Rz. 17
Teils finden sich in den AVB-Klauseln nach den der Versicherungsfall erst dann eintritt, wenn der geltend gemachte Anspruch gerichtlich geltend gemacht wird. Vorher besteht gar kein Versicherungsfall. Offenbar soll damit der Gefahr der freundlichen Inanspruchnahme begegnet werden. Die Gefahr, dass gerade bei der Innenhaftung der Sachverhalt manipuliert oder aufgebauscht wird, um eine vertragswidrige Freistellung durch den D&O-Versicherer zu erwirken, ist bei außergerichtlichem Vorgehen wesentlich wahrscheinlicher als im einem ggf. jahrelangem über zwei Instanzen geführten Prozess.
Rz. 18
Beispiel für eine Prozessklausel
"Versicherungsschutz für Schadenersatzansprüche der Versicherungsnehmerin gegen versicherte Personen besteht unter der Voraussetzung, dass diese von der Hauptversammlung oder der Gesellschafterversammlung initiiert und auch gerichtlich geltend gemacht werden, es sei denn, der Versicherer verzichtet auf die Voraussetzung der gerichtlichen Geltendmachung. Für darüber hinausgehende Schadensersatzansprüche der Versicherungsnehmerin oder einer Tochtergesellschaft gegen versicherte Personen, die nicht unter Ziffer 1.3 Satz 1 gedeckt sind, besteht Abwehrkostenschutz im Sinne der Ziffer 4.1."
Die Klausel macht den Versicherungsschutz für Ansprüche aus der Innenhaftung davon abhängig, dass die Ansprüche gegen die Organperson gerichtlich geltend gemacht werden, sofern der Versicherer hierauf nicht verzichtet.
Rz. 19
Diese Klausel zwingt die Versicherungsnehmerin, ihren Geschäftsführer gerichtlich in Anspruch zu nehmen. Damit wird das Verfahren öffentlich gemacht, wodurch das Ansehen der Organperson aber auch der GmbH beschädigt werden kann. Es bestehen daher Bedenken gegen die Wirksamkeit dieser Klausel unter dem Gesichtspunkt der unangemessenen Benachteiligung gem. § 307 BGB. Für eine unangemessene Benachteiligung spricht auch, dass es der Versicherungsnehmerin unnötig erschwert wird, ihren Anspruch durchzusetzen, denn die Prozessführungsklausel stellt nicht darauf ab, ob der Schadensersatzanspruch eindeutig begründet ist oder nicht. Es ist auch volkswirtschaftlich sehr zweifelhaft, wenn eine Versicherungsnehmerin gezwungen wird, einen möglicherweise unbestrittenen und eindeutigen Anspruch einzuklagen, nur weil in den Bedingungen dies als Voraussetzung verankert ist, um Versicherungsleistungen zu erhalten. Die Klausel in dieser Fassung dürfte daher unwirksam sein. Wirksam wäre eine Vereinbarung, die eine Schiedsklausel vorsieht, sodass im Rahmen eines Schiedsverfahrens, das heißt unter Ausschluss der Öffentlichkeit die Haftungsfrage geklärt wird, wobei aber als weitere Wirksamkeitsvoraussetzung zu fordern ist, dass hinreichende Anhaltspunkte für eine Manipulationsgefahr vorhanden sind. Sinn der Klausel ist es, zu verhindern, dass Haftungsfälle konstruiert werden, um Versicherungsschutz zu erreichen. Bestehen hierfür Anhaltspunkte, muss es dem Versicherer auch möglich sein, auf eine gerichtliche Klärung der Haftungsfrage zu bestehen, um etwa eine Beweisaufnahme mit der Klärung der relevanten Fakten zu erreichen. Im Schiedsverfahren ist aber gerade keine Beweisaufnahme durchsetzbar. Da es indes kein Haftungsurteil gibt, läge auch keine Bindungswirkung eines Haftpflichturteils vor. Dem Versicherer steht es frei, seine Deckungspflicht zu bestreiten. Der Versicherte müsste Deckungsklage erheben. Zuvor müsste der Geschädigte ein Anerkenntnis abgegeben haben. Da es insoweit nur auf die materielle Rechtslage ankommt, wäre im Deckungsprozess implizit zu prüfen, ob der Haftungsanspruch tatsächlich besteht. Dann wäre dieser also ohnehin Gegenstand eines Rechtsstreits, so dass es letztlich nicht darauf ankäme, ob die Prozessklausel wirksam ist. Schließlich verbietet es eine unwirksame Prozessklausel dem Versicherer nicht, sich im Rahmen seines Regulierungsermessen für die Abwehrdeckung zu entscheiden.