Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Rechtsschutzinteresse für die Feststellung eines betriebsverfassungsrechtlichen Mandats nach Ablauf der Amtszeit
Leitsatz (redaktionell)
Ein Betriebsübergang nach § 613a BGB beeinflußt nicht die betriebsverfassungsrechtliche Rechtsstellung des für diesen Betrieb gewählten Betriebsrats. Einem darauf gerichteten Feststellungsbegehren des Betriebsrats fehlt mit Ablauf seiner Amtszeit das Feststellungsinteresse.
Normenkette
BetrVG § 21; BGB § 613a; ArbGG § 81 Abs. 3, § 92 Abs. 2
Verfahrensgang
LAG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 14.09.1994; Aktenzeichen 4 TaBV 16/94) |
ArbG Mainz (Entscheidung vom 17.12.1993; Aktenzeichen 6 BV 20/93) |
Gründe
A. Die Beteiligten streiten um den Fortbestand eines betriebsverfassungsrechtlichen Mandats.
Die Firma H unterhielt auf dem Gelände der US-Stationierungsstreitkräfte B einen Wäschereibetrieb. Sie beschäftigte ca. 55 Arbeitnehmer, die zum Teil überörtlich in dezentralen Wäscheannahmestellen eingesetzt waren. Vertragspartner der Firma H war die US-Armee, die auch Eigentümerin des Betriebsgeländes, der Gebäude sowie des überwiegenden Teils der technischen Einrichtungen des Wäschereibetriebes ist. Im Eigentum der Firma H standen lediglich drei Mercedes-Transporter und ein Transportbus.
Der Vertrag zwischen der Firma H und der US-Armee lief am 15. Oktober 1993 aus. Aufgrund einer Neuausschreibung erhielt die Beteiligte zu 2) den Zuschlag für den Betrieb der Wäscherei. Sie stellte einen Teil der zuvor bei der Firma H beschäftigten und aus betriebsbedingten Gründen gekündigten Arbeitnehmer ein. Von der US-Armee wurden ihr das Betriebsgelände, die bisherigen Betriebsgebäude und auch die zuvor von der Firma H genutzten technischen Einrichtungen überlassen. Darüber hinaus leaste die Beteiligte zu 2) zwei Lastkraftwagen und kaufte einen Personenwagen.
Bei der Beteiligten zu 2) wurde am 30. Juni 1994 ein Betriebsrat gewählt. Der in der vorangegangenen Wahlperiode bei der Firma H gewählte Betriebsrat hat vorgetragen, die Beteiligte zu 2) habe den Wäschereibetrieb der Firma H übernommen. Aufgrund des Betriebsübergangs habe er nunmehr sein betriebsverfassungsrechtliches Mandat gegenüber der Beteiligten zu 2) wahrzunehmen. Das werde ihm verweigert. Er hat zuletzt beantragt
festzustellen, daß der antragstellende Betriebs-
rat weiterhin Betriebsrat des von der Beteiligten
übernommenen Wäschereibetriebes auf dem Gelände
der US-Stationierungsstreitkräfte in B -
ist und daß die Beteiligte zu 2) in die be-
triebsverfassungsrechtliche Stellung der Firma
H eingetreten ist.
Die Beteiligte zu 2) hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie hat geltend gemacht, die Voraussetzungen eines Betriebsübergangs im Sinne des § 613 a BGB seien nicht erfüllt. Sie habe von der Firma H keinerlei sächliche oder immaterielle Betriebsmittel übernommen. Der Wechsel beruhe auf einer autonomen Entscheidung der US-Streitkräfte. Es fehle an einem Rechtsgeschäft, aufgrund dessen der Wäschereibetrieb von der Firma H auf sie übertragen worden sein könne.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der antragstellende Betriebsrat sein ursprüngliches Antragsziel. Die Beteiligte zu 2) begehrt die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.
B. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Der Antrag des beteiligten Betriebsrats ist unzulässig geworden. Das Rechtsschutzinteresse ist vor Abschluß des Rechtsbeschwerdeverfahrens entfallen.
1. Die sprachliche Ergänzung des ursprünglichen Antrags um den Zusatz, daß die Beteiligte zu 2) in die betriebsverfassungsrechtliche Stellung der Firma H eingetreten sei, ist keine unzulässige Änderung des Sachantrags. Wie sich aus einem Vergleich der in den Vorinstanzen gestellten Anträge und im Hinblick auf die protokollierten Ausführungen der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem Beschwerdegericht ergibt, dient der Zusatz nur der Klarstellung der sich für die Beteiligten aus einem Betriebsübergang ergebenden betriebsverfassungsrechtlichen Folgen.
2. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Es fehlt das erforderliche Rechtsschutzinteresse an der begehrten Feststellung.
a) Gegenstand des Verfahrens ist der Antrag des bei der Firma H gewählten Betriebsrats auf Bestehen eines betriebsverfassungsrechtlichen Mandats gegenüber der Beteiligten zu 2) infolge Betriebsübergangs. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist der bloße Wechsel des Betriebsinhabers ohne Bedeutung für die betriebsverfassungsrechtliche Stellung des für diesen Betrieb gewählten Betriebsrats. Der Betriebsrat behält das ihm durch Wahl vermittelte Mandat zur Vertretung der Arbeitnehmerinteressen und zur Wahrnehmung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben (BAG Beschluß vom 28. September 1988 - 1 ABR 37/87 - AP Nr. 55 zu § 99 BetrVG 1972; Wiese, GK-BetrVG, 5. Aufl., § 21 Rz 47, m.w.N.).
Ein Streit zwischen dem neuen Betriebsinhaber und dem gewählten Betriebsrat darüber, ob infolge des Inhaberwechsels das betriebsverfassungsrechtliche Mandat fortbesteht, kann mit einem Feststellungsantrag zur gerichtlichen Entscheidung gestellt werden. Mit Ablauf der Amtszeit des Betriebsrats (§ 21 BetrVG) entfällt jedoch das Feststellungsinteresse, weil die betriebsverfassungsrechtlichen Befugnisse und Aufgaben zu diesem Zeitpunkt enden. Diese Rechtswirkung tritt auch dann ein, wenn im Anschluß an die Amtsperiode kein oder erst zu einem späteren Zeitpunkt ein neuer Betriebsrat gewählt wird.
b) Nach dem Ablauf der Amtszeit kann das Verfahren nur noch die Feststellung zum Gegenstand haben, daß ein betriebsverfassungsrechtliches Mandat gegenüber der Beteiligten zu 2) längstens bis zum 31. Mai 1994 bestanden hat. Doch geht eine darauf gerichtete Feststellung ins Leere, weil der Betriebsrat rückwirkend keine betriebsverfassungsrechtlichen Befugnisse mehr ausüben kann und die begehrte Entscheidung für die Verfahrensbeteiligten ohne unmittelbare rechtliche Wirkung bleibt.
Dem steht nicht entgegen, daß dem Betriebsrat ersichtlich an der Klärung einer bestimmten Rechtsfrage gelegen ist. Der Senat verkennt nicht, daß das vorliegende Verfahren dem Zweck dient, unter Geringhaltung des Kosten- und Prozeßrisikos die Rechtsfrage zu klären, ob der zunächst von der Firma H betriebene Wäschereibetrieb an die Beteiligte zu 2) nach § 613 a BGB übergegangen ist. Damit ist offenkundig auch die Erwartung der von der Firma H aus betrieblichen Gründen gekündigten Arbeitnehmer verbunden, die für die laufenden Kündigungsschutzverfahren erhebliche Vorfrage eines Betriebsinhaberwechsels im Beschlußverfahren klären lassen zu können. Diese Zielsetzung begründet jedoch kein Feststellungsinteresse für den Betriebsrat; eine Entscheidung über seinen Antrag bliebe für die individuelle Rechtsstellung der Arbeitnehmer ohne präjudizielle Wirkung. Die gerichtliche Klärung der auch die Beteiligte zu 2) interessierende Rechtsfrage läuft allein auf die Erstellung eines Gutachtens hinaus. Dazu ist das Gericht nicht befugt (BAG Beschlüsse vom 10. April 1984 - 1 ABR 73/82 - AP Nr. 3 zu § 81 ArbGG 1979 und 26. Oktober 1994 - 7 ABR 11/94 -, n.v.).
c) Das erforderliche Rechtsschutzinteresse folgt auch nicht aus dem in der mündlichen Anhörung vor dem Senat geäußerten Hinweis des Bevollmächtigten des Beteiligten zu 1) auf einen zwischen der Firma H und dem beteiligten Betriebsrat abgeschlossenen Sozialplan. Die Zuerkennung eines damit im Zusammenhang stehenden Restmandats (BAG Beschluß vom 16. Juni 1987 - 1 ABR 41/85 - AP Nr. 19 zu § 111 BetrVG 1972; Däubler/Kittner/Klebe/Schneider, BetrVG, 4. Aufl., § 21 Rz 40 ff.; Wiese, aa0, § 21 Rz 52 ff.) setzt gerade eine von dem beteiligten Betriebsrat stets bestrittene Betriebsänderung oder Stillegung voraus. Im übrigen endet ein solches Restmandat mit Zustandekommen des Sozialplans oder dessen rechtskräftiger Ablehnung.
Steckhan Schmidt Düwell
Koch G. Metzinger
Fundstellen
BB 1996, 436 |
BB 1996, 747 |
BB 1996, 747-748 (LT1) |
DB 1996, 1190-1191 (LT1) |
BetrR 1996, 71 (LT1) |
ASP 1996, Nr 7/8, 61 (K) |
NZA 1996, 495 |
NZA 1996, 495 (LT1) |
AP § 112 BetrVG 1972 (LT1), Nr 33 |
AP § 21 BetrVG 1972 (LT1), Nr 2 |
AP § 613a BGB (L1), Nr 139 |
AR-Blattei, ES 500 Nr 114 (LT1) |
EzA § 81 ArbGG 1979, Nr 16 (LT1) |
MDR 1996, 614 (LT1) |