Das Wichtigste in Kürze:

1. Die in § 313 geregelte Annahmeberufung führt zu einer Beschränkung der sonst allgemein gegebenen Möglichkeit, gegen Urteile des AG Berufung einzulegen, indem die Zulässigkeit der Berufung von der Strafhöhe abhängig gemacht wird.
2. Nach § 313 Abs. 1 S. 1 bedarf es einer Annahmeentscheidung des Berufungsgerichts, wenn der Angeklagte zu einer Geldstrafe von nicht mehr als 15 Tagessätzen verurteilt worden ist bzw. wenn bei einer Verwarnung die vorbehaltene Strafe nicht mehr als 15 Tagessätze beträgt.
3. Die Berufung wird nach § 313 Abs. 2 angenommen, wenn sie nicht offensichtlich unbegründet ist.
 

Rdn 651

 

Literaturhinweise:

Brunner, Verteidigung im Rechtsmittelverfahren, in: FA Strafrecht, Teil 3 Kapitel 9

Feuerhelm, Die Annahmeberufung im Strafprozeß, Dogmatische Probleme und rechtspolitische Perspektiven, StV 1997, 99

Frister, Die Einschränkung von Verteidigungsrechten im Bundesratsentwurf eines "Zweiten Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege", StV 2000, 150

Gössel, Möglichkeiten zur Entlastung der Berufungskammern – Zugleich eine Kritik der Annahmeberufung, ZIS 2009, 539

Meyer-Goßner, Annahmeberufung und Sprungrevision, NStZ 1998, 19

ders., Theorie ohne Praxis und Praxis ohne Theorie im Strafverfahren, ZRP 2000, 345

ders., Annahmefreie Revision in Bagatellstrafsachen, NJW 2003, 1369

Rieß, Die Annahmeberufung – Ein legislatorischer Mißgriff?, in: Festschrift für Günther Kaiser, 1998, S. 1461

Tolksdorf, Zur Annahmeberufung nach § 313 StPO, in: Festschrift für Hanskarl Salger, 1995, S. 393

s.a. die Hinw. bei → Berufung, Allgemeines, Teil B Rdn 640.

 

Rdn 652

1. Die in § 313 geregelte Annahmeberufung führt zu einer Beschränkung der sonst allgemein gegebenen Möglichkeit, gegen Urteile des AG Berufung einzulegen, indem die Zulässigkeit der Berufung von der Strafhöhe abhängig gemacht wird. Insbesondere deshalb ist die die Regelung in der Lit. auf Kritik gestoßen (vgl. die o.a. Lit.-Hinw., insbesondere Gössel ZIS 2009, 539). Rieß (a.a.O., S. 1461) hat (sogar) von einem "gesetzgeberischen Missgriff" gesprochen (zur Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift OLG Frankfurt am Main NStZ-RR 1997, 273; wegen der Einzelh. der Annahmeberufung Burhoff/Kotz/Kotz, RM, Teil A Rn 20 ff.).

 

Rdn 653

2.a) Nach § 313 Abs. 1 S. 1 bedarf es einer Annahmeentscheidung des Berufungsgerichts, wenn der Angeklagte zu einer Geldstrafe von nicht mehr als 15 Tagessätzen verurteilt worden ist bzw. wenn bei einer Verwarnung die vorbehaltene Strafe nicht mehr als 15 Tagessätze beträgt; geplant ist eine Anhebung auf 60 Tagessätze. Das Gleiche gilt nach § 313 Abs. 1 S. 2 für Freisprüche oder Einstellungen, wenn die StA eine Geldstrafe von nicht mehr als 30 (geplant 60) Tagessätzen beantragt hatte. Beim Absehen von Strafe nach § 60 StGB gilt § 313 nicht (OLG Oldenburg NStZ 1998, 370 [Ls.]; a.A. LG Bad Kreuznach NStZ-RR 2002, 217 [für Absehen nach 158 StGB]; LG Hamburg StraFo 2007, 421 [für Absehen von Strafe nach § 29 Abs. 5 BtMG]; zu den Voraussetzungen a. Burhoff/Kotz/Kotz, RM, Teil A Rn 46 ff.).

 

Rdn 654

Bei einer Gesamtgeldstrafe kommt es auf deren Höhe, nicht auf die Summe der Einzelgeldstrafen an (Meyer-Goßner/Schmitt, § 313 Rn 5). In einem Bewährungsbeschluss auferlegte Geldstrafen bleiben außer Betracht (OLG Hamm NStZ-RR 2006, 346).

 

Rdn 655

Umstritten ist in Lit. und Rspr., wie zu verfahren ist, wenn die StA selbst Freispruch beantragt hat, nun aber gleichwohl Berufung einlegen will. Dazu gilt (vgl. a. Meyer-Goßner/Schmitt, § 313 Rn 4a f. m.w.N.):

Hat zuvor ein Strafbefehlsantrag der StA vorgelegen, ist dieser Antrag maßgebend für die Frage, ob die Berufung der Annahme bedarf (OLG Dresden NStZ 2011, 477; OLG Hamm NStZ 1996, 455; OLG Koblenz NStZ-RR 2000, 306; OLG Schleswig SchlHA 2000, 256; a.A. OLG Stuttgart NStZ-RR 2001, 84).
In den anderen Fällen geht die h.M. in der Rspr. davon aus, dass § 313 unanwendbar ist und damit die Berufung keiner Annahme bedarf (OLG Brandenburg, Beschl. v. 10.4.2013 – 1 Ws 56/13; OLG Jena StraFo 2000, 92; OLG Koblenz NStZ 1994, 601; OLG Köln NStZ 1996, 150; OLG Stuttgart NStZ-RR 2001, 84 [Berufung des Nebenklägers]; s.a. Feuerhelm StV 1997, 101; Tolksdorf, S. 401; Burhoff/Kotz/Kotz, RM, Teil A Rn 63).
In der Lit. wird gegenüber der h.M. – wohl zutreffend – eingewandt, dass das der Intention des Gesetzgebers widerspreche (Meyer-Goßner/Schmitt, § 313 Rn 4b). Maßgebend soll danach die Erklärung der StA in der Berufungsbegründung sein (Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O. m.w.N.; Hohmann/Radke/Beukelmann, § 313 Rn 4a).
 

Rdn 656

b) Ist gegen den Angeklagten eine Maßregel der Besserung und Sicherung (§ 61 StGB), eine Nebenstrafe (z.B. das Fahrverbot nach § 44 StGB) oder eine sonstige Maßnahme (§§ 73 ff. StGB) verhängt bzw. von der StA beantragt worden, ist die Berufung stets ohne Annahme zulässig (OLG Hamburg StV 2001, 333). Ist gleichzeitig eine Verurteilung im → Adhäsionsverfahren, Teil A Rdn 354, erfolgt, kommt es für das Erfordernis der Annahme darauf an, ob für den zivilrechtlichen Teil des Urteils die Beru...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?