Verfahrensgang
LAG Hamburg (Urteil vom 21.03.1995; Aktenzeichen 2 Sa 79/94) |
Tenor
1. Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 21. März 1995 – 2 Sa 79/94 – wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 25.885,44 DM festgesetzt.
Tatbestand
I. Der Streit der Parteien geht um die tarifgerechte Vergütung des Klägers.
Der am 3. September 1954 geborene Kläger hat am 3. Februar 1978 an der Fachhochschule Hamburg – Fachbereich für Sozialpädagogik – den Abschluß als graduierter Sozialpädagoge erworben. Am 1. März 1979 erhielt er die staatliche Anerkennung als Sozialpädagoge. Am 16. Januar 1986 trat er als solcher in die Dienste des beklagten Vereins. Das Arbeitsverhältnis der Parteien richtet sich nach dem schriftlichen Dienstvertrag vom 11. Februar 1986. In diesem ist bestimmt, daß auf das Anstellungsverhältnis die Arbeitsvertragsrichtlinien des deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Anwendung finden, soweit vertraglich nichts anderes vereinbart ist. Eine solche abweichende Vereinbarung haben die Parteien in Ziff. 4 des Vertrages getroffen. Danach richtet sich die Vergütung des Klägers nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT).
Der Beklagte ist Träger des Projektes Jork. Bei diesem handelt es sich um die Unterhaltung von sozialtherapeutischen Wohngemeinschaften, in denen für Drogenabhängige Langzeittherapien durchgeführt werden. Insgesamt sind sieben Wohngemeinschaften in fünf Häusern gebildet. Der Kläger ist in einem Team tätig, das eine Gruppe von Drogenabhängigen betreut. Er erhält Vergütung nach der VergGr. IVb BAT.
Im Projekt Jork wird drogenabhängigen Menschen nach Entgiftung und ausführlicher Beratungsphase, basierend auf dem Freiwilligkeitsprinzip, eine im Schnitt zwölfmonatige stationäre Langzeitherapie in sozialtherapeutischen Wohngemeinschaften angeboten. Die Therapie wird in zwei Stufen durchgeführt.
In der ersten Stufe (vier bis sechs Monate) werden je acht bis zwölf Bewohner rund um die Uhr von vier Sozialpädagogen betreut und therapiert, wobei der spezifische Therapieansatz dahin geht, sowohl in Gruppengesprächen und Einzelbetreuung als auch in gemeinsam gelebter Gemeinschaft folgende Problemschwerpunkte mit den überwiegend Langzeit-Drogenabhängigen zu bearbeiten: Auseinandersetzung mit dem bisherigen Leben, Besprechung und Bearbeitung persönlicher Probleme und Schwierigkeiten, Erlernen des Umgangs mit Drogengefährdungssituationen, Vorbereitung auf die Schul- und Arbeitssituation durch diszipliniert einzuhaltende Handlungspläne, Entwicklung einer aktiven Freizeittätigkeit, Aufbau bzw. Aufrechterhaltung von drogenfreien Bekanntschaften, Entwicklung und konkrete Umsetzung einer Berufsperspektive.
In der zweiten Stufe der Therapie werden je 4 bis 6 Bewohner betreut und folgende Schwerpunkte bearbeitet: Bewältigung der schulischen oder beruflichen Anforderungen, Besprechung persönlicher Probleme, Entwicklung stabiler Beziehungen zu drogenfreien Menschen, Gestaltung der Freizeit, Beschäftigung von Drogengefährdungssituationen, Vorbereitung der Ablösung aus der Wohngemeinschaft.
Während der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses hat der Kläger seine Tätigkeit beanstandungsfrei, überdurchschnittlich engagiert und gut erbracht.
Der Kläger ist der Ansicht, seine Tätigkeit entspreche den Merkmalen der VergGr. IVa Fallgr. 15 BAT. Nach vierjähriger Bewährung habe er ab 1. Januar 1991 Anspruch auf Vergütung nach der VergGr. III BAT (Fallgr. 7). Da der konzeptionelle Ansatz im Projekt Jork nicht dem des herkömmlichen Verhältnisses von Therapeut zum Klienten entspreche, sondern von einem subjekt-orientierten Ansatz ausgehe, sei seine therapeutische Arbeit – in der ersten Stufe rund um die Uhr – als besonders schwierige Tätigkeit zu bewerten, weil sie besonders hohe Anforderungen an sein fachliches Können stelle. Sie hebe sich wegen ihrer Auswirkungen auf den Betroffenen, dessen Familie, Arbeitsplatz, die Versichertengemeinschaft und letztlich die Allgemeinheit aus der VergGr. IVb Fallgr. 16 BAT heraus.
Der Beklagte hält den Kläger für zutreffend eingruppiert. Er ist der Auffassung, seine Tätigkeit sei nicht besonders schwierig im Tarifsinne. Sie beschränke sich auf die Nachsorge für Suchtmittelabhängige, die den körperlichen Entzug bereits hinter sich hätten. Der Kläger benötige weder besondere Spezialkenntnisse oder Berufserfahrung in der Drogenarbeit noch werde eine Zusatzausbildung verlangt und erwartet. Seine Tätigkeit sei auch nicht durch ihre Bedeutung aus der VergGr. IVb BAT herausgehoben, denn über die konkreten Auswirkungen der Tätigkeit des Klägers gebe es keine Gewißheit. Die vom Kläger angeführten Auswirkungen seiner Arbeit könne im übrigen jeder Sozialpädagoge für seine Tätigkeit anführen.
Mit seiner Klage hat der Kläger die Feststellung der Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung von Vergütung nach der VergGr. III BAT ab 1. Januar 1991 und zur Verzinsung der monatlichen Differenzbeträge zur gewährten Vergütung erstrebt. Das Arbeitsgericht hat nach dem Klageantrag erkannt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner auf Divergenz der anzufechtenden Entscheidung zu den Urteilen des Bundesarbeitsgerichts vom 19. Oktober 1983 – 4 AZR 340/81 – AP Nr. 80 zu §§ 22, 23 BAT 1975 und vom 29. September 1993 – 4 AZR 690/92 – AP Nr. 7 zu §§ 22, 23 BAT Sozialarbeiter sowie auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssachegestützten Nichtzulassungsbeschwerde.
Entscheidungsgründe
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten hat keinen Erfolg. Die vom Beklagten behauptete Divergenz betreffend die Zulässigkeit einer Eingruppierungsfeststellungsklage außerhalb des öffentlichen Dienstes liegt nicht vor; hinsichtlich derjenigen betreffend das Heraushebungsmerkmal der “besonderen Schwierigkeit” fehlt es an der Darlegung des Beklagten, daß die anzufechtende Entscheidung auf der von ihm angeführten Abweichung beruht. Unter dem Gesichtspunkt der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache scheitert der Erfolg der Nichtzulassungsbeschwerde daran, daß die vom Beklagten aufgeworfene Rechtsfrage – Auslegung des vorgenannten Heraushebungsmerkmals – nicht klärungsbedürftig ist.
1. Die auf Divergenz gestützte Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet.
Nach § 72 Abs. 2 Nr. 2, § 72a Abs. 1 ArbGG kann die Revision vom Bundesarbeitsgericht zugelassen werden, wenn das anzufechtende Urteil von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder eines der übrigen in § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG genannten Gerichte abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Dazu ist vom Beschwerdeführer im einzelnen darzulegen, welche divergierenden abstrakten, also fallübergreifenden Rechtssätze das anzufechtende wie das angezogene Urteil aufgestellt haben und daß jedenfalls das anzufechtende Urteil auf dem abweichenden Rechtssatz beruht (BAG Beschluß vom 9. Dezember 1980 – 7 AZN 374/80 – AP Nr. 3 zu § 72a ArbGG 1979 Divergenz).
1.1 Die vom Beklagten behauptete Divergenz zur Frage der Zulässigkeit einer Eingruppierungsfeststellungsklage außerhalb des öffentlichen Dienstes liegt nicht vor. In der angezogenen Entscheidung (Urteil vom 19. Oktober 1983 – 4 AZR 340/81 –, aaO) hat der Senat lediglich Ausführungen zur Zulässigkeit einer Eingruppierungsfeststellungsklage im öffentlichen Dienst gemacht. Zur Zulässigkeit einer solchen Klage außerhalb des öffentlichen Dienstes hat er sich nicht geäußert. Es ist auch verfehlt, aus den die Zulässigkeit einer Eingruppierungsfeststellungsklage im öffentlichen Dienst annehmenden Ausführungen des Senats im angezogenen Urteil den Umkehrschluß zu ziehen, eine Eingruppierungsfeststellungsklage außerhalb des öffentlichen Dienstes sei unzulässig. Vielmehr ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats die Eingruppierungsfeststellungsklage außerhalb des öffentlichen Dienstes ebenfalls zulässig, und zwar auch hinsichtlich der Verzinsung der Vergütungsdifferenz (z.B. Urteil des Senats vom 25. Oktober 1995 – 4 AZR 531/94 – AP Nr. 21 zu § 611 BGB Kirchendienst, m.w.N.).
1.2 Bezüglich der vom Beklagten angeführten Divergenz betreffend das Heraushebungsmerkmal der “besonderen Schwierigkeit” der Tätigkeit im Sinne der VergGr. IVa Fallgr. 15 der Anl. 1a zum BAT Teil II “Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst” ist zwar zutreffend, daß das anzufechtende Urteil diese bei einer “gewichtigen Heraushebung” bei den fachlichen Anforderungen gegenüber der VergGr. IVb Fallgr. 16 BAT annimmt, während nach der ständigen Rechtsprechung des Senats, auch in der angezogenen Entscheidung (Urteil vom 29. September 1993 – 4 AZR 690/92 –, aaO), dieses Heraushebungsmerkmal “eine beträchtliche, gewichtige Heraushebung” bei den fachlichen Anforderungen verlangt. Dies allein vermag nicht zur Zulassung der Revision wegen Divergenz zu führen. Dafür ist außerdem Voraussetzung, daß jedenfalls die anzufechtende Entscheidung auf der Abweichung beruht. Dies ist vom Beklagten nicht dargetan worden. Er hat insoweit lediglich unter der Nennung dieses abstrakten Erfordernisses ausgeführt, es liege vor, ohne dies für den Streitfall zu begründen, also im einzelnen darzutun, die Klage wäre abzuweisen, wenn die Tätigkeit des Klägers an den strengeren Anforderungen gemessen würde, die der Senat bei diesem Merkmal an die fachlichen Anforderungen des Angestellten stellt.
2. Auch unter dem Gesichtspunkt der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muß die Beschwerde des Beklagten erfolglos bleiben, denn die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung.
2.1 Auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache kann eine Nichtzulassungsbeschwerde nur gestützt werden, wenn die Rechtssache eine der in § 72a Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ArbGG erschöpfend aufgeführten Rechtsstreitigkeiten betrifft. Vorliegend beruft sich der Beklagte auf die Auslegung eines Tarivertrages im Sinne von § 72a Abs. 1 Nr. 2 ArbGG. Hierunter ist die abstrakte Interpretation tariflicher Rechtsbegriffe zu verstehen. Insoweit muß der Beschwerdeführer im einzelnen darlegen, welche fallübergreifende, abstrakte Interpretation tariflicher Rechtsbegriffe das Landesarbeitsgericht vorgenommen hat und daß diese fehlerhaft oder bei der Subsumtion wieder aufgegeben worden ist (BAGE 32, 203, 208; 32, 228, 232 = AP Nr. 1 u. 2 zu § 72a ArbGG 1979 Grundsatz).
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde ist weiterhin darzulegen, daß die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Damit wird das Interesse der Allgemeinheit an der Entscheidung des Rechtsstreits gefordert. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nur dann zu bejahen, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von einer klärungsfähigen und klärungsbedürftigen Rechtsfrage abhängt und diese Klärung entweder von allgemeiner Bedeutung für die Rechtsordnung ist oder wegen ihrer tatsächlichen (z.B. wirtschaftlichen) Auswirkungen die Interessen der Allgemeinheit oder eines größeren Teils der Allgemeinheit eng berührt (BAGE 32, 203, 210 = AP Nr. 1 zu § 72a ArbGG 1979 Grundsatz; BAGE 40, 254, 256 = AP Nr. 24 zu § 72a ArbGG 1979 Grundsatz).
2.2 Es kann dahinstehen, ob der Beklagte die Auslegung eines entscheidungserheblichen tariflichen Rechtsbegriffs durch das Landesarbeitsgericht im Sinne der vorstehenden Ausführungen angreift, weiter ob der Beklagte substantiiert dargelegt hat, inwieweit die Lösung des Streitfalles von einer Rechtsfrage abhängt, deren Klärung entweder von allgemeiner Bedeutung für die Rechtsordnung ist oder wegen ihrer tatsächlichen Auswirkungen die Interessen der Allgemeinheit oder eines größeren Teils der Allgemeinheit eng berührt. Denn die von ihm zur Begründung seiner Grundsatzbeschwerde angeführte Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage im allgemeinen, wenn sie höchstrichterlich noch nicht entschieden ist oder gegen die höchstrichterliche Entscheidung neue Gesichtspunkte vorgebracht werden (BAGE 32, 203, 210). Der Senat hat in zahlreichen Entscheidungen zur Auslegung des Heraushebungsmerkmals der “besonderen Schwierigkeit” Stellung genommen, und zwar auch bei der Tätigkeit von Sozialarbeitern. Der Beklagte selbst führt zur Begründung einer Divergenz die Entscheidung des Senats vom 29. September 1993 – 4 AZR 690/92 –, aaO an. Aus jüngerer Zeit sind beispielhaft weiter die Entscheidungen des Senats vom 14. Juni 1995 – 4 AZR 271/94 – (AP Nr. 17 zu §§ 22, 23 BAT Sozialarbeiter) und vom 25. Oktober 1995 – 4 AZR 495/94 – (AP Nr. 21 zu §§ 22, 23 BAT Sozialarbeiter) zu nennen. Der Beklagte verweist im übrigen selbst zur Begründung der von ihm angenommenen grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache auf “die Entscheidungen des BAG in ähnlich gelagerten Fällen”. Mit diesen ist er offenbar einverstanden; er hat jedenfalls dagegen keine neuen Gesichtspunkte vorgetragen.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
IV. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO i.V.m. § 12 Abs. 7 Satz 2 ArbGG. Sie entspricht dem Wert des dreijährigen Unterschiedsbetrages zwischen gewährter und begehrter Vergütung (monatliche Vergütungsdifferenz 719,04 DM multipliziert mit 36, ergibt 25.885,44 DM). Die Beteiligten haben bei ihrer Anhörung zur beabsichtigten Wertfestsetzung im Beschwerdeverfahren dagegen auch keine Einwände erhoben.
Unterschriften
Schaub, Schneider, Bott, Hecker, Fieberg
Fundstellen