Entscheidungsstichwort (Thema)
Wahlberechtigung von Auszubildenden in einem Ausbildungsbetrieb
Leitsatz (amtlich)
Ein Auszubildender ist in einem Betrieb, dessen arbeitstechnischer Zweck in der Berufsausbildung besteht, auch dann nicht wahlberechtigt, wenn er gelegentlich zusammen mit anderen Mitarbeitern praktische Arbeiten vornimmt.
Normenkette
BetrVG 1972 § 5 Abs. 1, §§ 7, 9
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Beschluss vom 05.07.1995; Aktenzeichen 2 TaBV 8/94) |
ArbG Stuttgart (Beschluss vom 29.09.1994; Aktenzeichen 6 BV 153/94) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 5. Juli 1995 – 2 TaBV 8/94 – wird zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
A. Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen eines Wahlanfechtungsverfahrens streitig, ob im Stuttgarter Berufsbildungszentrum des Antragstellers beschäftigte Auszubildende berechtigt waren, sich an der vom 30. Mai bis zum 7. Juni 1994 durchgeführten Betriebsratswahl zu beteiligen.
Der Antragsteller ist ein bundesweit tätiger sozialer Verband, der in über 100 Orten der Bundesrepublik Deutschland unterschiedliche Einrichtungen unterhält. Eine dieser Einrichtungen ist das Berufsbildungszentrum Stuttgart, in dem etwa 500 Arbeitnehmer beschäftigt sind und weitere 500 Personen im Rahmen der überbetrieblichen Ausbildung in fremdem Auftrag eine Berufsausbildung erhalten.
In die zur Vorbereitung der Betriebratswahl aufgestellte Wählerliste nahm der Wahlvorstand neben den etwa 500 Arbeitnehmern zusätzlich 135 Auszubildende aus den Bereichen Energie-Elektroniker, Hauswirtschaft, Holzfachwerker und Malerfachwerker, Köche/Beiköche, Tischler, Metallbearbeiter und Bekleidungsschneider auf. Es handelte sich dabei nach Ansicht des Wahlvorstandes um solche Auszubildende, die für den Antragsteller auch praktische Arbeit leisten und nicht nur in Übungsfirmen unterwiesen oder auf andere Weise unterrichtet oder ausgebildet wurden. Die Auszubildenden, die der Fachrichtung Köche angehören, werden in der nicht öffentlich zugänglichen Kantine des Antragstellers berufspraktisch beschäftigt. Die Auszubildenden der Fachrichtung Malerfachwerker und Energie-Elektroniker werden vom Antragsteller unregelmäßig zum Ausmalen von Räumen bzw. zum Verlegen von Kabeln eingesetzt.
Mit seiner am 20. Juni 1994 beim Arbeitsgericht eingereichten Antragsschrift hat der Antragsteller die durchgeführte Wahl eines aus 11 Mitgliedern bestehenden Betriebsrats angefochten. Er hat geltend gemacht, die 135 in die Wählerliste aufgenommenen Auszubildenden seien nicht Arbeitnehmer im Sinne von § 5 Abs. 1 BetrVG und damit nicht gemäß § 7 BetrVG wahlberechtigt, zumal sie nicht für eigene Zwecke des Berufsbildungszentrums oder für Zwekke anderer Betriebe des Antragstellers ausgebildet würden.
Der Antragsteller hat beantragt,
die Betriebsratswahl vom 7. Juni 1994 für unwirksam zu erklären.
Der Betriebsrat hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Er hält die Arbeitnehmereigenschaft der in die Wählerliste eingetragenen Auszubildenden für gegeben. Jedenfalls habe der Wahlvorstand ihre Wahlberechtigung nicht offensichtlich fehlerhaft bejaht, so daß in entsprechender Anwendung des § 18a Abs. 5 BetrVG eine Wahlanfechtung hierauf nicht gestützt werden könne.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben; das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat sein Verfahrensziel der Abweisung des Antrags weiter. Der Arbeitgeber beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
B. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei erkannt, daß die vorliegende Betriebsratswahl für unwirksam zu erklären war, da die Zulassung der Auszubildenden zur Teilnahme an der Wahl gegen die wesentliche Wahlvorschrift des § 7 BetrVG verstieß und das Wahlergebnis hierdurch schon deshalb verändert wurde, weil bei Beachtung der gesetzlichen Wahlvorschriften nicht elf, sondern gemäß § 9 BetrVG nur neun Betriebsratsmitglieder zu wählen gewesen wären.
I. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, daß Auszubildende in einem reinen Ausbildungsbetrieb, wie er hier vorliegt, nicht als Arbeitnehmer im Sinne des § 5 BetrVG gelten und deshalb gemäß § 7 BetrVG nicht wahlberechtigt sind, entspricht der inzwischen gefestigten Rechtsprechung des erkennenden Senats (BAG Beschluß vom 21. Juli 1993, BAGE 74, 1 = AP Nr. 8 zu § 5 BetrVG 1972 Ausbildung; BAG Beschluß vom 26. Januar 1994, BAGE 75, 312 = AP Nr. 54 zu § 5 BetrVG 1972; BAG Beschluß vom 20. März 1996 – 7 ABR 46/95 –, zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt; BAG Beschluß vom 20. März 1996 – 7 ABR 34/95 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt).
An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest, zumal auch das vorliegende Verfahren insoweit keine neuen Gesichtspunkte ergeben hat. Insbesondere in seinen angeführten Beschlüssen vom 20. März 1996 hat sich der Senat mit den methodischen Einwendungen gegen seine Rechtsprechung, wie sie auch die Rechtsbeschwerde vorträgt, eingehend auseinandergesetzt. Den übrigen grundsätzlichen Rechtsausführungen der Rechtsbeschwerde ist nur zu entnehmen, daß die Rechtsbeschwerde die Rechtsansicht des Senats nicht teilt, ohne neue Argumente vorzubringen.
II. Die Besonderheit, daß ein Teil der Auszubildenden im Betrieb des Antragstellers zumindest gelegentlich zusammen mit Arbeitnehmern mit praktischen Tätigkeiten beschäftigt wird, ändert nichts daran, daß die betroffenen Auszubildenden nach Maßgabe der angeführten Senatsrechtsprechung keine Arbeitnehmer im Sinne des § 5 BetrVG sind.
1. Dies gilt zunächst für die Auszubildenden der Fachrichtung Malerfachwerker bzw. Energie-Elektroniker, die gelegentlich zum Ausmalen von Räumen bzw. zum Verlegen von Kabeln eingesetzt werden.
Entgegen der Auffassung des Betriebsrats verfolgt der Antragsteller nicht auch den arbeitstechnischen Zweck “Verlegen von Elektrokabeln und das Ausmalen von Räumen”. Ein Betrieb kann zwar mehrere arbeitstechnische Zwecke verfolgen. Arbeitstechnischer Betriebszweck ist aber nicht jede im Betrieb anfallende Hilfstätigkeit, die die Verfolgung arbeitstechnischer Zwecke erst ermöglichen soll, wie etwa die Reparatur von Betriebsanlagen durch einen Betriebshandwerker. Insbesondere für die Zuordnung von Auszubildenden zu einem von mehreren arbeitstechnischen Zwecken ist Voraussetzung, daß dieser besondere arbeitstechnische Zweck durch eine selbständige organisatorische Einheit von Mitarbeitern verfolgt wird, die ihrerseits zur Vermittlung einer Berufsausbildung in der Lage wären. Wird ein Auszubildender ganz überwiegend von den dem Betriebszweck “Vermittlung von Berufsausbildung” dienenden Mitarbeitern ausgebildet, zeitweilig gemeinsam mit anderen Mitarbeitern im Rahmen der betrieblichen Hilfstätigkeit berufspraktisch tätig, so wird er dadurch nicht aus dem Kreis derjenigen Auszubildenden herausgelöst, die vom Betrieb in Verfolgung seines eigentlichen Zwecks der Vermittlung von Berufsausbildung ausgebildet werden.
2. Anders könnte es hinsichtlich der Auszubildenden der Fachrichtung Köche sein, die in der Kantine berufspraktisch beschäftigt werden. Allerdings brauchte der Senat hierüber nicht abschließend zu entscheiden.
a) Auch der Zweck einer Betriebskantine besteht lediglich in einer arbeitstechnischen Hilfsfunktion für den eigentlichen Betriebszweck. Immerhin handelt es sich dabei jedoch nicht lediglich um eine Hilfstätigkeit einzelner Mitarbeiter, sondern um einen eigenen arbeitstechnischen Zweck. Die Hilfsfunktion schließt es daher nicht aus, diesen Zweck von dem arbeitstechnischen Hauptzweck des Betriebes, der Erbringung von Berufsausbildung, als eigenen abtrennbaren arbeitstechnischen Zweck zu unterscheiden. Die Kantine müßte allerdings eine eigene organisatorische, zur Berufsausbildung geeignete Einheit sein, in der die dort beschäftigten Auszubildenden ihre berufspraktische Einweisung schwerpunktmäßig erhielten und damit aus dem übrigen Ausbildungsbetrieb herausgelöst wären. Ihre theoretische Ausbildung könnten sie dann zwar noch im übrigen Ausbildungsbetrieb erfahren. Die praktische Ausbildung aber erhielten sie in Zusammenarbeit mit den anderen Kantinenmitarbeitern zur Verfolgung eines abgrenzbaren arbeitstechnischen betrieblichen Hilfszwecks. Das könnte für ihre Wahlberechtigung ausreichen.
b) Über den Zuschnitt der Kantine hat das Landesarbeitsgericht keine Feststellungen getroffen. Das war auch nicht erforderlich. Denn die Wahl ist auch dann fehlerhaft, wenn die Arbeitnehmereigenschaft der Auszubildenden der Fachrichtung Köche zu bejahen wäre. Die 135 Auszubildenden, die an der Wahl beteiligt wurden, gehören zahlreichen Gruppen an. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, daß es sich bei den Auszubildenden der Fachrichtung Köche um eine Gruppe von etwa 100 Personen handelte. Nur dann wäre durch Hinzurechnung dieser Auszubildenden zu den Arbeitnehmern die für einen elfköpfigen Betriebsrat gemäß § 9 BetrVG erforderliche Zahl von 601 Arbeitnehmern erreicht worden.
III. Zu Unrecht meint der Betriebsrat schließlich, in Anwendung des Rechtsgedankens des § 18a Abs. 5 BetrVG könne die Anfechtung nur bei offensichtlicher Fehlerhaftigkeit der Bejahung der Arbeitnehmereigenschaft durch den Wahlvorstand durchgreifen.
Die Einschränkung der Wahlanfechtung durch § 18a Abs. 5 Satz 2 und 3 BetrVG beruht auf den besonderen, weitgehend auf tatsächlicher Ebene liegenden Abgrenzungsproblemen des § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG, wie auch die gleichzeitig mit § 18a BetrVG in das Gesetz eingefügten Vermutungsregelungen des § 5 Abs. 4 BetrVG zeigen. Auf die reine Rechtsanwendung wie bei der Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft selbst sind sie nicht übertragbar. Schon deshalb ist der Würdigung des Landesarbeitsgerichts zu folgen, daß es sich bei § 18a Abs. 5 BetrVG um eine Ausnahmevorschrift handelt, die nicht entsprechend angewendet werden kann.
Unterschriften
Dörner, Schmidt, Steckhan, Straub, Knapp
Fundstellen
Haufe-Index 875312 |
NZA 1997, 273 |
AP, 0 |