Rz. 32
Da die Gesellschaft selbst nicht zu den versicherten Personen gehört, könnten – nach Regulierung des Schadens bei einem Dritten - Rückgriffansprüche des Organs oder Ansprüche des Dritten gegen die GmbH, die ggf. neben dem Organ gesamtschuldnerisch haftet – gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG auf den Versicherer übergehen. Dieses Ergebnis überrascht, zumal die GmbH, die die Prämien für den D&O-Vertrag aufwendet nicht damit rechnen wird, dass sie selbst für den Schaden, den der Geschäftsführer verursacht hat durch einen Rückgriff des Versicherers aufkommen soll. Sollte dieses Ergebnis zu treffen, ruft dies die Beratungspflicht des Versicherers gemäß § 6 Abs. 1 VVG oder wie in der unternehmerischen Praxis üblich des eingeschalteten Versicherungsmaklers oder auch des Agenten oder Assekuradeurs auf den Plan. Die Versicherungsnehmerin wird einen solchen Versicherungsvertrag nach entsprechender Aufklärung nur gegen Vereinbarung eines Regressverzichtes seitens des Versicherers gegen sich vereinbaren wollen.
Rz. 33
Im Wege ergänzender Auslegung des Versicherungsvertrags ist indes davon auszugehen, dass ein Rückgriff des Versicherers bei der Gesellschaft und Versicherungsnehmerin ausscheidet. Dies gilt auch wenn keine Eigenschadenklausel wie in A-3 AVB D&O vereinbart ist, jedenfalls aber dann, wenn eine solche besteht. Diese sog. Side B Deckung gewährt der Versicherungsnehmerin einen Direktanspruch gegen den Versicherer, wenn sie den Geschäftsführer von der Außenhaftung freigestellt hat.
Rz. 34
Häufig wird bei einer Außenhaftung auch die Gesellschaft neben dem Geschäftsführer bzw. Vorstand gesamtschuldnerisch gegenüber dem Dritten haften, so dass im Innenverhältnis ein Gesamtschuldnerausgleich bzw. Rückgriff, je nach den Regelungen im Innenverhältnis stattfinden könnte. Der D&O-Versicherer würde auf Seiten des Versicherten auch diesen gegen das Organ geltend gemachten Ausgleichsanspruch versichern. Im Innenverhältnis zur Gesellschaft würde das Organmitglied, das Organpflichten verletzt hat, im vollen Umfang den Schaden tragen müssen. Haftet ausnahmsweise der Geschäftsführer gegenüber der GmbH wegen einfacher Fahrlässigkeit nicht, weil er insoweit freigestellt ist, müsste im ersten Schritt der Versicherer ebenfalls nicht eintreten. Durch die Eigenschadenklausel in A-3 AVB D&O besteht jedoch auf Seiten der Gesellschaft Versicherungsschutz. Sofern vertraglich nicht wie bei den AVB D&O klargestellt ist, ob die Anwendbarkeit der Eigenschadenklausel voraussetzt, dass ein Rückgriff gegen die Versicherungsnehmerin ausgeschlossen sein muss, was voraussetzt, dass man diesen generell für statthaft hält, ist unklar, ob ein Rückgriff gegen die Versicherungsnehmerin erfolgen kann oder ob hier ggf. ein konkludenter Regressverzicht vorliegt. Denkbar wäre aber ein Rückgriff gegen nicht versicherte Personen, die entweder generell nicht versichert sind oder im konkreten Fall, z.B. weil sie vorsätzlich gehandelt haben keinen Versicherungsschutz genießen.
Rz. 35
Beispiel: "Die Abkantpresse"
Bei einer GmbH, die in der Metallverarbeitung tätig ist, verkauft ein Mitarbeiter eine Abkantpresse für 10.000 EUR. Der Mitarbeiter weiß hierbei, dass die Abkantpresse nicht mehr präzise arbeitet und sie eigentlich für 5.000 EUR repariert werden müsste. Dem Käufer werden die Mängel von dem Mitarbeiter jedoch arglistig verschwiegen. Der Käufer setzt die Abkantpresse ein, merkt aber schnell, dass die Werkstücke mangels richtiger Abmessungen unbrauchbar sind, was auf den verschwiegenen Mangel zurückzuführen ist. Dadurch entstehen beim Käufer zusätzliche Schäden. Im Ergebnis verklagt der Käufer den Mitarbeiter und die GmbH gesamtschuldnerisch auf Schadensersatz. Der Mitarbeiter haftet ggf. persönlich wegen Eingehungsbetrugs (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB). Die GmbH ist der Ansicht, der Geschäftsführer hätte den Mitarbeiter besser überwachen müssen, schließlich habe er von den Mängeln der Maschine gewusst, er hätte den Mitarbeiter ausdrücklich befragen müssen, ob dieser den Käufer darüber aufgeklärt hat. Dem Geschäftsführer hätte klar sein müssen, dass der Verkauf für den Preis von 10.000 EUR nur bedeuten konnte, dass der Käufer nicht aufgeklärt wurde. Reguliert der D&O-Versicherer den Anspruch der GmbH gegenüber ihrem Geschäftsführer aus § 43 Abs. 1 und 2 GmbHG, käme ggf. ein Rückgriff gegenüber dem Arbeitnehmer in Betracht, der gegenüber der GmbH wegen vorsätzlicher Verletzung seiner Pflichten aus dem Arbeitsvertrag gemäß § 280 BGB haftet.