 

Vorsätzliche oder wissentliche Pflichtverletzung

"Dieser Risikoausschluss gilt nicht bei einer sich ausschließlich aus dem sog. Binnenrecht der Versicherungsnehmerin oder einer Tochtergesellschaft ergebenden Pflicht, wenn die versicherte Person zum Zeitpunkt der Pflichtverletzung vernünftigerweise annehmen durfte und annahm, dass sie auf Grundlage angemessener Informationen zum Wohle der Gesellschaft handelt, oder dass die Versicherungsnehmerin oder die Tochtergesellschaft die Pflichtverletzung dulden wird. Zum Binnenrecht gehören ausschließlich die Satzung, der Gesellschaftsvertrag, interne Richtlinien und konkrete Handlungsanweisungen."

 

Rz. 102

Die "Rückausnahme"[1] legt fest, dass der Ausschluss nicht gilt, wenn das Organmitglied zum Zeitpunkt der Pflichtverletzung vernünftigerweise annehmen durfte und annahm, dass es auf Grundlage angemessener Informationen zum Wohle der Gesellschaft handelte, oder dass die Versicherungsnehmerin oder die Tochtergesellschaft die Pflichtverletzung dulden wird. Die Handlung des Organmitgliedes muss sich also im Rahmen des unternehmerische Ermessens, also der Business-Jugdement-Rule bewegen (siehe ausführlich zum unternehmerischen Ermessen unter § 43 GmbHG II 3.) Handelt der Geschäftsführer im Rahmen seines unternehmerischen Ermessens, verstößt aber die konkrete Maßnahme gegen das gesellschaftsrechtliche Binnenrecht, nicht jedoch gegen gesetzliche Bestimmungen, greift der Ausschluss der wissentlichen Pflichtverletzung nicht ein. Dies wäre z.B. der Fall, wenn ein Zustimmungskatalog der Gesellschafterversammlung zu einer bestimmten Maßnahme einen zustimmenden Beschluss verlangt, der vor der Vornahme dieser Maßnahme einzuholen ist. Lernt der Geschäftsführer z.B. auf einer Messe den Topverkäufer der Konkurrenz kennen, der aufgrund eines persönlichen Umstandes - sein Chef habe ihn persönlich beleidigt und ihm seine Freundin ausgespannt - den Arbeitgeber wechseln möchte und kann der Geschäftsführer auf der Messe einen Arbeitsvertrag zu marktüblichen Konditionen perfekt machen, wäre dies eine Maßnahme, die im unternehmerischen Ermessen läge. Sieht nun die Geschäftsordnung vor, dass bei Einstellungen ab einem Jahresgehalt ab 100.000 EUR - darunter fiele die Einstellung - die Gesellschafterversammlung vorher zustimmen muss, läge gleichwohl ein Verstoß gegen das Binnenrecht vor. Aufgrund der obengenannten Klausel würde trotz des wissentlichen Verstoßes Versicherungsschutz bestehen. Der Geschäftsführer konnte annehmen, dass die Einstellung zum Wohl der Gesellschaft erfolgt – auch wenn die Gesellschafterversammlung dies in der Nachschau anders beurteilt (siehe dazu die Ausführungen bei § 43 GmbHG II 2 d).

Entscheidungen von den der Geschäftsführer annehmen konnte, dass sie zum Wohl der Gesellschaft geschehen, sind also dann mitversichert, wenn die Abweichung nur vom gesellschaftsrechtlichen Binnenrecht, jedoch nicht von gesetzlichen Bestimmungen erfolgt.

[1] Dreher npoR 2021, 171, 174,

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