Entscheidungsstichwort (Thema)
Ordnungsgemäße Unterzeichnung der Berufungsschrift
Orientierungssatz
Parallelsache zu BAG Beschluß vom 11.08.1987, 7 AZB 17/87.
Verfahrensgang
LAG Niedersachsen (Entscheidung vom 04.06.1987; Aktenzeichen 10 Sa 766/86) |
ArbG Hannover (Entscheidung vom 04.02.1986; Aktenzeichen 11 Ca 293/85) |
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Frage, ob zwischen ihnen ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Gegen dieses ihm am 21. März 1986 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 16. April 1986 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 15. April 1986 Berufung eingelegt. Das Diktatzeichen lautet: "f-k".
Die Berufungsschrift ist von Rechtsanwalt K wie folgt unterzeichnet worden: "i.V. Joachim K ". Daneben bzw. darunter steht in Maschinenschrift:
"Detlef F
Rechtsanwalt".
Die beglaubigte Abschrift enthält neben dem genannten maschinenschriftlichen Abschluß den von Rechtsanwalt K abgezeichneten Beglaubigungsvermerk zwecks Zustellung. In der einfachen Abschrift findet sich über dem genannten maschinenschriftlichen Vermerk der Stempelaufdruck "gez. F ".
Auf eine entsprechende Anfrage des Landesarbeitsgerichts vom 17. April 1986 teilten die Rechtsanwälte F und K mit Schriftsatz vom 7. Mai 1986 mit, die Berufungsschrift sei ausweislich des Diktatzeichens von Rechtsanwalt F diktiert worden. Da Rechtsanwalt F an der Unterschriftsleistung gehindert gewesen sei, habe Rechtsanwalt K den Berufungsschriftsatz unterzeichnet.
Das Landesarbeitsgericht hat durch Beschluß vom 4. Juni 1987 die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen und die Revisionsbeschwerde zugelassen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, Rechtsanwalt K habe nicht deutlich gemacht, daß er für die ausweislich des Diktatzeichens und maschinenschriftlicher Unterschrift von Rechtsanwalt F verfaßte Berufungsschrift die inhaltliche Verantwortung trage. Die von ihm geleistete Unterschrift sei "rein formaler Art" und daher nicht genügend.
II. Die nach § 77 ArbGG in Verb. mit § 519 b Abs. 2 ZPO zulässige Revisionsbeschwerde des Klägers ist begründet.
Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, die Berufungsschrift entspreche nicht der gesetzlichen Form, weil Rechtsanwalt K nicht hinreichend deutlich gemacht habe, daß er die inhaltliche Verantwortung für den Berufungsschriftsatz trage.
1. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren müssen Berufungs- und Berufungsbegründungsschrift von einem nach § 11 Abs. 2 ArbGG postulationsfähigen Prozeßbevollmächtigten handschriftlich und eigenhändig unterzeichnet sein (BAG Urteil vom 29. Juli 1981 - 4 AZR 632/79 - AP Nr. 46 zu § 518 ZPO m.w.N.). Fehlt es hieran, so ist das Rechtsmittel unzulässig (BAG Urteil vom 30. Mai 1978 - 1 AZR 664/75 - AP Nr. 42 zu § 518 ZPO). Ein durch Telekopie eingelegtes Rechtsmittel muß die Unterschrift des Absenders wiedergeben (BAG Beschluß vom 14. Januar 1986 - 1 ABR 86/83 - AP Nr. 2 zu § 94 ArbGG 1979; BSG Beschluß vom 28. Juni 1985 - 7 BAr 36/85 - AP Nr. 1 zu § 160 a SGG). Auf das Erfordernis einer eigenhändigen Unterschrift des Prozeßbevollmächtigten haben die obersten Gerichtshöfe des Bundes (BGH Beschluß vom 29. April 1960 - 1 StR 114/60 - NJW 1960, 1310; BFHE 92, 438; BSG Urteil vom 19. Oktober 1977 - IV RJ 31/77 - USK 77217; BAG Beschluß vom 14. Januar 1986 - 1 ABR 86/83 - AP Nr. 2 zu § 94 ArbGG 1979, unter B 2 a der Gründe) in Fortführung der Rechtsprechung des Reichsgerichts (RGZ 139, 45) lediglich - wegen der objektiven Unmöglichkeit - bei der Einlegung von Rechtsmitteln durch Telegramm verzichtet.
Die eigenhändige Unterschrift soll dem Nachweis dienen, daß das Rechtsmittel von einer Person, die nach der maßgeblichen Prozeßordnung befähigt und befugt ist, Prozeßhandlungen vorzunehmen, in eigener Verantwortung eingelegt bzw. begründet wird (BAG Urteil vom 28. März 1977 - 3 AZR 652/76 - AP Nr. 38 zu § 518 ZPO; BGH Beschluß vom 20. Dezember 1965 - VIII ZB 33/65 - LM Nr. 3 zu § 518 Abs. 4 ZPO; BGH Urteil vom 4. Juni 1975 - I ZR 114/74 - NJW 1975, 1705; BGH Beschluß vom 22. Dezember 1970 - VI ZB 18/70 - VersR 1971, 373).
Im Streitfall hat ein nach § 11 Abs. 2 ArbGG postulationsfähiger Prozeßbevollmächtigter den Berufungsschriftsatz handschriftlich und eigenhändig unterzeichnet. Rechtsanwalt K ist Mitglied der vom Kläger mit der Prozeßführung beauftragten Anwaltskanzlei. Er ist damit ebenso wie der ebenfalls dieser Anwaltskanzlei angehörende Rechtsanwalt F Prozeßbevollmächtigter des Klägers. Beide Rechtsanwälte sind im arbeitsgerichtlichen Verfahren nach § 11 Abs. 2 ArbGG postulationsfähig.
Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts kann nicht angenommen werden, daß Rechtsanwalt K nicht die inhaltliche Verantwortung für den Berufungsschriftsatz habe übernehmen wollen. Es ist regelmäßig davon auszugehen, daß ein Prozeßbevollmächtigter mit seiner Unterschrift auch für den Inhalt eines bestimmenden Schriftsatzes die Verantwortung übernimmt (BAG Urteil vom 28. März 1977 - 3 AZR 652/76 - AP Nr. 38 zu § 518 ZPO, unter II der Gründe; BAGE 4, 63, 65 = AP Nr. 1 zu § 19 BetrVG 1952; BAGE 11, 130 ff. = AP Nr. 15 zu § 519 ZPO). Denn der Sinn einer solchen Unterzeichnung ist durchweg, daß der Unterzeichner für den Inhalt des von ihm unterzeichneten Schriftstücks geradestehenden will (BAGE 11, 130, 132 = AP Nr. 15 zu § 519 ZPO; BGHZ 37, 156; BGH Urteil vom 20. April 1972 - VII ZR 120/71 - VersR 1972, 787). Das äußere Merkmal der Unterschrift eines Prozeßbevollmächtigten reicht daher regelmäßig aus, ohne daß ein darüber hinaus gehender Nachweis zu fordern wäre.
Davon ist auch im vorliegenden Fall auszugehen. Daß sich neben der eigenhändigen Unterschrift des Prozeßbevollmächtigten K zugleich noch die maschinenschriftliche Unterschrift "Detlef F Rechtsanwalt" sowie vor der Unterschrift des Prozeßbevollmächtigten K noch der handschriftliche Zusatz "i.V." befinden, stellt kein eindeutiges Indiz dafür dar, daß Rechtsanwalt K hierdurch zum Ausdruck bringen wollte, nicht die inhaltliche Verantwortung für den von ihm eigenhändig unterzeichneten Berufungsschriftsatz zu übernehmen.
Die Rechtslage unterscheidet sich im Streitfall von den Fällen, in denen eine nicht zur Prozeßführung bevollmächtigte Person in Vertretung des Prozeßbevollmächtigten eine Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsschrift eigenhändig unterzeichnet. Auch in den Fällen der zuletzt genannten Art ist die Unterzeichnung der Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsschrift durch einen Vertreter des Prozeßbevollmächtigten zulässig, wenn der Unterzeichnende zur Vertretung befugt ist (BGH Beschluß vom 19. Februar 1976 - VII ZB 1/76 - VersR 1976, 689; BGH Beschluß vom 24. März 1976 - VIII ZB 4/76 - VersR 1976, 830; BAG Urteil vom 28. März 1977 - 3 AZR 652/76 - AP Nr. 38 zu § 518 ZPO; BAG Urteil vom 26. Juli 1967 - 4 AZR 172/66 - AP Nr. 11 zu § 518 ZPO; Wieczorek/Rössler, ZPO, 2. Aufl., § 518 Anm. B I b; Zöller/Schneider, ZPO, 15. Aufl., § 518 Rz 25). Bei den nicht zur Prozeßführung bevollmächtigten Personen, die lediglich als Vertreter (z. B. als allgemein bestellter Vertreter nach § 53 BRAO) oder in Untervollmacht für den Prozeßbevollmächtigten handeln, kann es eher zweifelhaft sein, ob sie mit ihrer Unterschrift auch die inhaltliche Verantwortung für eine nicht von ihnen verfaßte Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsschrift übernehmen wollen.
Hat dagegen - wie hier - ein zum Kreis der Prozeßbevollmächtigten gehörender Rechtsanwalt in seiner Eigenschaft als Mitglied der bevollmächtigten Anwaltskanzlei eine von einem anderen Prozeßbevollmächtigten abgefaßte Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsschrift unterzeichnet, so ist in der Regel davon auszugehen, daß er auch die Verantwortung für den Inhalt dieser fristwahrenden bestimmenden Schriftsätze übernimmt. Ob dies auch gilt, wenn ein nicht im Briefkopf erwähnter oder in der Prozeßvollmacht nicht als Prozeßbevollmächtigter ausgewiesener Rechtsanwalt gehandelt hat, kann hier dahinstehen. Die im Streitfall vorliegenden hand- und maschinenschriftlichen Zusätze bringen lediglich zum Ausdruck, daß die Berufungsschrift von dem - an der Unterschriftsleistung verhinderten - Prozeßbevollmächtigten F abgefaßt ist. Derartige hand- und maschinenschriftliche Zusätze können in den Fällen der vorliegenden Art aber nicht dahin verstanden werden, daß damit der unterzeichnende - postulationsfähige - und ebenfalls zur Prozeßführung bevollmächtigte kanzleiangehörige Rechtsanwalt zweifelsfrei zum Ausdruck bringen will, trotz eigenhändiger Unterschriftsleistung nicht die inhaltliche Verantwortung für die Berufungsschrift zu übernehmen. Da derartige Zusätze im Zusammenhang mit der Unterschrift zu Fehlinterpretationen Anlaß geben können, sollten in der Praxis entsprechende Sachbearbeitervermerke anderweitig zum Ausdruck gebracht werden (z. B. im Diktatzeichen).
2. Da der Kläger somit eine formgerechte Berufung eingelegt hat, die auch im übrigen zulässig ist, war der Beschluß des Landesarbeitsgerichts aufzuheben und der Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens überlassen ist.
Dr. Becker Schliemann Dr. Steckhan
Fundstellen