1. Überblick
Rz. 118
Vom Versicherungsschutz gemäß Abschnitt A-7.8 AVB D&O ausgeschlossen sind Haftpflichtansprüche, die sich daraus ergeben oder damit im Zusammenhang stehen, dass Versicherungsleistungen oder Versicherungen nicht oder nur unzureichend wahrgenommen, abgeschlossen oder fortgeführt werden. Dieser Ausschluss, der schlagwortartig als "unzureichender Versicherungsschutz" tituliert werden könnte, ist jedoch weitergehender. Die erste Fallgruppe umfasst dabei, die unterlassene bzw. unzureichende Wahrnehmung von Versicherungsleistungen. Die zweite Fallgruppe bildet die Nichtwahrnehmung oder der unzureichende Abschluss und Fortführung des Versicherungsschutzes. Zur Frage, ob es sich um eine verhüllte Obliegenheit handelt, siehe oben unter II. Wird ausreichender Versicherungsschutz versäumt und macht man dies dem Organmitglied zum Vorwurf, könnte die D&O-Police als "Superpolice" fungieren. Man bräuchte dann keine anderen Versicherungsprodukte mehr, die auf Vermögensschäden gerichtet sind. In der Praxis ist der Ausschluss nur noch selten anzutreffen. Zur Frage, ob bzw. wann bei einem unzureichenden Versicherungsschutz noch Vermögensschäden vorliegen, siehe oben unter A-1 AVB D&O VI. Der Geschäftsleiter muss im Rahmen seines unternehmerischen Ermessens grundsätzlich nach einer gründlichen Risikoanalyse ggf. unter Heranziehung externen Sachverstands entscheiden, welche Versicherungsverträge mit welcher Deckung beschafft bzw. aufrechterhalten werden sollten.
2. Erste Fallgruppe: Unterlassene bzw. unzureichende Wahrnehmung von Versicherungsleistungen
Rz. 119
Der Wortlaut lässt offen, ob Versicherungsleistungen aus privaten Versicherungsverträgen oder auch aus dem Sozialversicherungsrecht gemeint sind. Leistungen der Sozialversicherungsträger, die an Arbeitgeber ausgekehrt werden, z.B. auf Zahlung von Kurzarbeitergeld, dürften wohl nicht gemeint sein. Diese Leistungen würde man im Verhältnis zur Versicherungsnehmerin wohl nicht als Versicherungsleistung bezeichnen. Unklarheiten gehen zu Lasten des Verwenders (§ 305c Abs. 2 BGB).
Rz. 120
Erfasst werden daher Haftpflichtansprüche im Zusammenhang mit privatrechtlichen Versicherungsverträgen. Versicherungsleistungen, die geltend gemacht werden könnten, werden nicht beansprucht oder nicht im vollen Umfang beansprucht.
Beispiele: Der Geschäftsführer zeigt den Schadensfall, z.B. den Sturmschaden zu spät an, weshalb es zur Kürzung der Versicherungsleistung kommt. Der Geschäftsführer lässt einen Anspruch aus einer Feuerversicherung verjähren. Der Geschäftsführer versäumt die Wiederanschaffung des gestohlenen Werkzeuges innerhalb der in den Bedingungen vereinbarten Frist von drei Jahren, weshalb nur die Zeitwerte nicht jedoch die höheren Neuwerte entschädigt werden. Der Geschäftsführer vergisst nach einem Leitungswasserschaden, den auch mitversicherten Unterbrechungsschaden geltend zu machen.
3. Zweite Fallgruppe: Unterlassener oder der unzureichende Abschluss und Fortführung des Versicherungsschutzes
Rz. 121
Vergisst der Geschäftsführer den Abschluss einer gebotenen Versicherung bzw. einer gebotenen Gefahr oder versäumt er nach Beendigung eines Versicherungsvertrags Anschlussdeckung zu vereinbaren, läge eine Pflichtverletzung nach der zweiten Fallgruppe vor, wo dem Versicherten zum Vorwurf gemacht wird, er habe den ausreichenden Abschluss oder die Fortführung des Versicherungsschutzes unterlassen. Sofern auch eine Pflichtverletzung anderer Personen, wie eines Versicherungsmakler vorliegen, kommen auch gegen jene Ersatzansprüche in Betracht (siehe dazu die Ausführungen unter A-8 AVB D&O IV, V).
Rz. 122
Ein Defizit beim Versicherungsschutz muss nicht die einzige Ursache für den Schaden bilden. Dies zeigt sich schon daran, dass einfach fahrlässige vom Versicherungsnehmer und damit auch vom Geschäftsführer herbeigeführte Schäden in Versicherungsverträgen grundsätzlich mitversichert sind. Auch bei grober Fahrlässigkeit kann Versicherungsschutz bestehen. Entsteht z.B. bei Flexarbeiten in der Werkhalle ein Brand, weil Brandschutzvorkehrungen nicht getroffen wurden und wird dem Geschäftsführer vorgeworfen, er habe die Mitarbeiter nicht ausreichend instruiert und überwacht, liegt darin eine separate Pflichtverletzung. Besteht zusätzlich keine Feuerversicherung, läge darin eine weitere Pflichtverletzung. In diesem Fall liegt eine nicht versicherte Pflichtverletzung wegen des Nichtabschlusses einer Feuerversicherung vor. Der Schaden beruht jedoch auch auf einem Überwachungs- und Instruktionsverschulden des Geschäftsführers. Soweit der Schaden auch darauf beruht, würde sich der Ausschluss "unzureichender Versicherungsschutz" nicht darauf auswirken.
Rz. 123
Beispiel: "Fehlende Anschlussversicherung"
Dem Geschäftsführer eines Handwerksunternehmens wird vorgeworfen, er habe es versäumt nach Kündigung der bisherigen Betriebshaftpflichtversicherung eine Anschlussversicherung abzuschließen. Der bisherige Haftpflichtversicherer hatte der GmbH wegen der hohen Schadenquote ordentlich gekündigt. Nun tritt ein Leitungswasserschaden auf, weil bei dem Einbau eines Bades in einem Hotel eine Pressverbindung...