Das Wichtigste in Kürze:

1. Nach § 73 Abs. 1 OWiG besteht für den Betroffenen ebenso wie für den Angeklagten nach der StPO in der HV des OWi-Verfahrens eine Anwesenheitspflicht.
2. Nach § 73 Abs. 2 OWiG wird der Betroffene vom Gericht aber auf seinen Antrag von dieser Verpflichtung entbunden, wenn er sich zur Sache geäußert hat oder erklärt, dass er sich in der HV nicht zur Sache äußern werde, und seine Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts nicht erforderlich ist.
3. Die Frage der Antragstellung muss der Verteidiger mit dem Mandanten, der möglicherweise von weither zur HV anreisen muss, sorgfältig erörtern.
4. Kann der Betroffene nicht an der HV teilnehmen, müssen die Entschuldigungsgründe unverzüglich dem Gericht vorgetragen werden.
 

Rdn 1576

 

Literaturhinweise:

S. die Hinw. bei → Bußgeldverfahren, Besonderheiten, Allgemeines, Teil B Rdn 1559.

 

Rdn 1577

1. Nach § 73 Abs. 1 OWiG besteht für den Betroffenen ebenso wie für den Angeklagten nach der StPO in der HV des OWi-Verfahrens eine Anwesenheitspflicht (zur Pflicht ausländischer "Verkehrssünder" zur Anwesenheit Mitsch ZIS 2011, 502).

 

Rdn 1578

2.a) Nach § 73 Abs. 2 OWiG wird der Betroffene vom Gericht aber auf seinen Antrag von dieser Verpflichtung entbunden, wenn er sich zur Sache geäußert hat oder erklärt, dass er sich in der HV nicht zur Sache äußern werde, und seine Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts nicht erforderlich ist (wegen der Einzelh. Burhoff, HV, Rn 1286 ff.; Burhoff/Niehaus, OWi, Rn 2556 ff.; eingehend auch Burhoff VRR 2007, 250; Krumm DAR 2008, 413, ders., zfs 2019, 132; Russel DAR 2019, 676; sowie die Rspr.-Übersicht von Krenberger zfs 2012, 424 ff.; ders., zfs 2013, 364; Fromm DAR 2013, 368).

 

☆ Nach § 74 Abs. 2 OWiG ist die Verwerfung des Einspruchs im Fall des Nichterscheinens des Betroffenen, der von der Pflicht zum Erscheinen in der HV nicht entbunden worden ist, grds. die zwingende Folge (wegen der Einzelh. Burhoff , HV, Rn 1304). Eine Vernehmung des Betroffenen durch den ersuchten Richter im Wege der Rechtshilfe ist nach der Neufassung der §§ 73, 74 OWiG nicht (mehr) zulässig (BGHSt 44, 345; BayObLG NJW 1999, 733; OLG Düsseldorf NStZ 1999, 194; a.A. allerdings OLG Celle NZV 1999, 97).Verwerfung des Einspruchs im Fall des Nichterscheinens des Betroffenen, der von der Pflicht zum Erscheinen in der HV nicht entbunden worden ist, grds. die zwingende Folge (wegen der Einzelh. Burhoff, HV, Rn 1304). Eine Vernehmung des Betroffenen durch den ersuchten Richter im Wege der Rechtshilfe ist nach der Neufassung der §§ 73, 74 OWiG nicht (mehr) zulässig (BGHSt 44, 345; BayObLG NJW 1999, 733; OLG Düsseldorf NStZ 1999, 194; a.A. allerdings OLG Celle NZV 1999, 97).

 

Rdn 1579

b) Entscheidend für die Frage, ob der Betroffene von seinem Erscheinen in der HV entbunden werden kann/muss, ist, ob von seiner Anwesenheit ein Aufklärungsbeitrag zu erwarten ist (auch die Rspr.-Nachw. bei Krenberger zfs 2012, 424, 426; ders., zfs 2013, 364 f.; Fromm DAR 2013, 368, 369 f.).

 

☆ Nach Sinn und Zweck gesetzlichen Regelung und auch der Formulierung in § 73 Abs. 2 – erforderlich ist – müssen konkrete Anhaltspunkte dafür sprechen, dass die Anwesenheit des Betroffenen zumindest Auswirkungen auf die Aufklärung des Sachverhalts hat (vgl. KG NStZ 2011, 584). Allein die theoretische Möglichkeit, dass der der Betroffene seinen Entschluss zum Schweigen überdenkt, reicht nicht (OLG Düsseldorf zfs 2008, 594; VRR 2013, 158 m. Anm. Burhoff ; VA 2016, 176; OLG Hamm DAR 2016, 595; OLG Köln NZV 2013, 50; OLG Naumburg zfs 2015, 534; OLG Stuttgart DAR 2004, 542; 2014, 100). Auch spekulative Erwägungen des AG rechtfertigen die Ablehnung des Antrags nicht (KG, Beschl. v. 1.4.2019 – 3 Ws (B) 103/19, NStZ 2020, 429)."erforderlich ist" – müssen konkrete Anhaltspunkte dafür sprechen, dass die Anwesenheit des Betroffenen zumindest Auswirkungen auf die Aufklärung des Sachverhalts hat (vgl. KG NStZ 2011, 584). Allein die theoretische Möglichkeit, dass der der Betroffene seinen Entschluss zum Schweigen überdenkt, reicht nicht (OLG Düsseldorf zfs 2008, 594; VRR 2013, 158 m. Anm. Burhoff; VA 2016, 176; OLG Hamm DAR 2016, 595; OLG Köln NZV 2013, 50; OLG Naumburg zfs 2015, 534; OLG Stuttgart DAR 2004, 542; 2014, 100). Auch spekulative Erwägungen des AG rechtfertigen die Ablehnung des Antrags nicht (KG, Beschl. v. 1.4.2019 – 3 Ws (B) 103/19, NStZ 2020, 429).

Hinzuweisen ist auf folgende Rspr.-Beispiele (vgl. a. noch Burhoff/Niehaus, OWi, Rn 2556 ff.; Russel DAR 2019, 675, 676):

 

Rdn 1580

 

Anwesenheit erforderlich,

wenn sich der Betroffene auf ein "Augenblicksversagen" beruft (OLG Jena zfs 2013, 174), auch wenn er erklärt, keine weiteren Angaben zur Sache machen zu wollen,
wenn die Identifizierung des Betroffenen in der HV anhand von Lichtbildern oder durch Zeugenaussagen erforderlich ist (BayObLG StraFo 1998, 315; ähnlich, aber zw., OLG Düsseldorf VRR 2012, 233 für einen Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO oder OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.7....

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