Entscheidungsstichwort (Thema)
Mehrfache Verlängerung der Rechtsmittelbegründungsfrist
Leitsatz (amtlich)
- Eine zweite Verlängerung der Rechtsmittelbegründungsfrist ist nach § 66 Abs. 1 Satz 4 ArbGG auch dann nicht zulässig, wenn erst durch sie eine insgesamt einmonatige Fristverlängerung erreicht würde.
- Der Beschluß, mit dem das Landesarbeitsgericht die Beschwerde gegen die erstinstanzliche Entscheidung als unbegründet zurückgewiesen hat, ist nach § 563 ZPO auch dann nicht aufzuheben, wenn das Rechtsmittel wegen verspäteter Begründung an sich als unzulässig zu verwerfen gewesen wäre.
Normenkette
ArbGG 1979 § 66 Abs. 1; ZPO § 563
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Beschluss vom 23.03.1994; Aktenzeichen 12 TaBV 8/93) |
ArbG Mannheim (Beschluss vom 20.01.1993; Aktenzeichen 3 BV 12/92) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 23. März 1994 – 12 TaBV 8/93 – wird zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
A. Die Beteiligten streiten darüber, ob es sich bei der Zuordnung eines Arbeitnehmers zu einem Verkaufsbereich um eine mitbestimmungspflichtige Versetzung gehandelt hat.
Die Arbeitgeberin betreibt ein Möbelverkaufshaus. Dort wurde der Angestellte B… bis zu seiner Einberufung zur Bundeswehr im Oktober 1991 als Verkäufer beschäftigt. Nach Ableistung seines Wehrdienstes ist er seit dem 1. Oktober 1992 wieder als Verkäufer eingesetzt, und zwar im Selbstbedienungsbereich.
Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, die Zuordnung B… zum Selbstbedienungsverkauf sei eine mitbestimmungspflichtige Versetzung gewesen. Vor seinem Wehrdienst sei B… in einem anderen Arbeitsbereich, im Verkauf der Großmöbel, tätig gewesen.
Der Betriebsrat hat beantragt,
der Arbeitgeberin aufzugeben, die Versetzung von Herrn Gerhard B… aus der Abteilung Großmöbel in den SB-Markt aufzuheben.
Die Arbeitgeberin hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Nach ihrer Meinung lag eine mitbestimmungspflichtige Versetzung nicht vor. B… sei nach seinem Wehrdienst nicht einem anderen Arbeitsbereich zugewiesen worden, denn vor seiner Einberufung habe es zwischen dem Großmöbelverkauf und dem SB-Markt noch keine organisatorische Trennung gegeben.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag des Betriebsrats stattgegeben. Gegen diesen Beschluß, der ihr am 23. September 1993 zugestellt worden war, hat sich die Arbeitgeberin mit ihrer am 18. Oktober 1993 eingegangenen Beschwerde gewandt. Mit einem am 8. November 1993 eingegangenen Schriftsatz hat sie beantragt, die Frist zur Begründung der Beschwerde bis zum 18. Dezember 1993 zu verlängern. Mit Beschluß vom 8. November 1993 hat der Vorsitzende des Landesarbeitsgerichts diesem Antrag nur teilweise entsprochen und die Frist bis zum 30. November 1993 verlängert. Eine darüber hinausgehende Fristverlängerung hat er mit der Begründung abgelehnt, daß andernfalls eine Verfahrensverzögerung zu besorgen wäre, und daß die Arbeitgeberin insoweit keine erheblichen Gründe dargelegt habe. Mit einem am 18. November 1993 eingegangenen Schriftsatz hat die Arbeitgeberin ihre Bitte um antragsgemäße Fristverlängerung wiederholt. Daraufhin hat der Vorsitzende mit Beschluß vom 24. November 1993 unter Bezugnahme auf den ursprünglichen Antrag Fristverlängerung bis zum 18. Dezember 1993 gewährt. Am 17. Dezember 1993 ist die Beschwerdebegründung eingegangen.
Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde der Arbeitgeberin als unbegründet zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt diese ihren Zurückweisungsantrag weiter. Der Betriebsrat bittet, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
B. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Im Ergebnis zutreffend hat das Landesarbeitsgericht erkannt, daß die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den erstinstanzlichen Beschluß keinen Erfolg haben konnte. Dabei hat das Landesarbeitsgericht allerdings übersehen, daß über die Begründetheit der Beschwerde nicht mehr zu entscheiden war. Die Beschwerde war unzulässig.
I. Die Arbeitgeberin hat die Beschwerde nicht rechtzeitig begründet. Ihre Begründung ist erst am 17. Dezember 1993 und damit nach Ablauf der bis zum 30. November 1993 verlängerten Frist eingegangen. Die weitere Fristverlängerung bis zum 18. Dezember 1993 war wegen Verstoßes gegen § 87 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 66 Abs. 1 Satz 4 ArbGG nichtig (Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, § 66 Rz 32).
Dies ergibt sich aus dem klaren Wortlaut des § 66 Abs. 1 Satz 4 ArbGG, der lediglich eine einmalige Verlängerung der Begründungsfrist zuläßt. Das Gesetz enthält keine Anhaltspunkte für eine vom Wortlaut abweichende Auslegung dahin, daß die Begründungsfrist bis zur Gesamtdauer von einem Monat mehrfach verlängert werden kann. Insbesondere spricht auch der Zweck der Vorschrift, der auf die Beschleunigung des Verfahrens gerichtet ist, gegen eine erweiternde Auslegung.
Möglicherweise hat das Landesarbeitsgericht den zweiten Verlängerungsbeschluß dahin verstanden, daß im Wege einer Korrektur lediglich die erste Entscheidung aus der Welt geschafft worden und damit die Frist insgesamt nur einmal, nämlich bis zum 18. Dezember 1993, verlängert worden wäre. Es bedarf hier keiner Erörterung der Frage, unter welchen Voraussetzungen Beschlüsse über die Verlängerung einer Rechtsmittelbegründungsfrist in dieser Weise korrigiert werden können. An eine Korrektur kann jedenfalls nur dann gedacht werden, wenn der erste Verlängerungsbeschluß fehlerhaft war. Um einen solchen Fall geht es hier aber nicht. Vielmehr hat der Vorsitzende mit dem Beschluß vom 24. November 1993 eine neue wertende Entscheidung über eine angemessene Fristverlängerung getroffen. Dies ist nichts anderes als eine wiederholte Fristverlängerung, die das Gesetz ausdrücklich ausschließt.
II. Die Beschwerde der Arbeitgeberin war wegen der verspäteten Begründung unzulässig (§ 519b ZPO). Dies ist zwar nicht gerügt worden. Als Prozeßfortsetzungsbedingung ist die Zulässigkeit der Beschwerde aber auch in der Rechtsbeschwerdeinstanz von Amts wegen zu prüfen (Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, § 75 Rz 7, m.w.N.).
III. Die Rechtsbeschwerde war zurückzuweisen, da sich der Beschluß des Landesarbeitsgerichts im Ergebnis als richtig darstellt (§ 563 ZPO). Zwar hätte das Landesarbeitsgericht die Beschwerde der Arbeitgeberin nicht als unbegründet zurückweisen dürfen, sondern sie als unzulässig verwerfen müssen. Da aber in beiden Fällen der erstinstanzliche Beschluß in Rechtskraft erwächst, sich also durch die abweichende Tenorierung keine Unterschiede für die Entscheidung über den Sachantrag des Betriebsrats ergeben, führt der Fehler des Landesarbeitsgerichts nicht zur Aufhebung seines Beschlusses (Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., § 563 Rz 5).
Unterschriften
Dieterich, Rost, Wißmann, Muhr, Giese
Fundstellen
Haufe-Index 857026 |
BAGE, 1 |
BB 1995, 883 |
NJW 1995, 2054 |
JR 1995, 352 |
NZA 1995, 549 |
AP, 0 |