Rz. 23
Die versicherten Organpersonen sind selbst nicht Vertragspartner, sie treffen daher keine Vertragspflichten, es sei denn sie haben sich zur Übernahme derselben verpflichtet. Es wäre rechtlich zulässig, dass mit jeder Organperson Vereinbarungen getroffen werden, z.B. dass diese die Direktansprüche aus dem Versicherungsvertrag erhalten und im Gegenzug aber bestimmte Vertragspflichten übernehmen muss, z.B. Auskunftspflichten, die Pflicht zur Anzeige einer anderweitigen Versicherung oder vor allem die Pflicht, den Schaden möglichst gering zu halten. Im Versicherungsvertrag wird indes mit Obliegenheiten gearbeitet, wie der Aufklärungsobliegenheit, der Anzeigeobliegenheit bei Eintritt des Versicherungsfalls oder einer Gefahrerhöhung. Es ist zulässig, den Versicherten Obliegenheiten ohne deren Zustimmung aufzuerlegen, das heißt, sie kommen dann nur mit der Erfüllung der entsprechend vereinbarten Obliegenheiten in den Genuss des Versicherungsschutzes. So könnte den Versicherten auferlegt werden, Gefahrerhöhungen oder den Eintritt von Versicherungsfällen selbst anzuzeigen. Auch könnte eine Aufklärungs-, Anzeige- oder Schadensminderungsobliegenheit verankert werden. Grundsätzlich könnte erwogen werden, die Rechtsfolgen auf das von der Obliegenheitsverletzung betroffene versicherten Interesse zu beschränken, wobei nur das Verhalten bzw. Wissen des jeweiligen Versicherten zu berücksichtigen sein könnte. Dies entspricht gut vertretbar der aktuellen Rechtslage. So schadet sich der Versicherte bei einer Obliegenheitsverletzung grundsätzlich nur selbst hinsichtlich seines eigenen versicherten Interesses. Dies gilt auch für subjektive Risikoausschlüsse, wie die vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls nach § 103 VVG (siehe dazu die Ausführungen unter A-7 AVB D&O V3). Soweit also ein Versicherter den Schaden vorsätzlich herbeigeführt hat, zerstört er nur seinen eigenen Versicherungsschutz. Gleiches gilt für eine wissentliche Pflichtverletzung. Der Mitgeschäftsführer, der nur fahrlässig seine Überwachungspflicht verletzt hat, behält seinen Versicherungsschutz.
Rz. 24
Dies ist auch geboten, da eine Auslegung des D&O-Versicherungsvertrags – wie unter II ausgeführt - ergibt, dass grundsätzlich Obliegenheitsverletzungen des Versicherungsnehmers nicht – zumindest nicht rückwirkend und mit sofortiger Wirkung - zu einem Verlust des Versicherungsschutzes beim Versicherten führen dürfen, der so ohne seine Kenntnis und Mitwirkung den Versicherungsschutz einbüßen könnte. Grundsätzlich entspricht es der Interessenlage, aber auch der Erwartungshaltung, dass die Versicherten ihren Versicherungsschutz einbüßen bzw. mit einer Kürzung rechnen müssen, wenn sie selbst gegen die für sie geltenden Obliegenheiten mindestens grob fahrlässig verstoßen, also z.B. die erbetenden Auskünfte nicht erteilen, den Versicherungsfall nicht anzeigen, den Schaden nicht geringhalten oder selbst eine Gefahrerhöhung vornehmen, also gegen die gesetzliche Gefahrstandspflicht bzw. gegen das Verbot der Gefahrerhöhung verstoßen. Gleiches gilt bei der Verwirklichung subjektiver Risikoausschlüsse. Dagegen dürfen die Versicherten darauf vertrauen, dass sowohl die Versicherungsnehmerin als auch andere Versicherte nicht durch ihr Wissen oder Verhalten ihren Versicherungsschutz einschränken oder zerstören können.
Rz. 25
Man stelle sich vor, der Versicherer könnte gegenüber dem Geschäftsführer einwenden, der selbst umfassend kooperiert und alle Auskünfte erteilt, man könne diesem gleichwohl keinen Versicherungsschutz gewähren, weil die GmbH Unterlagen zur Beurteilung der Haftung, die nur sie habe, nicht herausgebe. Eine Auslegung des D&O-Deckungskonzept wie es in der Praxis vertrieben wird, ergibt daher, dass Obliegenheiten der Versicherungsnehmerin nicht zu Lasten der Versicherten zur Anwendung kommen. Nicht darunter fällt die Leistungsfreiheit wegen Prämienzahlungsverzugs, weil es hier nicht um eine Zurechnung von Wissen oder Verhalten bezüglich des Riskos, sondern um die Hauptleistungspflicht der Versicherungsnehmerin geht. Aber auch auf diese Leistungsfreiheit kann sich der Versicherer nur berufen, wenn er den Versicherten von dem Prämienzahlungsverzug informiert hat (siehe Kommentierung zu B1-3.3 AVB D&O). Zu der Auswirkung der Arglistanfechtung bzw. der Verletzung der vorvertraglichen Anzeigeobliegenheit, siehe die Ausführungen bei B3-1.
Rz. 26
Der Versicherer darf sich auch nach Treu und Glauben nicht zu Lasten eines Versicherten auf ein Verhalten bzw. Wissen oder subjektive Risikoausschlüsse berufen, die die Versicherungsnehmerin oder einen anderen Versicherten betreffen. Zwar ließe sich einwenden, die Gesellschaft verstoße gegen ihre Pflichten, aus dem Organverhältnis, bzw. aus dem Anstellungsverhältnis oder einer vereinbarten D&O-Verschaffungsklausel, wenn sie ein Verhalten vornimmt, das zu Einbußen beim Versicherungsschutz führt. Doch ist dies kein gleichwertiger Schutz. Dieser hilft bei der Außenhaftung erst nach Freistellung durch die Gesell...