Das Wichtigste in Kürze:

1. Der Betroffene kann sich gem. § 137 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 46 OWiG einen (Wahl)Verteidiger als Beistand wählen.
2. Grds. kommt auch im Bußgeldverfahren die Bestellung eines Pflichtverteidigers in Betracht.
3. Nach § 60 Abs. 1 OWiG ist für die Bestellung die Verwaltungsbehörde zuständig.
 

Rdn 1591

 

Literaturhinweise:

S. die Hinw. bei → Bußgeldverfahren, Besonderheiten, Allgemeines, Teil B Rdn 1559.

 

Rdn 1592

1. Der Betroffene kann sich gem. § 137 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 46 OWiG einen (Wahl)Verteidiger als Beistand wählen. Insoweit gelten die allgemeinen Regeln (→ Verteidiger, Allgemeines, Teil V Rdn 4802, m.w.N.).

 

☆ Durch das Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung v. 10.12.2019 (BGBl I, S. 2128) ist mit Wirkung von 13.12.2020 das Recht der Pflichtverteidigung in den §§ 140 ff. umfassend geändert worden (dazu eingehend Hillenbrand ZAP f. 22, S. 983 ff.; ders ., StRR 2/2020, 4 und StRR 3/2020, 4). Diese Änderungen gelten über § 60 OWiG ggf. auch im Bußgeldverfahren."Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung v. 10.12.2019" (BGBl I, S. 2128) ist mit Wirkung von 13.12.2020 das Recht der Pflichtverteidigung in den §§ 140 ff. umfassend geändert worden (dazu eingehend Hillenbrand ZAP f. 22, S. 983 ff.; ders., StRR 2/2020, 4 und StRR 3/2020, 4). Diese Änderungen gelten über § 60 OWiG ggf. auch im Bußgeldverfahren.

Der Verteidiger muss die Rspr. zum alten Recht immer darauf prüfen, ob sie auch für die Neuregelungen gilt. Als Faustregel wird man aber davon ausgehen können, dass immer dann, wenn nach altem Recht ein Pflichtverteidiger bestellt worden ist, dies auch nach neuem Recht der Fall sein muss. denn die Neuregelung hat eine Ausweitung des rechtlichen Beistands zum Ziel gehabt.

 

Rdn 1593

2.a) Grds. kommt auch im Bußgeldverfahren die Bestellung eines Pflichtverteidigers in Betracht (eingehend Burhoff/Burhoff, OWi, Rn 2977 ff.; s.a. – zum alten Recht – Fromm NJW 2013, 2006; Krenberger zfs 2013, 69). Nach § 60 Abs. 1 OWiG wird für das Verfahren vor der Verwaltungsbehörde allerdings nur auf die Beiordnung in den Fällen der Generalklausel des § 140 Abs. 2 verwiesen (zur [verneinten] analogen Anwendung im Vollstreckungsverfahren OLG Hamm, Beschl. v. 6.2.2007 – 3 Ss OWi 52/07). Im gerichtlichen Verfahren ist § 140 hingegen grds. unbeschränkt anwendbar.

b) Für die Anwendung der Beiordnungsgründe gilt (s.a. → Pflichtverteidiger, Beiordnungsgründe, Teil P Rdn 3438 m.w.N.):

 

Rdn 1594

 

Inhaftierter Betroffener

Im gerichtlichen Bußgeldverfahren findet § 140 Abs. 1 Nr. 4 und 5 Anwendung (dazu → Pflichtverteidiger, Beiordnung nach § 140 Abs. 1, Teil P Rdn 3392 ff.; Burhoff/Burhoff, OWi, Rn 2983 f.). Der zeitliche Umfang der Inhaftierung u.a. spielt nach der Neuregelung keine Rolle mehr. Dem inhaftierten Betroffenen ist nun grds. ein Pflichtverteidiger zu bestellen (vgl. zum alten Recht OLG Köln StV 1998, 531 [Ls.]; OLG Saarbrücken NJW 2007, 309; LG Ellwangen StV 2012, 462 [Ls.]). Es ist aber auf § 143 Abs. 2 S. 2 u. 3 zu achten (→ Pflichtverteidiger, Entpflichtung/Verteidigerwechsel, Teil P Rdn 3507 ff.).
 

Rdn 1595

 

Schwere der Tat

Die Schwere der Tat (§ 140 Abs. 2) wird sich i.d.R. unter Berücksichtigung der eigenen Verteidigungsfähigkeit des Betroffenen nach der Höhe der zu erwartenden Geldbuße oder der Bedeutung einer möglichen Nebenfolge richten, wobei allerdings auch die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Betroffenen nicht außer Betracht gelassen werden dürfen (Burhoff/Burhoff, OWi, Rn 2989 m.w.N.; s.a. noch OLG Saarbrücken NJW 2007, 309, aber a. LG Berlin, Beschl. v. 24.9.2018 – 538 Qs 99/18, VRS 134, 184 [Geldbuße von 300 EUR und ein Monat Fahrverbot reichen nicht).
Nach wohl h.M. (zum alten Recht) soll aber nicht allein ein zu erwartendes Fahrverbot ausreichen und auch nicht der Umstand, dass der Betroffene im Fall einer weiteren Eintragung wegen der Erreichung der Punktezahl nach dem Mehrfachtäter-Punktesystem mit einem Verwaltungsverfahren zur Entziehung der Fahrerlaubnis nach §§ 3, 4 StVG zu rechnen hat (Göhler/Seitz/Bauer, § 60 Rn 25 m.w.N. auch zur a.A.; Krenberger zfs 2013, 69, 71; s. wohl auch KG VRR 2009, 392; LG Stuttgart zfs 2013, 233 m. abl. Anm. Burhoff StRR 2013, 276 [Rotlichtverstoß mit einem Monat Fahrverbot]; AG Ahrensburg VRR 2012, 117 m. abl. Anm. Burhoff; offen gelassen von OLG Saarbrücken NJW 2007, 309; → Pflichtverteidiger, Beiordnung wegen Schwere der Tat/Rechtsfolge, Teil P Rdn 3465). Es erscheint fraglich, ob das bei den geänderten wirtschaftlichen Verhältnisse und der Bedeutung, die die Fahrerlaubnis i.d.R. für den Betroffenen und seine Berufsausübung hat, noch zutreffend ist. Jedenfalls dann, wenn der Verlust des Arbeitsplatzes droht, dürfte die Mitwirkung eines Verteidigers geboten sein (weiter als Göhler/Seitz/Bauer, a.a.O.; wie hier Burhoff/Burhoff, OWi, Rn 2989; s.a. Molketin NZV 1989, 97, der in allen Fällen eines Vorwurfs nach den §§ 24a, 25 StVG einen Fall notwendiger Verteidigung sieht; ähnlich LG Köln VA 2010, 54; wohl a.A. ...

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