Rz. 65
Die Serienschadenklausel in A-6.6 AVB D&O versucht die Leistungspflicht des Versicherers zu begrenzen. Es handelt sich um eine Risikobegrenzungsklausel. Die Jahreshöchstleistung bzw. die Versicherungssumme können nicht verhindern, dass jedes Jahr eine Ausschöpfung stattfinden kann. Die Serienschadenklausel führt in der Rechtsfolge dazu, dass die Ansprüche zu einem Versicherungsfall zusammengefasst werden, für den dann die Versicherungssumme bzw. die Jahreshöchstleistung als Begrenzung gilt. Es wird im Gegenzug aber auch nur einmal die Selbstbeteiligung in Abzug gebracht. Dieser "zusammengefasste" Versicherungsfall gilt unabhängig von dem tatsächlichen Zeitpunkt der Geltendmachung der einzelnen Haftpflichtansprüche als in dem Zeitpunkt eingetreten, in dem der erste Haftpflichtanspruch geltend gemacht wurde. In den AVB der Unternehmen sind zahlreiche Varianten von Serienschadenklauseln enthalten, die jeweils eingehend auf ihre Wirksamkeit geprüft werden müssen. Gestritten wird, ob eine Serienschadenklausel weit auszulegen ist. So meint das OLG Düsseldorf, dass die Klausel den Schutz des Versicherers bezwecke und sein Risiko begrenzen solle, weshalb eine Auslegung, die zu einer Ausweitung der Haftung führe, nicht vereinbar sei. Das Gegenteil ist richtig. Die Klausel schränkt den Versicherungsschutz durch die Beschränkung auf insgesamt eine Versicherungssumme ein. Ohne diese Klausel wäre der Versicherungsschutz, der sich auf mehrere Versicherungsfälle in verschiedenen Versicherungsperioden erstreckte, weitergehend. Deshalb ist die Serienschadenklausel als risikobegrenzende Klausel eng auszulegen. Grundsätzlich besteht ein berechtigtes Interesse des Versicherers daran eine Serienschadenklausel zu vereinbaren, doch muss diese transparent und inhaltlich wirksam erfolgen und diese Aufgabe scheint kaum lösbar zu sein, da sich die Verwendung von unbestimmten Rechtsbegriffen, die sich uferlos auslegen lassen, kaum vermeiden lässt.
Rz. 66
Die Serienschadenklausel in den AVB D&O enthält zwei Varianten. Bei beiden Varianten greift nach dem Eingangssatz die Serienschadenklausel auch dann ein, wenn die Ansprüche über mehrere Versicherungsperioden verteilt geltend gemacht werden.
Rz. 67
Nach der ersten Variante (unter a) gelten als ein Versicherungsfall „mehrere während der Wirksamkeit des Versicherungsvertrages geltend gemachte Ansprüche eines oder mehrerer Anspruchsteller aufgrund einer Pflichtverletzung, welche durch eine oder mehrere versicherte Personen begangen wurden.”
Rz. 68
Da im Zentrum eine Pflichtverletzung steht, es also nicht um mehrere Pflichtverletzungen geht, kann diese Klausel nachvollzogen werden. Der Versicherte und der Geschädigte erwarten ebenfalls, dass eine Pflichtverletzung als ein Versicherungsfall behandelt werden. Die Variante a) ist dem Anspruchserhebungsprinzip, das heißt dem Claims-Made-Prinzip geschuldet. Der auf einer Pflichtverletzung beruhende Verstoß könnte mehrmals gegenüber einer oder mehreren versicherten Personen geltend gemacht werden, ggf. in unterschiedlicher Höhe oder unter Berufung auf unterschiedliche Anspruchsgrundlagen. Da jede Anspruchserhebung einen Versicherungsfall darstellt, könnte man argumentieren, dass trotz einer Pflichtverletzung gleichwohl mehrere Versicherungsfälle vorliegen. Auf diese Weise könnten der Versicherte oder der Anspruchsteller versuchen, den Haftungsanspruch auf mehrere Versicherungsperioden aufzuteilen, um die Versicherungssumme bzw. die Jahreshöchstleistung mehrmals auszuschöpfen. Die Variante a) schiebt dem einen Riegel vor. Eine Pflichtverletzung wird zu einem Versicherungsfall zusammengefasst. Die Variante a) ist damit ein starkes Argument, dass dem Verstoßprinzip eine tragende Rolle zukommt und die auf der Grundlage der AVB D&O praktizierte D&O-Versicherung eine Kombination von Verstoß- und Anspruchserhebungsprinzip darstellt (siehe dazu bereit oben die Ausführungen unter A-2 AVB D&O I). Die Variante a) ist AGB-rechtlich wirksam.
Rz. 69
Allerdings könnte es Fälle geben, in denen die Frage, ob eine oder mehrere Pflichtverletzungen vorliegen, konträr diskutiert werden. Eine Pflichtverletzung liegt z.B. vor, wenn die Insolvenzantragspflicht über mehrere Versicherungsperioden verletzt wird und permanent verbotene Auszahlungen erfolgen, die eine Haftung des Geschäftsleiters nach § 15b Abs. 4 Satz 1 InsO auslösen. Auch weitere Haftungsansprüche wie die Haftung wegen des Quotenschadens gegenüber Altgläubigern oder die Verpflichtung auf Ersatz der Schäden gegenüber Neugläubigern jeweils aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a InsO wären erfasst. Betrachtet man den Schaden, dürfte eine Pflichtverletzung auch dann vorliegen, wenn mehrere Handlungen kumulativ den Schaden verursacht haben, dies ggf. auch durch Beiträge verschiedener Versicherter. Wertungsmäßig im Sinne der Serienschadenklausel hat eine Pflichtverletzung den Schaden verursacht. Sonst lägen bei einem arbeitsteiligen Vorgehen, aber auch bei einem Zusammentreffen von einem Ausführ...