Entscheidungsstichwort (Thema)
Ordnungsmittel bei mitbestimmungswidrigem Verhalten des Arbeitgebers
Leitsatz (amtlich)
Im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren kann zur Durchsetzung einer Unterlassungsverpflichtung gegen den Arbeitgeber nicht Ordnungshaft für den Fall angedroht und verhängt werden, dass ein festgesetztes Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann.
Orientierungssatz
Führt der Arbeitgeber eine Betriebsvereinbarung nicht ordnungsgemäß durch, kann der Betriebsrat die Unterlassung vereinbarungswidriger Maßnahmen verlangen. Auf seinen Antrag kann das Arbeitsgericht für den Fall einer Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 10.000,00 Euro androhen. Die Androhung von Ordnungshaft gegen den Arbeitgeber für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann, ist dagegen unzulässig.
Normenkette
ArbGG § 85 Abs. 1; ZPO § 890 Abs. 1; BetrVG § 23 Abs. 3, § 77 Abs. 1
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Beschluss vom 16.10.2008; Aktenzeichen 5/9 TaBV 239/07) |
ArbG Darmstadt (Beschluss vom 27.06.2007; Aktenzeichen 5 BV 7/07) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 16. Oktober 2008 – 5/9 TaBV 239/07 – teilweise aufgehoben.
Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 27. Juli 2007 – 5 BV 7/07 – hinsichtlich des Tenors zu 2) teilweise abgeändert.
Der Tenor zu 2) wird zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
Für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung zu Ziffer 1 wird der Beteiligten zu 2) ein Ordnungsgeld bis zu 10.000,00 Euro angedroht.
Der weitergehende Antrag des Betriebsrats wird zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Rz. 1
A. Die Beteiligten streiten noch darüber, ob der Arbeitgeberin zur Durchsetzung einer vom Betriebsrat erlangten gerichtlichen Unterlassungsverpflichtung Ordnungshaft angedroht werden kann.
Rz. 2
Bei der Arbeitgeberin gilt eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit, die bestimmt, dass die Arbeitnehmer ihre Anwesenheitszeiten an den im Betrieb aufgestellten Terminals zu erfassen haben. Nachdem zwischen den Beteiligten Streit darüber entstanden war, ob auch Mitarbeiter mit einem erheblichen Anteil reisender Tätigkeit an der Zeiterfassung teilnehmen müssen, leitete der Betriebsrat ein Beschlussverfahren ein. Er hat beantragt,
1. der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu unterlassen, während der Geltung der Betriebsvereinbarung “Jahresarbeitszeit” vom 7. September 2000 Mitarbeiter ohne Zustimmung des Betriebsrats aus der Zeiterfassung herauszunehmen, es sei denn, es handelt sich hierbei um leitende Angestellte im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG;
2. für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung zu Ziffer 1 der Arbeitgeberin ein Ordnungsgeld bis zu 10.000,00 Euro anzudrohen, und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft, zu vollziehen an den Geschäftsführern T… D… und Y… F….
Rz. 3
Die Arbeitgeberin hat beantragt, die Anträge abzuweisen.
Rz. 4
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben den Anträgen stattgegeben. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Arbeitgeberin hat der Senat die Rechtsbeschwerde zugelassen, soweit sich die Arbeitgeberin gegen die Androhung der Ordnungshaft wendet.
Entscheidungsgründe
Rz. 5
B. Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin ist begründet.
Rz. 6
I. Im Rahmen des Rechtsbeschwerdeverfahrens ist nur zu prüfen, ob die im Beschluss des Landesarbeitsgerichts erfolgte Androhung von Ordnungshaft zu Recht erfolgt ist. Im Übrigen ist die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts rechtskräftig und damit einer rechtsbeschwerderechtlichen Überprüfung entzogen.
Rz. 7
II. Die Androhung von Ordnungshaft ist zu Unrecht erfolgt. Zwar sieht der gemäß § 85 Abs. 1 Satz 3 ArbGG auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren anwendbare § 890 Abs. 1 ZPO vor, dass für den Fall, dass ein Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft verhängt werden kann. Diese Möglichkeit scheidet jedoch nach der in § 85 Abs. 1 Satz 3 ArbGG enthaltenen Maßgabe als Sanktion gegenüber einem grob betriebsverfassungswidrigen Verhalten eines Arbeitgebers (§ 23 Abs. 3 BetrVG) von Gesetzes wegen aus. Diese spezialgesetzliche Beschränkung von Zwangsmaßnahmen ist zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen auch bei der Durchsetzung des allgemeinen Unterlassungsanspruchs des Betriebsrats zu beachten, der im Gegensatz zu dem auf § 23 Abs. 3 BetrVG beruhenden Unterlassungsanspruch nicht einmal einen groben Pflichtenverstoß des Arbeitgebers verlangt (vgl. BAG 3. Mai 1994 – 1 ABR 24/93 – zu II B III der Gründe, BAGE 76, 364). Da die Zwangsmaßnahmen bei einer “einfachen” Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten nicht weitgehender sein können als bei einer groben Pflichtverletzung des Arbeitgebers, ist die für § 23 Abs. 3 BetrVG geltende Beschränkung auch beim allgemeinen Unterlassungsanspruch zu beachten (BAG 29. April 2004 – 1 ABR 30/02 – zu B V der Gründe, BAGE 110, 252; 24. April 2007 – 1 ABR 47/06 – Rn. 24, BAGE 122, 127). Für den aus dem Durchführungsanspruch nach § 77 Abs. 1 BetrVG folgenden Unterlassungsanspruch gilt nichts anderes.
Unterschriften
Schmidt, Koch, Linck, Berg, M. Zumpe
Fundstellen
Haufe-Index 2593441 |
BAGE 2012, 375 |
BB 2011, 640 |
NJW 2011, 8 |
NWB 2010, 3441 |
EBE/BAG 2011, 24 |
FA 2010, 383 |
FA 2011, 122 |
NZA 2011, 174 |
StuB 2011, 160 |
ZIP 2011, 140 |
ZTR 2011, 192 |
AP 2011 |
AuA 2010, 672 |
EzA-SD 2010, 11 |
EzA-SD 2011, 16 |
EzA 2011 |
MDR 2011, 431 |
ArbRB 2010, 325 |
ArbRB 2011, 42 |
ArbR 2011, 46 |
NWB direkt 2010, 1111 |
Personalmagazin 2010, 70 |
finanzen.steuern kompakt 2010, 9 |
sis 2012, 477 |