Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsverfassungsrechtlicher Kostenerstattungsanspruch. Anwaltskosten
Normenkette
BetrVG § 40 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluß des Landesarbeitsgerichts Köln vom 30. Juli 1997 – 7 TaBV 12/97 – aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Anhörung und Entscheidung an eine andere Kammer des Landesarbeitsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
A. Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Anwaltskosten.
Die Arbeitgeberin beschäftigt ca. 180 Arbeitnehmer, die Zeitungen zustellen. Antragsteller ist der Vorsitzende des bei ihr gebildeten Betriebsrats.
Für die Anwerbung neuer Zusteller, deren Einarbeitung und die Vergabe von Zustellbezirken setzt die Arbeitgeberin sog. Vertriebsinspektoren ein. Einer dieser Vertriebsinspektoren verklagte den Antragsteller vor dem Amtsgericht auf Unterlassen ehrverletzender Äußerungen. Dabei beantragte er, dem Antragsteller bei Vermeidung einer Geldstrafe in unbegrenzter Höhe oder Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verbieten, weiterhin zu behaupten, der Kläger mache die Vergabe von neuen Zustellbezirken von der Bezahlung einer bestimmten Geldsumme abhängig. Die Klageschrift enthielt die Behauptung, der Antragsteller habe gegenüber namentlich bezeichneten Dritten mehrfach wahrheitswidrig erklärt, der Kläger lasse sich von den einzustellenden Zustellern die Vergabe der Zustellbezirke entgelten und nötige ihnen entsprechende Erklärungen gegenüber der Geschäftsleitung ab. Dabei nutze er seine Stellung als Betriebsratsvorsitzender aus. Nach Vorlage der Klageschrift faßte der Betriebsrat zwei Beschlüsse über die Wahrnehmung der Interessen des Betriebsrats in dem Unterlassungsverfahren durch Rechtsanwalt M., den der Antragsteller daraufhin mit seiner Vertretung beauftragte. Das Verfahren endete nach Verweisung an das Arbeitsgericht durch Vergleich. Darin hat der Antragsteller erklärt, daß er die ihm vorgehaltenen Äußerungen nicht aufgestellt habe und sie auch künftig Dritten gegenüber nicht abgeben werde. Von der Arbeitgeberin verlangte er anschließend vergeblich die Erstattung der ihm entstandenen Anwaltskosten in Höhe von 1.719,25 DM.
Der Antragsteller hat die Auffassung vertreten, die Arbeitgeberin sei zur Erstattung der Anwaltskosten verpflichtet. Er sei wegen seiner Betriebsratstätigkeit auf Unterlassung in Anspruch genommen worden.
Er hat beantragt,
die Arbeitgeberin zu verpflichten, an ihn 1.719,25 DM zu zahlen.
Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen.
Bei dem Ausgangsverfahren habe es sich um eine privatrechtliche Angelegenheit zweier im Betrieb beschäftigter Arbeitnehmer gehandelt. Der betriebsverfassungsrechtliche Kostenerstattungsanspruch betreffe keine Kosten, die auf eine individualrechtliche Rechtsverteidigung eines Betriebsratsmitglieds zurückgingen.
Die Vorinstanzen haben dem Antrag stattgegeben. Mit ihrer Rechtsbeschwerde beantragt die Arbeitgeberin die Zurückweisung des Antrags. Der Antragsteller und der im Rechtsbeschwerdeverfahren erstmals beteiligte Betriebsrat beantragen, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
B. Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin hatte Erfolg. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann dem Antrag nicht stattgegeben werden. Nach dem Vorbringen des im Rechtsbeschwerdeverfahren beteiligten Betriebsrats bedarf es weiterer Feststellungen, um über den geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch abschließend entscheiden zu können.
I.1. Das arbeitsgerichtliche Beschlußverfahren (§ 80 ArbGG) ist die zutreffende Verfahrensart. Zwischen den Beteiligten ist ein betriebsverfassungsrechtlicher Kostenerstattungsanspruch im Streit.
2. Die Vorinstanzen haben den Betriebsrat an dem vorliegenden Verfahren nicht beteiligt, obwohl er in seinen betriebsverfassungsrechtlichen Rechten betroffen ist. Ein Verfahren über die Erstattung von Kosten, die ein Mitglied des Betriebsrats im Zusammenhang mit seiner Amtsführung aufwendet, betrifft die Kosten des Betriebsrats, die der Arbeitgeber bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 BetrVG trägt. Das gilt auch, soweit das Betriebsratsmitglied diese Kosten bereits aus eigenen Mitteln gezahlt hat (BAG st. Rspr. vom 3. April 1979 – 6 ABR 63/76 – AP Nr. 16 zu § 40 BetrVG 1972). In seiner betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsstellung ist der Betriebsrat auch deswegen betroffen, weil die Arbeitgeberin das ordnungsgemäße Zustandekommen seiner Beschlüsse in Frage gestellt hat.
Die Beteiligung des Betriebsrats hat der Senat im Rechtsbeschwerdeverfahren nachgeholt. Nach der Anhörung des Betriebsrats könnte auch von einem anderen Sachverhalt auszugehen sein, der rechtserheblich ist.
II. Das Landesarbeitsgericht hat die Voraussetzungen verkannt, nach denen ein Mitglied des Betriebsrats von dem Arbeitgeber die Erstattung von Anwaltskosten verlangen kann, die ihm zu seiner Rechtsverteidigung in einem Urteilsverfahren mit einem betriebsangehörigen Arbeitnehmer entstanden sind. Ob dem Antragsteller der geltend gemachte Anspruch auf Kostenerstattung gegenüber der Arbeitgeberin zusteht, läßt sich nicht abschließend beurteilen.
1. Nach § 40 Abs. 1 BetrVG hat der Arbeitgeber die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten zu tragen. Dazu gehören auch diejenigen Kosten, die ein Mitglied des Betriebsrats zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben aufgewendet hat und die hierzu erforderlich waren. Dazu können auch die Kosten eines Rechtsstreits zählen, die das Betriebsratsmitglied zur Wahrung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Rechte führt. Danach sind die von einem Mitglied des Betriebsrats durch die Einleitung oder Beteiligung in einem Beschlußverfahren entstehenden Rechtsanwaltskosten erstattungsfähig, wenn das Betriebsratsmitglied wegen seiner Zugehörigkeit zum Betriebsrat sowie zur ordnungsgemäßen Erfüllung von Betriebsratsaufgaben tätig geworden ist (BAG Beschluß vom 3. April 1979, a.a.O.). Wahrt das Betriebsratsmitglied in dem gerichtlichen Verfahren keine kollektivrechtlichen, sondern persönliche, individualrechtliche Interessen aus dem Arbeitsverhältnis oder sonstigen Rechten, kann allein die Zugehörigkeit zum Betriebsrat gegenüber dem Arbeitgeber keinen Anspruch auf Erstattung der bei der Rechtsverteidigung entstehenden Anwaltskosten begründen (BAG Beschluß vom 21. Januar 1990 – 7 ABR 39/89 – AP Nr. 28 zu § 103 BetrVG 1972, zu 1 b der Gründe).
2. Dementsprechend kommt gegenüber dem Arbeitgeber ein Anspruch auf Erstattung von Anwaltskosten in Betracht, wenn ein Mitglied des Betriebsrats wegen Handlungen oder Äußerungen, die nicht seinem privaten Bereich, sondern der Erledigung von Betriebsratsaufgaben zuzurechnen sind, in einem Zivilverfahren von einem betriebsangehörigen Arbeitnehmer auf Unterlassung in Anspruch genommen wird. Das setzt jedoch voraus, daß das Betriebsratsmitglied bei den fraglichen Vorgängen als Betriebsratsmitglied aufgetreten und zur ordnungsgemäßen Durchführung von Betriebsratsaufgaben tätig geworden ist. Insoweit dient die Rechtsverteidigung des einzelnen Betriebsratsmitglieds dem kollektiven Interesse des Betriebsrats an einer ungehinderten und eigenbestimmten Amtsführung.
3. Das hat das Landesarbeitsgericht nicht geprüft. Es hat für ausreichend gehalten, daß der Betriebsrat aus seiner subjektiven Sicht die Abwehr des gegen seinen Vorsitzenden erhobenen Vorwurfs des Amtsmißbrauchs als Betriebsratstätigkeit ansehen konnte. Damit hat das Beschwerdegericht verkannt, daß für die Beurteilung einer Tätigkeit als Betriebsratsaufgabe objektive Maßstäbe gelten und dem Betriebsrat kein Beurteilungsspielraum zusteht, der von den Arbeitsgerichten beachtet werden müßte (BAG Urteil vom 31. August 1994 – 7 AZR 893/93 – AP Nr. 98 zu § 37 BetrVG 1972, zu 2 c der Gründe). Demzufolge hat das Landesarbeitsgericht nicht geprüft, ob die dem Antragsteller vorgeworfenen Äußerungen überhaupt in einem Zusammenhang mit der ordnungsgemäßen Erfüllung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben stehen. Der in der Klageschrift enthaltene Vorwurf der Ausnutzung des Betriebsratsamts bei Äußerungen, die mangels entgegenstehender Anhaltspunkte dem privaten Bereich zuzuordnen sind, erfüllt diese Voraussetzung ersichtlich nicht.
4. Einer Zurückverweisung und erneuten Anhörung der Beteiligten bedarf es trotz der unschlüssigen Antragsbegründung deswegen, weil der im Rechtsbeschwerdeverfahren beteiligte Betriebsrat vorgetragen hat, die gegen den Antragsteller erhobenen Vorwürfe gingen zurück auf ein Telefonat, das eine einzustellende Arbeitnehmerin im Rahmen der Beteiligungsrechte des Betriebsrats bei personellen Einzelmaßnahmen mit dem Antragsteller geführt habe. Danach kann nicht ausgeschlossen werden, daß die dem Antragsteller vorgehaltenen Äußerungen der betriebsverfassungsrechtlichen Amtsführung im Rahmen des § 99 BetrVG zuzurechnen sind und auch Grundlage des Ausgangsverfahrens waren. Das wird vom Landesarbeitsgericht in einem erneuten Beschwerdeverfahren aufzuklären sein. Bei der Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen wird das Landesarbeitsgericht auch zu beachten haben, daß die Wahrnehmung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben ehrverletzende Äußerungen über Dritte nicht rechtfertigt. Sollten sich daher die gegen den Antragsteller erhobenen Vorwürfe als zutreffend erweisen, fehlt es an der ordnungsgemäßen Ausübung einer Betriebsratsaufgabe. Desweiteren wird das Landesarbeitsgericht zu prüfen haben, ob der Betriebsrat im Zeitpunkt seiner Beschlußfassung die Beauftragung eines Rechtsanwalts für erforderlich halten durfte. Auch dazu muß den Beteiligten Gelegenheit zu weiterem Vorbringen gegeben werden. Vorliegend geht die Beauftragung des Rechtsanwalts zurück auf Beschlüsse des Betriebsrats vom 27. November 1995 bzw. 4. Dezember 1995. In einem erneuten Anhörungsverfahren wäre auch den weiteren Bedenken der Arbeitgeberin zum ordnungsgemäßen Zustandekommen dieser Beschlüsse nachzugehen.
Unterschriften
Schmidt zugleich für den durch Urlaub verhinderten Vorsitzenden Richter Dörner, Mikosch, P. Haeusgen, Meyer
Fundstellen