Rz. 1
Im Abschnitt A-7 AVB D&O sind in 17 Unterpunkten weitreichende Ausschlüsse definiert. Gerade diese führen dazu, dass die AVB D&O nicht ohne Anpassungen am Markt durchsetzbar sind. Risikoausschlüsse unterliegen einer AGB-rechtlichen Kontrolle (siehe dazu die Ausführungen in der Einleitung A VIII). Die Beweislast für das Vorliegen eines Ausschlusses trägt der Versicherer (siehe unten bei XXII).
Es wird diskutiert, ob es sich bei bestimmten Regelungen, die als Risikoausschluss vereinbart sind, gleichwohl um sog. "verhüllte" Obliegenheiten handelt. So wird erwogen, ob die Bestimmung, wonach bei vorsätzlichen oder wissentlichen Pflichtverletzungen kein Versicherungsschutz besteht, statt als Risikoausschluss als eine sog. verhüllte Obliegenheit einzuordnen ist. Grundsätzlich kann der Versicherer Obliegenheiten vereinbaren, die die Versicherungsnehmerin bzw. der Versicherte einhalten müssen, wenn sie nicht den Versicherungsschutz ganz oder teilweise verlieren wollen. Obliegenheiten, die dazu dienen, das Risiko des Eintritts des Versicherungsfalls zu verringern, bezeichnet man als gefahrvorbeugende Obliegenheiten. Solche Obliegenheiten werden in der Sachversicherung häufig vereinbart. Zum Beispiel dient bei der Inhaltsversicherung die Obliegenheit zum Einbau einer Einbruchmeldeanlage und diese in Betrieb zu halten offensichtlich der Minimierung des Einbruchdiebstahlsrisikos. In der Haftpflichtversicherung werden gefahrvorbeugende Obliegenheiten seltener als in der Sachversicherung vereinbart. Wie A-7 AVB D&O zeigt wird eher mit Risikoausschlüssen, das heißt Leistungsausschlüssen gearbeitet. Ein Risikoausschluss kann sich aber als "verhüllte Obliegenheit" "entpuppen". Dies kommt immer dann in Betracht, wenn vom Versicherungsnehmer ein bestimmtes gefahrvorbeugendes Verhalten erwartet wird.
Rz. 2
Es ist ein erheblicher Unterschied, ob der Versicherer sich auf einen Risikoausschluss oder auf eine Verletzung einer Obliegenheit berufen kann. Der Tatbestand des Risikoausschlusses muss nur wie vereinbart erfüllt sein: Wird z.B. in der D&O-Versicherung vereinbart, dass diese nicht für Ansprüche aus dem US-Recht Versicherungsschutz gewährt, reicht es, wenn ein Anspruch aus dem US-Recht vorliegt, unabhängig davon, ob der Geschäftsführer diese Rechtsordnung durch sein Verhalten verletzt hat. Bei einer Obliegenheit hingegen bräuchte man ein Verhalten, das grob fahrlässig oder vorsätzlich zu einer Verletzung der Obliegenheit geführt hat. Einfach fahrlässige Verstöße würden nicht genügen, um den Versicherungsschutz einzuschränken. Die Rechtsfolge bei einem grob fahrlässigen Verstoß gegen die Obliegenheit wäre auch nur die Kürzung der Leistung, nicht die vollständige Leistungsfreiheit wie bei einem Risikoausschluss. Sowohl bei einer grob fahrlässigen als auch vorsätzlichen Verletzung der Obliegenheit träte aber gleichwohl keine Leistungsfreiheit ein, soweit dem Versicherungsnehmer bzw. Versicherten der Kausalitätsgegenbeweis gelingt. Nur bei Arglist bliebe es bei der Leistungsfreiheit. Durch den Kausalitätsgegenbeweis kann der Versicherungsnehmer beweisen, dass die Verletzung der Obliegenheit keinen Einfluss auf den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalls bzw. auf die Feststellung und den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers gehabt hat. Eine Rechtsprechung zu verhüllten Obliegenheiten in der D&O-Versicherung ist nicht veröffentlicht.
Rz. 3
Der BGH definiert in ständiger Rechtsprechung wie folgt die Obliegenheit und grenzt diese vom Risikoausschluss ab:
"Als verhüllte Obliegenheiten werden Klauselbedingungen bezeichnet, die wie ein Risikoausschluss formuliert sind, in Wahrheit den Versicherungsschutz aber von einem bestimmten Verhalten des Versicherungsnehmers abhängig machen. Die Abgrenzung einer verhüllten Obliegenheit von einer Risikobegrenzung richtet sich entscheidend nicht nach dem Wortlaut und der Stellung der Klausel innerhalb eines Bedingungswerks. Ausschlaggebend ist vielmehr ihr materieller Gehalt; es kommt darauf an, ob sie die individualisierende Beschreibung eines bestimmten Wagnisses enthält, für das der Versicherer keinen Versicherungsschutz gewähren will, oder ob sie in erster Linie ein bestimmtes Verhalten des Versicherungsnehmers fordert, von dem es abhängt, ob er einen zugesagten Versicherungsschutz behält oder verliert (stRspr, vgl. nur Senat, NJW-RR 2011,1110 = VersR 2011, 1048, Rn 29; NJW-RR 2008, 1411= VersR 2008, 1107, Rn. 9 und NJW-RR 2006, 394 = VersR 2006, 215 Rn.21 mwN)."
Rz. 4
Eine Obliegenheit und kein Risikoausschluss liegt vor, wenn vom Versicherungsnehmer bzw. Versicherten ein vorbeugendes und gefahrminderndes Verhalten verlangt wird, von dem es abhängt, ob er die zugesagte Deckung behält oder verliert. So könnte man den Ausschluss des Versicherungsschutzes wegen vorsätzlicher oder wissentlicher Pflichtverletzung auch so verstehen, dass der Versicherte die Obliegenheit hat sich nicht vorsätzlich zu verhalten, damit er sich den Versicherungsschutz erhält. Allerdi...