Entscheidungsstichwort (Thema)
Bindung an Verweisungsbeschluß
Normenkette
ZPO § 36 Nr. 6; ArbGG n.F. § 48 Abs. 1; GVG § 17a Abs. 2; GVG n.F. § 17a Abs. 4
Verfahrensgang
ArbG Bonn (Beschluss vom 04.01.1995; Aktenzeichen 3 Ca 3300/94) |
Tenor
Als zuständiges Gericht wird das Arbeitsgericht Bonn bestimmt.
Tatbestand
I. Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Kündigung und um Weiterbeschäftigung. Der Kläger wohnt in P. (Arbeitsgerichtsbezirk Braunschweig); die Beklagte hat ihren Sitz in M. (Arbeitsgerichtsbezirk Bonn). Der Kläger war seit dem 1. Juli 1991 als Außendienstangestellter mit den Gebieten Niedersachsen und Sachsen-Anhalt bei der Beklagten beschäftigt. Mit seiner vor dem Arbeitsgericht Braunschweig erhobenen Klage wandte er sich gegen die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses und begehrte Weiterbeschäftigung. In der Klageschrift beantragte der Kläger „für den Fall, daß das Arbeitsgericht Braunschweig örtlich nicht zuständig sein sollte, … den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Arbeitsgericht zu verweisen”.
Mit Verfügung vom 15. September 1994 teilte das Arbeitsgericht Braunschweig der Beklagten mit, es sei beabsichtigt, den Rechtsstreit an das für M. zuständige Arbeitsgericht zu verweisen, da eine örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Braunschweig nicht ersichtlich sei. Der Klägervertreter erhielt Abschrift. Die Beklagte erklärte, gegen eine Verweisung des Rechtsstreits an das Arbeitsgericht Bonn keine Einwände zu haben. Der Kläger äußerte sich nicht.
Durch Beschluß vom 12. Oktober 1994 erklärte sich das Arbeitsgericht Braunschweig für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Bonn, „nachdem den Parteien rechtliches Gehör gewährt worden ist”. Das Arbeitsgericht Bonn hat sich ebenfalls für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit dem Bundesarbeitsgericht zum Zwecke der Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts nach § 36 Nr. 6 ZPO vorgelegt.
Entscheidungsgründe
II. Zuständig ist das Arbeitsgericht Bonn. Der Verweisungsbeschluß des Arbeitsgerichts Braunschweig ist bindend.
1.a) Rechtskräftige Verweisungsbeschlüsse sind für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, bindend. Dies ergibt sich aus § 48 Abs. 1 ArbGG n.F., § 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG n.F. Die bindende Wirkung ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats auch im Bestimmungsverfahren des § 36 Nr. 6 ZPO zu beachten (vgl. statt vieler: BAG Beschluß vom 11. Januar 1982 – 5 AR 221/81 – AP Nr. 27 zu § 36 ZPO; BAG Beschluß vom 3. November 1993 – 5 AS 20/93 – NZA 1994, 479 f.). Nur so kann der Zweck des § 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG n.F. erreicht werden, unnötige und zu Lasten der Parteien gehende Zuständigkeitsstreitigkeiten zu vermeiden. Das bedeutet: Es ist das Gericht als zuständig zu bestimmen, an das die Sache durch den ersten Verweisungsbeschluß gelangt ist, es sei denn, dieser ist ausnahmsweise nicht bindend. In diesem Fall ist dasjenige Gericht als zuständig zu bestimmen, an das die Sache durch den zweiten Verweisungsbeschluß gelangt ist, es sei denn. (auch) dieser ist ausnahmsweise nicht bindend.
b) Auch fehlerhafte Verweisungsbeschlüsse sind grundsätzlich bindend. Lediglich eine offensichtlich gesetzwidrige Verweisung kann diese Bindungswirkung nicht entfalten (BAG Beschluß vom 29. September 1976 – 5 AZR 232/76 – AP Nr. 20 zu § 36 ZPO, zu II 2 der Gründe; zum neuen Recht Beschluß vom 1. Juli 1992 – 5 AS 4/92 – EzA § 17 a GVG Nr. 1; Zöller/Vollkommer, ZPO, 18. Aufl., § 36 Rz 25, 28; einschränkend zum neuen Recht Zöller/Gummer, a.a.O., GVG § 17 a Rz 13). Offensichtlich gesetzwidrig ist ein Verweisungsbeschluß dann, wenn er jeder Rechtsgrundlage entbehrt, willkürlich gefaßt ist oder auf der Versagung rechtlichen Gehörs gegenüber den Verfahrensbeteiligten oder einem von ihnen beruht (BAG Beschluß vom 1. Juli 1992 – 5 AS 4/92 –, a.a.O., zu II 3 a der Gründe; BGHZ 71, 69, 72 f. = NJW 1978, 1163, 1164).
2. Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.
a) Das Arbeitsgericht Braunschweig hat dem Kläger rechtliches Gehör gewährt. Zwar hat es sein Schreiben vom 15. September 1994 nur an die Beklagte gerichtet. Der Klägervertreter hat jedoch Abschrift erhalten. Angesichts des Umstandes, daß der Kläger durch Rechtssekretäre vertreten war, die in der Klageschrift bereits einen Verweisungsantrag gestellt hatten, ist dies als ausreichende Gewährung rechtlichen Gehörs anzusehen. Ob ebenso zu entscheiden wäre, wenn der Kläger nicht rechtlich vertreten wäre, kann hier auf sich beruhen.
b) Der Verweisungsbeschluß des Arbeitsgerichts Braunschweig ist auch nicht willkürlich. Zwar hat der Senat mehrfach entschieden, daß bei Arbeitsverhältnissen in der Regel von einem einheitlichen (gemeinsamen) Erfüllungsort auszugehen ist, und daß dies der Ort ist, an dem der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung zu erbringen hat (Beschluß vom 3. November 1993 – 5 AS 20/93 – EzA § 36 Nr. 18 sowie Beschluß vom 30. März 1994 – 5 AS 6/94 –, nicht veröffentlicht). Dies ist jedoch keinesfalls unumstritten. Auch in der neueren Literatur wird teilweise mit vertretbaren Gründen ein anderer Standpunkt eingenommen (vgl. Krasshöfer-Pidde/Molkenbur, NZA 1988, 236, 237 f.). Wenn sich das Arbeitsgericht Braunschweig diese Auffassung zu eigen gemacht hat, kann von einer offensichtlichen Gesetzwidrigkeit nicht die Rede sein. Der Umstand, daß der Verweisungsbeschluß nur mit formelhaften Wendungen begründet worden ist, ändert daran nichts.
Unterschriften
Griebeling, Schliemann, Reinecke
Fundstellen