Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristung des Arbeitsvertrags eines wissenschaftlichen Angestellten. Verlängerung des befristeten Arbeitsverhältnisses eines Personalratsmitglieds. Personalrat einer angegliederten Einrichtung der Hochschule. Befristungsrecht. Personalvertretungsrecht
Orientierungssatz
Bei dem Personalrat einer angegliederten Einrichtung einer Hochschule handelt es sich nicht um einen Personalrat im Hochschulbereich iSv. § 77 Abs. 4 MBG. Die angegliederte Einrichtung ist weder selbst Hochschule noch Teil einer Hochschule. Die Verlängerung von Arbeitsverhältnissen um ein Jahr gemäß § 77 Abs. 4 MBG erfaßt nur die befristeten Arbeitsverhältnisse von Mitgliedern der besonderen Personalräte, die für Beschäftigte mit Lehraufgaben und wissenschaftlicher Tätigkeit an Hochschulen gewählt werden.
Normenkette
Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein (MBG) § 38 Abs. 1; Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein (MBG) § 77 Abs. 4; Hochschulgesetz Schleswig-Holstein (HSG) § 1 Abs. 1, §§ 58, 60 Abs. 1, § 117 Abs. 1; ZPO § 91a Abs. 1 S. 1; GG Art. 3 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
I. Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis auf Grund Befristung am 31. Juli 2001 geendet hat.
Der Kläger ist bei dem beklagten Land seit 1992 im Institut für M… beschäftigt. Es handelt sich um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, der nach § 117 Abs. 1 Hochschulgesetz Schleswig-Holstein (HSG) die Stellung einer wissenschaftlichen Einrichtung an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel verliehen worden ist. Nachdem der Kläger zunächst als Beamter auf Zeit gearbeitet hatte, wurde er durch den Arbeitsvertrag vom 9. Juli 1998 als wissenschaftlicher Angestellter für die Zeit vom 1. August 1998 bis zum 31. März 2001 eingestellt. Durch Änderungsvertrag vom 19. März 2001 vereinbarten die Parteien die befristete Weiterbeschäftigung des Klägers bis zum 31. Juli 2001.
Mit der beim Arbeitsgericht am 10. August 2001 eingegangenen Klage hat der Kläger, der seit 1999 Mitglied des am Institut für M… gebildeten Personalrats ist, seine Weiterbeschäftigung bis zum 31. Juli 2002 auf der Grundlage von § 77 Abs. 4 des Gesetzes über die Mitbestimmung der Personalräte – Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein – (MBG) geltend gemacht. Diese Vorschrift lautet auszugsweise:
Ҥ 77
Hochschulen
(1) Auf Professorinnen und Professoren an Hochschulen, Hochschuldozentinnen und Hochschuldozenten findet dieses Gesetz keine Anwendung.
(2) Für Beschäftigte mit Lehraufgaben oder wissenschaftlicher Tätigkeit werden an den Hochschulen besondere Personalräte gewählt; § 14 findet entsprechende Anwendung.
(3) Die Beschäftigten, die weder dem Lehrkörper angehören noch wissenschaftlich tätig sind, wählen eigene Personalräte nach den allgemeinen Vorschriften.
(4) Für die Mitglieder von Personalräten im Hochschulbereich, deren Arbeitsverhältnisse befristet sind, bleiben die Arbeitsverhältnisse unbeschadet der vereinbarten Befristung für die Dauer bestehen, für die ein Kündigungsschutz in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis nach § 38 Abs. 1 bestanden hätte, höchstens jedoch für die Dauer eines Jahres.”
Die Vorinstanzen haben die Klage auf Beschäftigung bis zum 31. Juli 2002 abgewiesen. Mit der Revision hat der Kläger sein Klageziel weiterverfolgt. Nachdem der 31. Juli 2002 verstrichen war, haben die Parteien die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt und wechselseitige Kostenanträge gestellt.
Entscheidungsgründe
II. Die Kosten des Rechtsstreits hat nach § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO der Kläger zu tragen. Die Revision des Klägers hätte keinen Erfolg gehabt. Die Klage war von Anfang an unbegründet. Dem Kläger stand gegen das beklagte Land kein Anspruch auf Weiterbeschäftigung bis zum 31. Juli 2002 zu. Der Kläger war zwar Mitglied des Personalrats, der am Institut für M… gebildet worden ist. Dabei handelt es sich aber nicht um einen Personalrat im Hochschulbereich iSv. § 77 Abs. 4 MBG. Das ergibt eine Auslegung dieser Vorschrift.
1. Der Wortlaut des § 77 Abs. 4 MBG ist nicht eindeutig. Mit dem weitgefaßten Begriff “Hochschulbereich” erfaßt die Vorschrift Hochschulen, Einrichtungen, die Teile der Hochschule sind, und angegliederte Einrichtungen.
a) Das Institut für M… ist keine Hochschule iSv. § 1 HSG. Nach § 1 Abs. 1 HSG gilt das Gesetz nur für die dort namentlich genannten Universitäten und Hochschulen, ua. auch für die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Das Institut für M… ist in § 1 Abs. 1 HSG nicht erwähnt. Bei diesem Institut handelt es sich vielmehr um eine angegliederte Einrichtung iSv. § 117 Abs. 1 HSG. Nach dieser Bestimmung kann einer Einrichtung, die nicht Teil einer Hochschule ist, aber der Lehre, Forschung oder Kunst dient, ohne Änderung der bisherigen Rechtsstellung die Stellung einer wissenschaftlichen Einrichtung an der Hochschule verliehen werden. Mit der Verleihung wird die angegliederte Einrichtung aber nicht Teil der Hochschule, sondern behält ihre bisherige Rechtsstellung bei.
b) Das Institut für M… ist weder eine Einrichtung des Fachbereichs iSv. § 58 HSG noch eine zentrale Einrichtung iSv. § 60 HSG. Diese Einrichtungen sind Teile der Hochschule, während das Institut für M… seine bisherige Rechtsstellung beibehalten hat und nicht Teil der Hochschule geworden ist.
c) Die Verwendung des Begriffs “Hochschulbereich“ schließt allerdings nicht aus, daß sich die Vorschrift des § 77 Abs. 4 MBG auch auf angegliederte Einrichtungen iSd. § 117 Abs. 1 HSG erstreckt, die nicht Teil einer Hochschule sind.
2. Nach der Systematik des Gesetzes zählen zu den Personalräten im Hochschulbereich iSv. § 77 Abs. 4 MBG allerdings ausschließlich die unmittelbar an einer Hochschule gebildeten Personalräte. Bereits die Überschrift von § 77 MBG lautet ausschließlich “Hochschulen”. Bei ihr handelt es sich um die einzige Bestimmung, die den Unterabschnitt 1 mit der Überschrift “Besondere Vorschriften für die Hochschulen” im Abschnitt IX des MBG bildet. Da das MBG gemäß § 77 Abs. 1 MBG auf Professoren an Hochschulen und Hochschuldozenten keine Anwendung findet, während Beschäftigte, die weder dem Lehrkörper angehören noch wissenschaftlich tätig sind, gemäß § 77 Abs. 3 MBG eigene Personalräte nach allgemeinen Vorschriften wählen, beschränkt sich der Anwendungsbereich von § 77 Abs. 4 MBG auf die besonderen Personalräte, die gemäß § 77 Abs. 2 MBG für Beschäftigte mit Lehraufgaben oder wissenschaftlicher Tätigkeit gewählt werden. Diese besonderen Personalräte werden aber nur an Hochschulen gewählt. Dazu zählt das Institut für M… nicht.
3. Dieses Auslegungsergebnis wird durch den Zweck der gesetzlichen Regelung bestätigt. Die Vorschrift des § 77 Abs. 4 MBG dient dem kollektiven Interesse des dort genannten Personenkreises an der Funktionsfähigkeit der besonderen Personalräte an Hochschulen. Durch sie werden die Hemmnisse abgemildert, die der Bildung besonderer Personalräte an Hochschulen entgegenstehen. Ein Hochschulmitarbeiter hat während der Laufzeit seines befristeten Arbeitsvertrags Aufgaben zu erfüllen, die insbesondere der akademischen Weiterbildung und der Förderung eines bestimmten Projekts dienen. Die Erfüllung dieser Aufgaben kann durch die zusätzliche Belastung einer Personalratstätigkeit beeinträchtigt werden (BAG 29. September 1999 – 7 AZR 265/98 – AP MitbestG Schleswig-Holstein § 77 Nr. 1 = EzA BGB § 620 Hochschulen Nr. 23, zu II 4 der Gründe). Um derartige Schwierigkeiten zu vermeiden, werden interessierte Hochschulmitarbeiter von einer Wahlbewerbung Abstand nehmen. Eine sinnvolle Personalratstätigkeit wird zusätzlich dadurch erschwert, daß die Hochschulmitarbeiter ihre Lehraufgaben und ihre wissenschaftliche Tätigkeit in aller Regel auf der Grundlage eines befristeten Arbeitsverhältnisses wahrnehmen. Um dennoch interessierte Wissenschaftler für ein Personalratsamt zu gewinnen, hat der Gesetzgeber die Dauer des befristeten Arbeitsverhältnisses durch § 77 Abs. 4 MBG angemessen verlängert.
4. Die Regelung des § 77 Abs. 4 MBG verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Der Kläger kann sich nicht auf eine Ungleichbehandlung gegenüber den Mitgliedern eines besonderen Personalrats an Hochschulen berufen. Denn § 77 Abs. 4 MBG schützt nicht die Person des Funktionsträgers, sondern das kollektive Interesse an der Funktionsfähigkeit dieses besonderen Personalrats an Hochschulen. Nach diesem Schutzzweck der Norm ist eine Differenzierung zwischen den Mitgliedern der besonderen Personalräte an Hochschulen und den Mitgliedern an allgemeinen Personalräten im öffentlichen Dienst gerechtfertigt. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegt auch nicht darin, daß der Gesetzgeber es unterlassen hat, außerhalb von Hochschulen besondere Personalräte für Wissenschaftler vorzusehen. Denn es unterliegt der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, für welche Bereiche und für welche Personengruppen er besondere Personalräte vorsieht.
Unterschriften
Dörner, Gräfl, Pods, Bea, Nottelmann
Fundstellen
Haufe-Index 975900 |
NZA 2004, 568 |
PersV 2004, 143 |
ZfPR 2004, 173 |
Tarif aktuell 2003, 2 |