Rz. 10

Die Musterbedingungen verlangen ferner die Anzeige der einzelnen hinzu gekommenen Tochtergesellschaft und legen fest, dass der Versicherungsschutz ab dem Zeitpunkt beginnt, ab dem der Erwerb oder die Gründung dem Versicherer angezeigt wird, sofern der Versicherer der Mitversicherung schriftlich zugestimmt hat. Ob es sich um eine Anzeigeobliegenheit oder eine vertragliche Pflicht handelt, spielt keine Rolle, denn die AVB D&O legen fest, dass eine Erweiterung des Versicherungsvertrags erst durch das Einverständnis des Versicherers eintritt. Einen Anspruch auf Zustimmung hat die Versicherungsnehmerin grundsätzlich nicht. Nach der eindeutigen Vereinbarung beginnt der Versicherungsschutz für die Organmitglieder der hinzugekommenen neuen Gesellschaft erst dann, wenn der Versicherer zugestimmt hat. Dann aber besteht Versicherungsschutz für alle Pflichtverletzungen bereits ab dem Zeitpunkt, ab dem die Anzeige der Versicherungsnehmerin dem Versicherer zugegangen ist, so der Wortlaut der AVB D&O, also nicht bereits für alle Pflichtverletzungen, die begangen wurden, seitdem die Tochtergesellschaft eine solche im Sinne der Bedingungen gewesen ist. Eine Rückwärtsversicherung – die sich auch auf Pflichtverletzungen vor der Begründung der Eigenschaft als Tochtergesellschaft erstrecken soll - müsste gesondert vereinbart werden,[1] denn die Regelung in A-5 Nr. 2 AVB D&O gilt nur für Pflichtverletzungen in Gesellschaften, die zum Zeitpunkt der Pflichtverletzung bereits eine Tochtergesellschaft gewesen sind, was ja bei dem Neuzugang gerade nicht der Fall ist.

 

Rz. 11

Sofern Organe eine Doppelfunktion haben, etwa beispielsweise sowohl Vorstand der Mutter- als auch Geschäftsleiter oder Aufsichtsrat einer Tochtergesellschaft sind, stellt sich das Problem, was gilt, wenn in der betreffenden Tochtergesellschaft, etwa aufgrund der fehlenden Anzeige, kein Versicherungsschutz besteht. Auch sind unabhängig von der fehlenden Anzeige Fälle der Personalunion denkbar, in denen die abhängige Gesellschaft nicht als Tochtergesellschaft gilt, weil die Muttergesellschaft beispielsweise nicht die Mehrheit der Stimmrechte hat und auch ein sonstiger Tatbestand, bei denen eine Tochtergesellschaft bejaht wird, nicht vorliegt. Fügt z.B. der Vorstand, der gleichzeitig Geschäftsleiter der Tochtergesellschaft ist, nunmehr der Tochtergesellschaft einen Schaden zu, bestünde kein Versicherungsschutz, da die Organtätigkeit in der anderen Gesellschaft mangels Vorleigens einer Tochtergesellschaft nicht versichert ist. Entsteht gleichzeitig ein Schaden bei der Muttergesellschaft, etwa weil die Beteiligung in der Bilanz der Muttergesellschaft abgeschrieben werden müsste, stellt sich die Frage, ob die Muttergesellschaft einen eigenen Schadensersatzanspruch gegen ihr Organmitglied hat, weil dieses ja gleichzeitig auch eine Organfunktion bei der Muttergesellschaft ausübt. Sofern der Vorstand auch seine Organpflichten bei der Muttergesellschaft verletzt hat, lässt sich dies ggf. bejahen. Ist bspw. der Vorstand in der Muttergesellschaft für den Vertrieb zuständig und ist er gleichzeitig Geschäftsführer einer Vertriebstochtergesellschaft, können Schäden bei der Tochtergesellschaft, z.B. durch das Verjähren lassen von Forderungen zu einem Schaden bei der Mutter führen, wobei aufgrund der Organtätigkeit bei der Mutter dort ein eigener Schadensersatzanspruch bestünde, weil der Vertriebsvorstand der Muttergesellschaft seine Konzerngeschäftsführung nicht ordnungsgemäß wahrgenommen hat. Wird dafür Versicherungsschutz vom D&O-Versicherer gewährt, könnte dieser ggf. der anspruchstellenden Gesellschaft oder dem Anspruch des Vorstands dessen Schadensersatzverpflichtung bei der anderen Gesellschaft entgegenhalten. Allerdings dürfe es an einem Schadenersatzanspruch fehlen, der auf den Versicherer übergeht. Der Anspruch der anderen Gesellschaft gegen das Organmitglied kann nicht gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG übergehen, da die Gesellschaft weder Versicherungsnehmerin noch Versicherte ist und ein Anspruch des Vorstands gegen sich selbst besteht rechtlich nicht. Bei dem vorgenannten Beispiel ist beiden Gesellschaften ein Schaden entstanden. Versicherungsschutz bestünde für den Schaden bei der Versicherungsnehmerin, nicht für jenen Schaden bei der nicht eingeschlossenen anderen Gesellschaft.

 

Rz. 12

Denkbar sind auch Konstellationen mit Personalunion, in denen einer Gesellschaft ein Schaden entsteht und der anderen spiegelbildlich daraus ein Vorteil erwächst. So wenn die Obergesellschaft Waren über den Verkehrswert an die Gesellschaft liefert an der sie beteiligt ist oder Umkehr bei dieser günstiger einkauft. Sofern sich das Organ bei der Gesellschaft; die benachteiligt wurde, schadensersatzpflichtig gemacht hat, bestünde dort mangels Vorliegens einer Tochtergesellschaft kein Versicherungsschutz. Teils in den Bedingungen ausgeschlossen sind zudem Schäden bei einer Konzerngesellschaft, die zu einem Vorteil bei einer anderen Konzerngesellschaft führen (so auch in A-7.11 AVB D&O). Di...

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