Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitbestimmung bei Einstellung. Aufhebung der Beschäftigung von Mitarbeitern einer Fremdfirma
Normenkette
BetrVG §§ 99, 101
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 7. November 2000 –13 TaBV 52/00 – wird zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
A. Die Beteiligten streiten über die Aufhebung der Beschäftigung von Mitarbeitern einer Fremdfirma durch die Arbeitgeberin.
Die Arbeitgeberin betreibt mit etwa 250 Arbeitnehmern Eisenguß. Die sog. Tauchgrundierung (Farbgebung und Korrosionsschutz) wird in einem eigenen Raum des Betriebes verrichtet; dort werden die Teile in Behälter mit den entsprechenden Farben getaucht. Bis zum 31. Januar 2000 setzte die Arbeitgeberin ihren Arbeitnehmer R. einschichtig zu dieser Tätigkeit ein. Im Bedarfsfall wurde in einer zweiten Schicht entweder ein weiterer Arbeitnehmer der Arbeitgeberin oder ein Leiharbeitnehmer beschäftigt. Der Mitarbeiter R. ist zum 31. Januar 2000 aus Altersgründen aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden. Seit dem 1. Februar 2000 wird die Tauchgrundierung von einem oder mehreren Mitarbeitern der Firma I. durchgeführt.
Die Firma I. ist ein Unternehmen der Industrie-Reinigung, das bereits seit März 1996 auf Grund eines Werkvertrages Reinigungsarbeiten im Bereich der Gießerei der Arbeitgeberin durchführt. Hinsichtlich der Tauchgrundierungsarbeiten ist ein Werkvertrag unter dem Datum 17. Januar 2000 abgeschlossen worden, der ua. wie folgt lautet:
„Werksvertrag
Zwischen der Firma J. und der Firma I. OHG wird folgender Werksvertrag geschlossen.
Die Firma J. vergibt die Hilfsarbeiten Farbmarkierung von Gußteilen komplett an die Firma I. OHG.
Die Firma J. stellt für diesen Auftrag einen getrennten Raum zur Verfügung.
Mitarbeiter der Firma J. sind gegenüber Mitarbeitern der Firma I. nicht weisungsbefugt. Dies unterliegt einzig den Vorgesetzten der Firma I..
Obwohl ausdrücklich die Mitarbeiter der Firma I. nicht in den Organisationsablauf der Firma J. integriert werden, erfolgt eine Erfassung der geleisteten Arbeitsstunden aus Vereinfachungsgründen über das Zeiterfassungssystem der Firma J.
Die erfaßten Daten werden ausschließlich für die Abrechnung zwischen der Firma I. und der Firma J. verwendet und erscheinen nicht in den Abrechnungslisten der Firma J.
Die zu markierenden Teile werden von F. J. angeliefert und abgeholt.
Die Vergabe erfolgt zum Festpreis von wöchentlich 1.280,00 DM plus der gesetzlichen Mehrwertsteuer.
Der Preis entspricht dem Auftragsvolumen von ca. 40 Stunden.
Sollte sich das Auftragsvolumen ändern, sei es durch Kurzarbeit oder Mehrarbeit der Firma J., wird entsprechend abgerechnet.
Reklamationen sind direkt an den Auftragnehmer zu richten. Der Auftrag beginnt am 01.02.2000.”
Der Mitarbeiter der Firma I. holt mit einem Gabelstapler der Arbeitgeberin die zu bearbeitenden Teile vom Lagerplatz, erledigt die Tauchgrundierarbeiten und bringt die bearbeiteten Teile wieder an den Lagerplatz zurück. Der Mitarbeiter der Firma I. arbeitet weitgehend parallel zu den im Betrieb geltenden Arbeitszeiten, hat jedoch eine um eine Stunde längere Arbeitszeit. Die Arbeitshandschuhe werden von der Firma I. zur Verfügung gestellt. Die Anweisungen nach § 20 Gefahrstoffverordnung sowie der Aushang der Sicherheitsdatenblätter erfolgen durch die beteiligte Arbeitgeberin. Die Firma I. verfügt über einen Bereichsschlüssel der Gießerei für ihren Mitarbeiter, damit er den Bereich der Tauchgrundierung auch außerhalb der betrieblichen Arbeitszeit der Arbeitgeberin aufsuchen kann. Er erhält die erforderlichen Informationen aus dem ihm zur Verfügung gestellten PC und den Begleitschreiben, die den Kisten bzw. Gitterboxen mit den zu bearbeitenden Werkstücken beigefügt sind. Benötigt der Mitarbeiter der I. neue Farbe, so wendet er sich an Mitarbeiter der Arbeitgeberin, die die Farbe besorgen. Mitarbeiter der Arbeitgeberin bestimmen die Reihenfolge, in der die Kommissionen zu erledigen sind. Falls mehr Teile zu bearbeiten sind, als der Mitarbeiter der Firma I. in der regelmäßigen Arbeitszeit bewältigen kann, obliegt es der Firma I., entweder Überstunden anzuordnen oder weitere Mitarbeiter einzusetzen. Die Firma I. entscheidet selbst, wen sie einsetzt, insbesondere bei Vertretungsfällen während des Urlaubs oder einer Krankheit des zunächst eingesetzten Mitarbeiters.
Der Betriebsrat meint, bei der Beschäftigung des Mitarbeiters der Firma I. liege eine mitbestimmungspflichtige Einstellung in Form von Leiharbeit vor. Die Firma I. bringe für die Arbeit in der Tauchgrundierung keine Voraussetzungen mit. Sie stelle lediglich eine Person.
Der Betriebsrat hat beantragt,
den Arbeitgeber zu verpflichten, die Beschäftigung der im Rahmen eines Vertrages mit der Firma I. OHG eingesetzten und mit „Hilfsarbeiten Farbmarkierung” beschäftigten Arbeitnehmer aufzuheben.
Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Antrag abzuweisen.
Sie meint, die Firma I. werde auf Grund eines Werkvertrages tätig. Eine Einstellung i.S.v. § 99 BetrVG liege daher nicht vor. Bei allen Fragen, Unstimmigkeiten und Problemen wende sich der Mitarbeiter an die Firma I.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat seinen Antrag weiter. Die Arbeitgeberin bittet, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben den Antrag des Betriebsrats zu Recht abgewiesen.
Allerdings kann der Betriebsrat nach § 101 BetrVG verlangen, daß dem Arbeitgeber aufgegeben wird, eine personelle Maßnahme aufzuheben, die er ohne die erforderliche Zustimmung des Betriebsrats durchgeführt hat. Es ist jedoch revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Landesarbeitsgericht angenommen hat, eine mitbestimmungspflichtige personelle Maßnahme i.S.d. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG liege nicht vor. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats folgt weder aus § 99 BetrVG noch aus § 14 Abs. 3 Satz 1 AÜG i.V.m. § 99 BetrVG. Es liegt weder eine Einstellung i.S.v. § 99 Abs. 1 BetrVG vor, noch wird ein Leiharbeitnehmer zur Arbeitsleistung i.S.v. § 14 Abs. 3 Satz 1 AÜG übernommen.
I. Nach der Rechtsprechung des Senats komm es für eine Einstellung i.S.v. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nicht entscheidend auf das Rechtsverhältnis an, in dem die im Betrieb tätigen Personen zum Arbeitgeber als Betriebsinhaber stehen (zuletzt Senat 13. März 2001 – 1 ABR 34/00 – zVv.). Das Mitbestimmungsrecht wird vielmehr durch die Eingliederung dieser Personen in den Betrieb ausgelöst. Eine Eingliederung in diesem Sinne ist auch bei Arbeitnehmern von Fremdfirmen möglich, die auf Grund eines Dienst- oder Werkvertrages mit Tätigkeiten im Betrieb beauftragt werden. Dazu ist jedoch erforderlich, daß diese gemeinsam mit den im Betrieb schon beschäftigten Arbeitnehmern eine Tätigkeit zu verrichten haben, die ihrer Art nach weisungsgebunden ist, der Verwirklichung des arbeitstechnischen Zwecks des Betriebes dient und daher vom Arbeitgeber organisiert werden muß. Die Personen müssen so in die betriebliche Arbeitsorganisation integriert werden, daß der Arbeitgeber das für ein Arbeitsverhältnis typische Weisungsrecht innehat und die Entscheidung über den Einsatz auch nach Zeit und Ort trifft. Er muß diese Arbeitgeberfunktion wenigstens im Sinne einer aufgespaltenen Arbeitgeberstellung teilweise ausüben (BAG 18. Oktober 1994 – 1 ABR 9/94 – BAGE 78, 142, zu B I 1 der Gründe; 30. August 1994 – 1 ABR 3/94 – AP BetrVG 1972 § 99 Einstellung Nr. 6, zu B II 1 der Gründe). Nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats genügt dazu die detaillierte Beschreibung der dem Arbeitnehmer übertragenen Tätigkeit in dem zugrunde liegenden Vertrag ebensowenig (BAG 5. März 1991 – 1 ABR 39/90 – BAGE 67, 290, zu B II 4 der Gründe; 5. Mai 1992 – 1 ABR 78/91 – BAGE 70, 201, zu B II, B II 3 b der Gründe; 1. Dezember 1992 – 1 ABR 30/92 – EzA BetrVG 1972 § 99 Nr. 110, zu B II 2 a der Gründe), wie die enge räumliche Zusammenarbeit im Betrieb (BAG 5. März 1991 a.a.O., zu B II 3 der Gründe; 18. Oktober 1994 a.a.O., zu B II 2 der Gründe), die Unentbehrlichkeit einer von der Fremdfirma erbrachten Hilfsfunktion für den Betriebsablauf (BAG 5. März 1991 a.a.O., zu B II 2 a der Gründe; 1. Dezember 1992 a.a.O., zu B II 1 a bb der Gründe; 18. Oktober 1994 a.a.O., zu B II 3 der Gründe) oder die Einweisung und Koordination des Fremdfirmeneinsatzes durch Mitarbeiter des Betriebsinhabers (BAG 9. Juli 1991 – 1 ABR 45/90 – AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 94, zu B I 2 b der Gründe; 1. Dezember 1992 a.a.O., zu B III 1 b der Gründe; 18. Oktober 1994 a.a.O., zu B II 4 der Gründe). Im Schrifttum wird dieser Rechtsprechung zu den Anforderungen an die Eingliederung von Arbeitnehmern eines Fremdunternehmens zum überwiegenden Teil zugestimmt (GK-BetrVG/Kraft 6. Aufl. § 99 Rn. 30; Richardi BetrVG 7. Aufl. § 99 Rn. 51, 52; MünchArbR-Matthes 2. Aufl. § 352 Rn. 28 bis 30; ErfK-Hanau/Kania 2. Aufl. § 99 BetrVG 1972 Rn. 9; Löwisch BetrVG 4. Aufl. § 99 Rn. 7; aA Fitting/Kaiser/Heither/Engels BetrVG 20. Aufl. § 99 Rn. 56 bis 58; Krüger AiB 1998, 621, 637; Kreuder AuR 1993, 316, 322; ders. AiB 1994, 731, 734, 735; Däubler/Kittner/Klebe-Kittner BetrVG 7. Aufl. § 99 Rn. 61).
Von diesen Grundsätzen ist das Landesarbeitsgericht ausgegangen. Seine Würdigung, eine Eingliederung der von der Firma I. eingesetzten, mit der Tauchgrundierung befaßten Mitarbeiter in den Betrieb der Arbeitgeberin liege nicht vor, läßt Rechtsfehler nicht erkennen. Zwar üben diese Mitarbeiter eine Tätigkeit aus, die ihrer Art nach weisungsgebunden ist. Die Tätigkeit dient auch dem arbeitstechnischen Zweck der Arbeitgeberin. Diese hat aber nicht das für ein Arbeitsverhältnis typische Weisungsrecht. Sie trifft insbesondere nicht die Entscheidungen für den Einsatz des Arbeitnehmers, der die Tauchgrundierungsarbeiten ausführt, hinsichtlich der Zeit seiner Tätigkeit.
Der tatrichterlichen Würdigung der Vorinstanz steht nicht entgegen, daß die Arbeitgeberin den Raum und die chemischen Mittel zur Verfügung stellt, die Entsorgung vornimmt, neue Farbe besorgt und Informationen für Reihenfolge und Farbgebung im PC bzw. durch Begleitschreiben in den Kisten und Gitterboxen gibt. Bei diesen Maßnahmen handelt es sich um Anweisungen, die im Rahmen eines Werkvertrags üblich sind. Auch soweit der Versandleiter der Arbeitgeberin die Auswahl der Farben vorgibt und Anordnungen hinsichtlich der Lagerung gibt, gilt nichts anderes. Auch kann, wie der Senat bereits entschieden hat (BAG 5. März 1991 – 1 ABR 39/90 – a.a.O.), allein aus der engen räumlichen Zusammenarbeit für die Arbeitgeberstellung ebensowenig etwas hergeleitet werden wie aus der Einweisung und Koordination der Arbeiten durch die Auftraggeberfirma (BAG 9. Juli 1991 – 1 ABR 45/90 – a.a.O.).
II. Aufgrund derselben Erwägungen ist die Beschäftigung der Mitarbeiter der I. OHG auch nicht nach § 14 Abs. 3 Satz 1 AÜG i.V.m. § 99 BetrVG mitbestimmungspflichtig. Es handelt sich nicht um die Beschäftigung von Leiharbeitnehmern.
1. Bei der Arbeitnehmerüberlassung werden dem Entleiher die Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt. Dieser setzt sie nach eigenen Vorstellungen und Zielen in seinem Betrieb wie seine eigenen Arbeitnehmer ein. Die Arbeitskräfte werden voll in den Betrieb des Entleihers eingegliedert und führen ihre Arbeit allein nach dessen Weisungen aus (st. Rspr. des Siebten Senats, zB 17. Februar 1993 – 7 AZR 167/92 – BAGE 72, 255, zu II 2 b der Gründe; 3. Dezember 1997 – 7 AZR 764/96 – BAGE 87, 186, zu I 3 der Gründe). Hieran fehlt es schon deshalb, weil die I.-Mitarbeiter, wie dargestellt, nicht in den Betrieb der Arbeitgeberin eingegliedert sind.
2. Überdies liegen hier auch weitere Voraussetzungen der Leiharbeit nicht vor. An einer Arbeitnehmerüberlassung fehlt es nämlich insbesondere, wenn der Vertragsarbeitgeber mit dem drittbezogenen Personaleinsatz eigene Betriebszwecke verfolgt. In einem solchen Fall begründen auch ein fachliches Weisungsrecht des Dritten und die Zusammenarbeit des Arbeitnehmers mit den Arbeitnehmern des Dritten keine Arbeitnehmerüberlassung i.S.d. AÜG (BAG 25. Oktober 2000 – 7 AZR 487/99 – zVv.). Das gilt für die Tätigkeit aufgrund eines Werk- oder Dienstvertrages. In diesen Fällen organisiert der Unternehmer die zur Erreichung eines wirtschaftlichen Erfolges notwendigen Handlungen nach eigenen betrieblichen Voraussetzungen und bleibt für die Erfüllung der im Vertrag vorgesehenen Dienste oder für die Herstellung des geschuldeten Werkes gegenüber dem Auftraggeber verantwortlich (BAG 5. Mai 1992 – 1 ABR 78/91 – AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 97, zu I 1 der Gründe). Die zur Ausführung des Dienst- oder Werkvertrages eingesetzten Arbeitnehmer unterliegen weiterhin der Weisung des Werk- oder Dienstvertragsunternehmens und sind dessen Erfüllungsgehilfen (BAG 10. Februar 1977 – 2 ABR 80/76 – BAGE 29, 7; 8. November 1978 – 5 AZR 261/77 – BAGE 31, 135, 141 f., zu II 1 c der Gründe; 15. Juni 1983 – 5 AZR 111/81 – BAGE 43, 102, 105, zu I 1 a der Gründe). So liegen die Dinge hier.
Unterschriften
Wißmann, Hauck, Schmidt, Kehrmann, Frischholz
Fundstellen
Haufe-Index 1489972 |
ARST 2002, 126 |
FA 2002, 122 |
SAE 2002, 202 |
EzA |