Entscheidungsstichwort (Thema)
Zahl der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer
Leitsatz (amtlich)
- Die Ermittlung der regelmäßigen Belegschaftsstärke, von der die Sozialplanpflichtigkeit einer Betriebsänderung nach § 111 BetrVG abhängt, erfordert im allgemeinen eine wertende Gesamtwürdigung, die auch eine Prognose der weiteren Entwicklung des Betriebs einschließt. Ist die Betriebsänderung hingegen mit einem Personalabbau verbunden, so kann sich die erforderliche Würdigung nur auf die vorangehende Entwicklung beziehen.
- Als die zur Zeit eines Stillegungsbeschlusses maßgebliche Zahl der in der Regel Beschäftigten kann auch eine erst zwei Monate vorher erreichte Belegschaftsstärke anzusehen sein, wenn diese das Ergebnis längerfristiger personalwirtschaftlicher Entscheidungen des Arbeitgebers ist.
Normenkette
BetrVG § 111
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Bremen vom 24. Januar 1996 – 2 TaBV 11/95 – wird zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit eines Sozialplans, der von einer Einigungsstelle aufgestellt wurde.
Die Arbeitgeberin betrieb im Hafen von Bremen seit Jahrzehnten eine Stauerei. Auf die Arbeitsverhältnisse der dort zuletzt beschäftigten Arbeitnehmer wurden, wie die Beteiligten in der mündlichen Anhörung vor dem Senat übereinstimmend erklärten, der Rahmentarifvertrag für die Hafenarbeiter der deutschen Seehafenbetriebe sowie als dessen Bestandteil die “Sonderbestimmungen für die Häfen im Lande Bremen” angewandt. Nach § 37 Nr. 1 der Sonderbestimmungen gelten entsprechend der Dauer der Betriebszugehörigkeit und dem Lebensalter der Arbeitnehmer gestaffelte Kündigungsfristen von bis zu neun Monaten zum Ende eines Kalenderhalbjahres; bei Anwendung von Sozialplänen beträgt die Kündigungsfrist allerdings nur einen Monat zum Monatsende.
In den letzten Jahren ging die Größe der Belegschaft zurück. Nachdem die Arbeitgeberin im Januar 1991 noch 26 Arbeitnehmer beschäftigt hatte, waren es Ende 1992 nur noch 22. Von diesen schieden aufgrund von Aufhebungsverträgen, die im ersten Quartal 1992 abgeschlossen worden waren, drei zum Jahresende aus. Einer der danach am 1. Januar 1993 verbliebenen 19 Arbeitnehmer ging im Januar 1993 in Rente. Nachdem in der Folgezeit noch ein weiterer Arbeitnehmer ausgeschieden war, gehörten dem Betrieb am 28. Februar 1993 noch 17 Arbeitnehmer an. Die Stärke der Belegschaft entsprach allerdings nicht immer dem Volumen der im Betrieb anfallenden Arbeit. Entsprechend der im Hafen Bremen allgemein geübten Praxis entlieh die Arbeitgeberin immer wieder kurzzeitig Arbeitnehmer anderer Unternehmen und verlieh ihrerseits eigene Arbeitnehmer an andere Stauereibetriebe.
Der Umsatz der Arbeitgeberin sank von 5,73 Mio DM im Jahr 1991 auf 4 Mio DM im Jahr 1992. Für 1993 erwartete sie einen weiteren Rückgang auf 3 bis 3,5 Mio DM. Ende Januar 1993 teilte ihre Hauptkundin, die Reederei F… mit, daß sie ab Mai 1993 Bremen nicht mehr anlaufen werde. Daraufhin beschloß die Arbeitgeberin Ende Februar 1993, zum 30. April dieses Jahres den operativen Bereich stillzulegen und alle Arbeitnehmer zu entlassen. In der Folgezeit, der genaue Zeitpunkt ist nicht festgestellt, kündigte sie sämtlichen Arbeitern mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende. Die Arbeitgeberin führt seither ihre Geschäftstätigkeit in der Weise fort, daß sie für die verbliebenen Kunden Ladearbeiten durch andere Unternehmen erledigen läßt. Zu diesem Zweck beschäftigt sie noch einen Angestellten.
Alle entlassenen Arbeitnehmer erhoben Kündigungsschutzklagen mit der Begründung, die Arbeitgeberin hätte die verlängerten Kündigungsfristen nach den “Sonderbestimmungen” beachten müssen. Bei Ausspruch der Kündigungen habe nämlich noch kein Sozialplan bestanden. Im Hinblick auf das vorliegende Verfahren ruhen diese Prozesse. Nach längeren ergebnislosen Verhandlungen beschloß eine Einigungsstelle am 3. Mai 1994 einen Sozialplan, der für die entlassenen Arbeitnehmer Abfindungen mit einem Gesamtvolumen von 650.000,00 DM vorsieht.
Die Arbeitgeberin hat die Auffassung vertreten, der Sozialplan sei unwirksam. Der Einigungsstelle habe die Zuständigkeit gefehlt, da der Betrieb zum Zeitpunkt des Stillegungsbeschlusses nicht mehr sozialplanpflichtig gewesen sei. Die Zahl der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer habe unter 21 gelegen. Angesichts des kontinuierlichen Umsatzrückgangs habe auch nicht damit gerechnet werden können, daß sich die Arbeitnehmerzahl wieder erhöhen werde. Selbst wenn die Stillegung aber sozialplanpflichtig gewesen sein sollte, wäre der Sozialplan deshalb unwirksam, weil die Einigungsstelle nicht auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit für das Unternehmen geachtet habe. Ein Volumen von 650.000,00 DM sei angesichts der Verluste des Unternehmens weit überhöht und von ihr, der Arbeitgeberin, in den Verhandlungen auch nicht angeboten worden.
Die Arbeitgeberin hat beantragt
festzustellen, daß der auf dem Beschluß der Einigungsstelle vom 3. Mai 1994 beruhende Sozialplan vom 3. Mai 1994 unwirksam ist.
Der Betriebsrat hat beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Nach seiner Meinung ist der Sozialplan wirksam. Die Einigungsstelle sei zuständig gewesen, da die Zahl der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer über 20 gelegen habe. Im Zeitpunkt des Stillegungsbeschlusses sei diese Zahl erst seit kurzer Zeit unterschritten gewesen. Die weitere Entwicklung dürfe nicht berücksichtigt werden. Bei der Dotierung des Sozialplans habe die Einigungsstelle ihr Ermessen nicht überschritten. Die Arbeitgeberin habe während der Verhandlungen über den Sozialplan selbst erklärt, daß sie bereit sei, hierfür 650.000,00 DM zur Verfügung zu stellen. Außerdem sei die Belastung der Arbeitgeberin geringer als dargestellt, denn die Arbeitnehmer seien für den Fall, daß sie mit den im Sozialplan vorgesehenen Abfindungen rechnen könnten, zur Hinnahme der Kündigungen mit der abgekürzten Frist bereit. Hierdurch werde die Arbeitgeberin in erheblichem Umfang von Verzugslohnforderungen befreit.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag der Arbeitgeberin entsprochen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit dieser verfolgt der Betriebsrat seinen Abweisungsantrag weiter. Die Arbeitgeberin beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
B. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Der Sozialplan ist unwirksam. Die Vorinstanzen haben zutreffend erkannt, daß ein Sozialplan nicht nach § 112 Abs. 4 BetrVG erzwingbar war.
I. Es liegt allerdings eine Betriebsänderung i.S. des § 111 BetrVG vor.
Die Vorinstanzen sind ohne weiteres von einer Stillegung des ganzen Betriebs ausgegangen. Insoweit könnten sich Zweifel daraus ergeben, daß die Arbeitgeberin bisherige Kunden weiterhin betreut und auch noch einen Angestellten beschäftigt. Diese Zweifel können dahinstehen. Selbst wenn man einen Fortbestand des Betriebes annimmt, so ist doch mit dem gesamten operativen Bereich dessen weit überwiegender Teil stillgelegt worden (§ 111 Satz 2 Nr. 1 BetrVG). Gleichzeitig hat sich der Betriebszweck grundlegend geändert (§ 111 Satz 2 Nr. 4 BetrVG), denn die Arbeitgeberin übt selbst keine Stauereitätigkeit mehr aus, sondern vermittelt jetzt entsprechende Dienstleistungen anderer Unternehmen.
II. In revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise hat das Landesarbeitsgericht angenommen, die Betriebsänderung sei nicht sozialplanpflichtig gewesen, weil die Belegschaft nicht mehr die nach § 111 Satz 1 BetrVG erforderliche Stärke von in der Regel mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern aufgewiesen habe.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (zuletzt Beschluß vom 9. Mai 1995 – 1 ABR 51/94 – AP Nr. 33 zu § 111 BetrVG 1972, zu B II 1 der Gründe) ist bei der Ermittlung der Zahl der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer von dem Zeitpunkt auszugehen, in dem die fraglichen Beteiligungsrechte entstehen. Das ist im Fall der Betriebsstillegung der Stillegungsbeschluß, der hier Ende Februar 1993 gefaßt worden ist. Allerdings ist für die Bestimmung der regelmäßigen Beschäftigtenzahl nicht entscheidend, wieviele Arbeitnehmer dem Betrieb zufällig zu dieser Zeit angehören. Vielmehr ist auf die normale Zahl der Beschäftigten abzustellen, also auf die Personalstärke, die für den Betrieb im allgemeinen kennzeichnend ist. Dies erfordert regelmäßig sowohl einen Rückblick als auch eine Prognose.
Im Fall der Stillegung des gesamten Betriebs oder eines Betriebsteils kann allerdings im allgemeinen nur ein Rückblick auf die bisherige Belegschaftsstärke in Betracht kommen. Gehört zur Betriebsänderung eine Verringerung der Belegschaft, so liegt gerade hierin der Nachteil, der die in den §§ 111 ff. BetrVG vorgesehenen Beteiligungsrechte auslösen soll. Der fragliche Personalabbau kann daher nicht zugleich die Anwendung der genannten Vorschriften ausschließen, nur weil durch ihn die erforderliche Arbeitnehmerzahl unterschritten wird. Eine Prognose der Belegschaftsentwicklung zur Feststellung der Zahl der regelmäßig Beschäftigten verbietet sich im Fall betriebsändernder Personalreduzierungen selbst dann, wenn dabei die fragliche Betriebsänderung außer Betracht gelassen würde. Eine derartige Prognose müßte nämlich folgerichtig auch die Gründe, die zur Betriebsänderung geführt haben, ausblenden und damit auf eine Entwicklung abstellen, die mit den tatsächlichen Gegebenheiten nichts zu tun hätte. Schließlich erscheint es, sofern nicht außergewöhnliche Umstände vorliegen, auch nicht zulässig, bei der Ermittlung der betrieblichen Normalität noch den Personalstand in der Zeit zwischen dem Stillegungsbeschluß und dessen tatsächlicher Durchführung zu berücksichtigen. Üblicherweise wirkt sich nämlich der Umstand, daß ein entsprechender Beschluß gefaßt worden ist, schon vor dessen Umsetzung hemmend auf den weiteren Geschäftsverlauf aus.
Wie weit der danach im Fall einer Stillegung anzustellende Rückblick in die Vergangenheit zu reichen hat, kann nicht für alle Fälle gleichermaßen in einer bestimmten Zahl von Zeiteinheiten ausgedrückt werden. Vielmehr kann der normale Personalbestand nur anhand derjenigen Gegebenheiten ermittelt werden, die im Einzelfall die Entwicklung des Betriebs kennzeichnen. Dabei ist zum einen zu berücksichtigen, daß der Begriff “in der Regel” ein zeitliches Element enthält, so daß für einen als normal anzusehenden Personalbestand eine gewisse Dauer zu fordern ist. Zum anderen hängt die Beurteilung, welche Belegschaftsstärke für den Betrieb kennzeichnend ist, auch von personalwirtschaftlichen Entscheidungen des Arbeitgebers ab. In diesem Zusammenhang können auch Prognosen eine Rolle spielen, die bereits vor dem Beschluß über die Betriebsänderung und unabhängig von diesem aufgrund früherer Entwicklungen getroffen worden sind.
Hieraus folgt beispielsweise dann, wenn der Betriebsstillegung ein kontinuierlicher Abbau der Belegschaft in kurz aufeinander folgenden Schritten unmittelbar vorangegangen ist, daß dieser Personalabbau für den Rückblick auf die bisherige Belegschaftsstärke unbeachtlich sein muß, weil er lediglich als gleitender Übergang von der normalen Arbeitnehmerzahl zur Stillegung zu betrachten ist. Dient die Verminderung der Belegschaft dagegen der Rationalisierung, um den Betrieb in eingeschränktem Umfang fortführen zu können, und stabilisiert sich der Personalbestand zunächst auf niedrigerem Niveau, so ergibt sich daraus eine neue, den Betrieb kennzeichnende regelmäßige Personalstärke. Von dieser ist auszugehen, wenn später dann doch weitere Einschränkungen des Betriebs oder sogar die völlige Schließung erforderlich werden, weil sich die an die Rationalierung geknüpften Erwartungen nicht erfüllt haben.
2. Diese Grundsätze hat das Landesarbeitsgericht im wesentlichen zutreffend angewandt.
a) Das Landesarbeitsgericht hat den festgestellten Sachverhalt dahingehend gewürdigt, daß die regelmäßige Zahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer des Betriebs im Zeitpunkt des Stillegungsbeschlusses nicht mehr über 20 gelegen habe. Diese Würdigung unterliegt in der Rechtsbeschwerdeinstanz nur einer eingeschränkten Nachprüfung. Der Begriff “in der Regel” ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, bei dessen Anwendung auf den Einzelfall dem Tatsachengericht ein Beurteilungsspielraum zukommt. Infolgedessen kann das Rechtsbeschwerdegericht nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (z.B. Senatsurteil vom 2. April 1996 – 1 AZR 743/95 – AP Nr. 34 zu § 95 BetrVG 1972, zu I 2b aa der Gründe) nur prüfen, ob das Beschwerdegericht den unbestimmten Rechtsbegriff richtig erkannt, bei der Subsumtion des Einzelfalles beibehalten, nicht gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen und alle erheblichen Umstände berücksichtigt hat.
b) Der eingeschränkten Überprüfung hält der angefochtene Beschluß stand.
aa) Zunächst ist das Landesarbeitsgericht zu Recht davon ausgegangen, daß die bis Ende 1992 vorhandene Belegschaftsstärke von über 20 Arbeitnehmern nicht etwa deshalb als normal – bezogen auf den Zeitpunkt des Stillegungsbeschlusses – anzusehen ist, weil die Stillegung lediglich den Endpunkt eines bereits 1992 eingeleiteten Personalabbaus dargestellt hätte. Hier hat kein derartiger gleitender Übergang stattgefunden. Der Beschluß über die Stillegung ist vielmehr erst durch ein Ende Januar 1993 eingetretenes neues Ereignis, nämlich den Wegfall des bisher wichtigsten Kunden F…, veranlaßt worden.
bb) Auch die weiteren Erwägungen, auf die das Landesarbeitsgericht seine Würdigung gestützt hat, weisen keine für die Entscheidung erheblichen Fehler auf.
(1) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, im vorliegenden Fall einer Stillegungsentscheidung sei zur Ermittlung der Beschäftigtenzahl neben dem Rückblick auch eine Prognose erforderlich. Dabei hat es entscheidend darauf abgestellt, ob nach dem Unterschreiten der in § 111 BetrVG geforderten Arbeitnehmerzahl Anfang 1993 ein neuer normaler Personalbestand erreicht war, oder ob vielmehr in diesem Zeitpunkt mit einem Zuwachs auf über 20 Arbeitnehmer gerechnet werden konnte. Letzteres hat es mit der Begründung verneint, aufgrund der rückläufigen Geschäftsentwicklung in den beiden vorangegangenen Jahren habe sich die Arbeitgeberin für 1993 auf weitere Umsatzeinbußen eingestellt.
Insoweit können bei der Ermittlung der Zahl der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer nach den dargestellten Grundsätzen auch im Fall einer Stillegung die Erwartungen eine Rolle spielen, die vor dem Ereignis bestanden, das zum Stillegungsbeschluß geführt hat. Vermindert sich die Belegschaft im Verlauf einer über längere Zeit rückläufigen Geschäftsentwicklung auf weniger als 21 Arbeitnehmer, und geschieht dies, wie im vorliegenden Fall, durch über neun Monate vorher getroffene Personalmaßnahmen, so kommt darin eine lange vor dem Stillegungsbeschluß getroffene Prognose zum Ausdruck, der normale Arbeitskräftebedarf werde entsprechend sinken. Fehlen Anhaltspunkte für eine gegenläufige Entwicklung, so ist eine tatrichterliche Würdigung nicht zu beanstanden, nach der diese Belegschaftsstärke als für den Betrieb kennzeichnend anzusehen ist, obwohl sie zur Zeit des Stillegungsbeschlusses nur zwei Monate bestand.
(2) Allerdings hat das Landesarbeitsgericht weitergehend den Rechtssatz aufgestellt, in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem das Unternehmen – wenn auch in veränderter Form – gegenüber seinen Kunden die bisherige Funktion als Anbieter von Leistungen beibehalten wolle, sei bei der Ermittlung der Zahl der in der Regel Beschäftigten auch eine Prognose der nach dem Stillegungsbeschluß zu erwartenden Entwicklung anzustellen. Insoweit ist dem Landesarbeitsgericht nicht zu folgen, denn aus einer veränderten Geschäftstätigkeit, die den fraglichen Personalabbau gerade voraussetzt, ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, welche Belegschaftsstärke zur Zeit der Entscheidung über die Betriebsänderung als normal zu betrachten war.
Dieser Fehler ist indessen im Ergebnis ohne Bedeutung. Das Landesarbeitsgericht hat entscheidend lediglich auf die unter (1) dargestellten, zutreffenden Erwägungen abgehoben. Die Entwicklung in der Zeit von März bis Mai 1993, also zwischen dem Stillegungsbeschluß und dessen Umsetzung, hat dagegen für die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, dem Betrieb der Arbeitgeberin hätten nicht mehr als in der Regel 20 Arbeitnehmer angehört, keine erkennbare Bedeutung erlangt.
(3) Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht im Zusammenhang mit der Ermittlung der regelmäßigen Belegschaftsstärke auch berücksichtigt, daß die Arbeitgeberin häufig Arbeitnehmer von anderen Betrieben entliehen und ihrerseits eigene Arbeitnehmer verliehen hat. Der Berücksichtigung dieser “Leihschichten” steht entgegen, daß für die Ermittlung der Betriebsgröße nach § 111 BetrVG die Zahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer maßgeblich ist. Die geliehenen Arbeitnehmer waren im Betrieb der Arbeitgeberin nicht wahlberechtigt, ebenso wie die verliehenen ihr Wahlrecht nicht verloren. In einem Betrieb wie dem hier betroffenen, in dem das Ver- und Entleihen von Arbeitnehmern zum Ausgleich der üblichen Beschäftigungsschwankungen alltäglich ist, kann allein aus diesen Leihvorgängen nicht darauf geschlossen werden, wie sich die Zahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer künftig entwickeln wird.
Dieser Fehler ist im Ergebnis jedoch unschädlich. Für die angefochtene Entscheidung waren die “Leihschichten” nicht erheblich. Das Landesarbeitsgericht hat insoweit nur die Argumentation des Betriebsrats aufgegriffen und ist auch unter Berücksichtigung des Arbeitsvolumens der “Leihschichten” zu einer Zahl von 19 Arbeitnehmern gelangt. Diese Belegschaftsstärke ist nicht geringer als diejenige, die sich ergibt, wenn allein auf die Zahl der Wahlberechtigten abgestellt wird.
III. Da die Betriebsänderung nicht sozialplanpflichtig war, bedarf die zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob die Einigungsstelle die Grenzen ihres Ermessens überschritten hat, keiner Beantwortung.
Unterschriften
Dieterich, Rost, Wißmann, Schneider, Münzer
Fundstellen
Haufe-Index 885433 |
NWB 1997, 1715 |
NZA 1997, 733 |
SAE 1998, 123 |
AP, 0 |