Das Wichtigste in Kürze:

1. Es ist zulässig, einen Beweisantrag unter einer Bedingung zu stellen.
2. In einem bedingten Beweisantrag macht der Antragsteller sein Beweisbegehren von einer für ihn noch ungewissen Sach- und Rechtslage abhängig.
3. Der bedingte Beweisantrag führt in der Praxis ein Schattendasein, was angesichts des Umstandes, dass er für den Verteidiger ein wichtiges Instrument bei seinen Bemühungen darstellt, ggf. möglichst frühzeitig die gerichtliche Beweiswürdigung zu erkennen, unverständlich ist.
4. Fraglich ist, wann das Gericht die Gründe für die Ablehnung bekannt geben muss.
 

Rdn 1077

 

Literaturhinweise:

Brause, Faires Verfahren und Effektivität im Strafprozeß, NJW 1992, 2865

R. Hamm, Wert und Möglichkeiten der Früherkennung richterlicher Beweiswürdigung durch den Strafverteidiger, in: Festgabe für Karl Peters, 1984, S. 169

Michalke, Noch einmal: "Hilfsbeweisantrag – Eventualbeweisantrag – Bedingter Beweisantrag", StV 1990, 184

Nie­möller, Bedingte Beweisanträge im Strafverfahren, JZ 1992, 884

Schlothauer, Hilfsbeweisantrag – Eventualbeweisantrag – bedingter Beweisantrag, StV 1988, 542

Widmaier, Der Hilfsbeweisantrag mit "Bescheidungsklausel", in: Festschrift für Hanskarl Salger, 1995, S. 421

s.a. die Hinw. bei → Beweisantragsrecht, Allgemeines, Teil B Rdn 1184.

 

Rdn 1078

1. Es ist zulässig, einen Beweisantrag unter einer Bedingung zu stellen (s. die Definition in § 244 Abs. 3 S. 1 und bei → Beweisantrag/Allgemeines, Teil B Rdn 1061 m.w.N.). Auch ein bedingter Beweisantrag ist somit ein Beweisantrag i.e.S., für den die allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen gelten. Daher müssen Beweismittel und Beweisthema bestimmt behauptet werden (→ Beweisantrag, Inhalt, Teil B Rdn 1158; zum "vorsorglich" gestellten Beweisantrag in der Revision BGH, Beschl. v. 17.3.2021 – 4 StR 540/20, NStZ 2021, 382).

 

Rdn 1079

Das Gericht ist beim bedingten Beweisantrag an die Zurückweisungsgründe der §§ 244, 245 gebunden. Es kann den Beweisantrag also nicht aus einem anderen als den dort aufgeführten Ablehnungsgründen ablehnen (Junker, Rn 277; → Beweisantrag, Ablehnungsgründe, Teil B Rdn 1015; → Präsentes Beweismittel, Teil P Rdn 2468).

 

Rdn 1080

2.a) Der bedingte Beweisantrag unterscheidet sich vom unbedingten Beweisantrag dadurch, dass der Antragsteller sein Beweisbegehren von einer für ihn noch ungewissen Sach- und Rechtslage abhängig macht (Meyer-Goßner/Schmitt, § 244 Rn 22 m.w.N.; Schlothauer StV 1988, 548; Hamm/Pauly, Rn 88 ff.; KK-Krehl, § 244 Rn 88 ff.; Junker, Rn 106). Die Bedingung, von der die Beweiserhebung abhängig sein soll, kann beliebig gewählt werden, d.h.:

 

Rdn 1081

 

Bedingung kann sein (s.a. Junker, Rn 108), dass

das Gericht von einer bestimmten Beweislage ausgeht, z.B. einem bereits vernommenen Zeugen Glauben schenkt (zuletzt BGH StV 1995, 98 m.w.N.; OLG Zweibrücken StV 1995, 347 f.) oder einem Antrag der StA auf Vernehmung eines Belastungszeugen nachgeht (BGHSt 29, 396),
das Gericht einen anderen unbedingten Antrag ablehnt, wenn also z.B. in erster Linie Sachverständigenbeweis, hilfsweise“ Zeugenbeweis beantragt wird (Alsberg/Dallmeyer, Rn 166),
eine bestimmte Prozesslage eintritt, z.B. dass das Gericht die Zuziehung eines (weiteren) SV nicht für erforderlich hält oder die Vereidigung eines Zeugen beschließen wird (KK-Krehl, § 244 Rn 91),
das Gericht die Einlassung des Angeklagten als unwahr ansieht (Beck-Michalke, S. 535),
das Gericht volle oder (nur) verminderte Schuldfähigkeit des Angeklagten bejaht (BGH NJW 1988, 501; StV 1996, 529 f.),
für das Gericht ein bestimmter Umstand von Bedeutung, offenkundig, unerheblich oder noch nicht erwiesen ist.
 

☆ Unzulässig sind (Hilfs)Beweisanträge, die sich nach der zu beweisenden Behauptung gegen den Schuldspruch richten, aber nur für den Fall einer bestimmten Rechtsfolgenentscheidung als gestellt gelten sollen (BGHSt 40, 287; BGH NStZ-RR 2017, 182).Rechtsfolgenentscheidung als gestellt gelten sollen (BGHSt 40, 287; BGH NStZ-RR 2017, 182).

 

Rdn 1082

b) Vom → Hilfsbeweisantrag, Teil H Rdn 2087, unterscheidet sich der bedingte Beweisantrag dadurch, dass jener von einem unbedingten verfahrensabschließenden Hauptantrag abhängig gemacht und i.d.R. erst im → Plädoyer des Verteidigers, Teil P Rdn 2447, gestellt wird (Meyer-Goßner/Schmitt, § 244 Rn 22a m.w.N.; zur Terminologie Widmaier, S. 421 f.; Junker, Rn 106 ff.; Hamm/Pauly, Rn 74 ff.). Beim Eventualbeweisantrag handelt es sich um einen bedingten Beweisantrag, der im Schlussvortrag des Verteidigers als → Hilfsbeweisantrag, Teil H Rdn 2087, gestellt wird (BGH StV 1990, 149; s.a. Meyer-Goßner/Schmitt, § 244 Rn 22b m.w.N.; KK-Krehl, § 244 Rn 90).

 

Rdn 1083

3. Der bedingte Beweisantrag führt in der Praxis ein Schattendasein. Das ist angesichts des Umstandes, dass er für den Verteidiger ein wichtiges Instrument bei seinen Bemühungen darstellt, ggf. möglichst frühzeitig die gerichtliche Beweiswürdigung zu erkennen, unverständlich (Hamm/Pauly, Rn 84; Schlothauer StV 1988, 342, 348; Junker, Rn 109).

 

☆ Aus der Art und W...

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