Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitbestimmung bei tariflicher Bewertung der Arbeitsplätze von Bahnbeamten
Leitsatz (amtlich)
Bei der Deutschen Bahn AG dient die tarifliche Bewertung von Arbeitsplätzen, die mit Beamten besetzt sind, nur der Personalkostenabrechnung mit dem Bundeseisenbahnvermögen. Sie ist keine mitbestimmungspflichtige Eingruppierung im Sinne von § 99 BetrVG.
Normenkette
BetrVG § 99; DBGrG §§ 12, 17, 19, 21; BPersVG § 76
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
A. Die Beteiligten streiten darüber, ob die tarifliche Bewertung von mit Beamten besetzten Arbeitsplätzen eine mitbestimmungspflichtige Eingruppierung darstellt.
Die beteiligte Arbeitgeberin ist die Deutsche Bahn AG. Antragsteller ist der in ihrer Niederlassung O…, Standort D…, gewählte Betriebsrat. In diesem Betrieb werden neben Arbeitern und Angestellten beamtete Mitarbeiter beschäftigt. Diese sind der Arbeitgeberin im Zuge der Privatisierung der Deutschen Bundesbahn gem. § 12 Abs. 2 des Gesetzes über die Gründung einer Deutsche Bahn Aktiengesellschaft (Deutsche Bahn Gründungsgesetz – DBGrG) zur Dienstleistung zugewiesen worden. Sie haben ihren Beamtenstatus behalten. Gem. § 21 Abs. 1 DBGrG leistet die Arbeitgeberin an das Bundeseisenbahnvermögen für die ihr zugewiesenen Beamten Zahlungen in Höhe der Aufwendungen, die sie für die Arbeitsleistung vergleichbarer Arbeitnehmer erbringen müßte.
Nach Abschluß des Entgelttarifvertrages für die Arbeitnehmer der Deutsche Bahn AG (ETV) nahm die Arbeitgeberin im August 1994 eine tarifliche Bewertung sämtlicher Arbeitsplätze vor. Hinsichtlich der Arbeitnehmer holte sie im Verfahren nach § 99 BetrVG die Zustimmung des Betriebsrats zu den vorgesehenen Eingruppierungen ein. Soweit aber die Arbeitsplätze beamteter Mitarbeiter betroffen waren, informierte sie den Betriebsrat nur über die angenommene Wertigkeit, ohne ihn an dieser Beurteilung zu beteiligen.
Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, ihm stehe ein Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG auch hinsichtlich der von Beamten besetzten Arbeitsplätze zu. Auch diese würden tariflich eingruppiert. Zwar habe eine solche Bewertung keine unmittelbare Bedeutung für die Besoldung der Beamten. Die tarifliche Zuordnung wirke sich jedoch aus, etwa bei Neubesetzungen durch nichtbeamtete Bedienstete, bei Ausschreibungen, Beförderungen und Umsetzungen. Insoweit sei die innerbetriebliche Lohngerechtigkeit angesprochen. Betroffen seien auch die Aufstiegschancen der beamteten Arbeitsplatzinhaber selbst, etwa bei Bewerbungen auf eine höher bewertete Stelle.
Der Betriebsrat hat zuletzt beantragt
festzustellen, daß der Arbeitgeber verpflichtet ist, den Betriebsrat bei der Arbeitsplatzbewertung/Eingruppierung der beamteten Mitarbeiter nach § 3 ETV Deutsche Bahn AG gem. § 99 BetrVG zu beteiligen.
Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen.
Sie hat ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats verneint. Die tarifliche Bewertung der mit beamteten Mitarbeitern besetzten Arbeitsplätze diene allein der internen Personalkostenabrechnung gegenüber dem Bundeseisenbahnvermögen. Es handele sich nicht um eine Eingruppierung im Sinne des § 99 BetrVG. Die Bewertung bewirke auch keinerlei Bindung für die Eingruppierung eines Arbeitnehmers, der auf einen bisher von einem Beamten innegehabten Arbeitsplatz umgesetzt werde.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihm auf die Beschwerde des Betriebsrats stattgegeben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt die Arbeitgeberin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses.
Entscheidungsgründe
B. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Die von der Arbeitgeberin zum Zwecke der Kostenabrechnung mit dem Bundeseisenbahnvermögen vorgenommene tarifliche Bewertung von Arbeitsplätzen, auf denen ihr zugewiesene Beamte arbeiten, stellt entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts keine mitbestimmungspflichtige Eingruppierung im Sinne des § 99 BetrVG dar. Zu einer solchen ist die Arbeitgeberin auch nicht verpflichtet, da die betreffenden Mitarbeiter nach beamtenrechtlichen Grundsätzen durch das Bundeseisenbahnvermögen besoldet werden.
1. Nach ständiger Senatsrechtsprechung ist unter einer Eingruppierung die Zuordnung eines Arbeitnehmers aufgrund der von ihm vertragsgemäß auszuübenden Tätigkeit zu einer bestimmten Vergütungsgruppe einer im Betrieb geltenden Vergütungsordnung zu verstehen. Die Eingruppierung ist dabei keine konstitutiv wirkende Maßnahme, sondern ein gedanklicher Vorgang, ein Akt der Rechtsanwendung. Es geht um die Klärung der Rechtsfrage, welchen Tätigkeitsmerkmalen die vom Arbeitnehmer zu verrichtende Tätigkeit entspricht und welche Vergütungsgruppe dementsprechend für die Lohn- und Gehaltsberechnung maßgebend ist. Bei dieser Beurteilung, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer schuldet, ist der Betriebsrat nach Maßgabe des § 99 BetrVG zu beteiligen. Seine Beteiligung dient der einheitlichen und gleichmäßigen Anwendung der Lohn- und Gehaltsgruppenordnung in gleichen und vergleichbaren Fällen, damit aber auch der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit und der Transparenz aller im Betrieb vorgenommenen Eingruppierungen (vgl. nur Senatsbeschluß vom 9. März 1993 – 1 ABR 48/92 – AP Nr. 104 zu § 99 BetrVG 1972; Senatsbeschluß vom 23. November 1993 – 1 ABR 34/93 – AP Nr. 111 zu § 99 BetrVG 1972 – beide m.w.N.).
Von diesen Grundsätzen ist das Landesarbeitsgericht ausgegangen. Es hat angenommen, bei einer von der Arbeitgeberin vorgenommenen tariflichen Bewertung der Arbeitsplätze beamteter Mitarbeiter am Maßstab des Entgelttarifvertrages für die Arbeitnehmer der Deutsche Bahn AG (ETV) handele es sich um eine Eingruppierung in diesem Sinne, so daß der Betriebsrat zu beteiligen sei. Dem ist jedoch nicht zu folgen.
2. Die Bestimmungen des Entgelttarifvertrages sind nicht die Vergütungsordnung, die für die der Arbeitgeberin zugewiesenen Beamten maßgeblich wäre. Die Beamten stehen nicht in einem Arbeitsverhältnis zur Arbeitgeberin, aufgrund dessen sie von dieser Vergütung zu beanspruchen hätten. Sie sind der Arbeitgeberin gem. § 12 Abs. 2 DBGrG zur Dienstleistung zugewiesen. Dabei bleibt ihr Status als unmittelbare Bundesbeamte aufrechterhalten (§ 12 Abs. 4 DBGrG i.V.m. Art. 1 § 7 ENeuOG). Die Dienstherrenfunktion wird grundsätzlich vom Bundeseisenbahnvermögen wahrgenommen (vgl. allgemein Engels/Müller/Mauß, DB 1994, 473; Lorenzen, PersV 1994, 144; Gerhold in Lorenzen/Haas/Schmitt, BPersVG, Stand Juli 1995, § 69 Rz 54a ff.).
Gemäß § 12 Abs. 4 Satz 2 DBGrG ist allerdings die Deutsche Bahn AG gegenüber den zugewiesenen Beamten zu Weisungen berechtigt, soweit es die Dienstausübung in ihrem Betrieb erfordert. Ihr sind eine Reihe dienstrechtlicher Befugnisse zur Ausübung übertragen worden (§ 12 Abs. 6 DBGrG i.V.m. der Verordnung über die Zuständigkeit der Deutsche Bahn Aktiengesellschaft für Entscheidungen in Angelegenheiten der zugewiesenen Beamten des Bundeseisenbahnvermögens – DBAG-Zuständigkeitsverordnung – vom 1. Januar 1994 (BGBl. I S. 53)). Dennoch werden die Beamten nach wie vor durch das Bundeseisenbahnvermögen besoldet, und zwar nach den besoldungsrechtlichen Grundsätzen des Beamtenrechts. Sie erhalten keine Vergütung durch die Arbeitgeberin. Diese ist nur verpflichtet, dem Bundeseisenbahnvermögen für die “Ausleihe” der Beamten eine Personalkostenentschädigung zu zahlen. Sie richtet sich gem. § 21 Abs. 1 DBGrG nach den Aufwendungen, die die Arbeitgeberin für die Arbeitsleistung vergleichbarer Arbeitnehmer aufzubringen hätte.
Die zugewiesenen Beamten sind infolgedessen keine Arbeitnehmer im Sinne der Bestimmungen des Entgelttarifvertrages. Eine “Eingruppierung” in diese Vergütungsordnung ist für ihre Besoldung ohne rechtliche Bedeutung. Mithin besteht ihnen gegenüber auch keine Pflicht der Arbeitgeberin, eine solche Eingruppierung vorzunehmen. Für eine Mitbeurteilung des Betriebsrats fehlt die Voraussetzung.
3. Etwas anderes folgt auch nicht aus § 19 DBGrG. Danach gelten die zugewiesenen Beamten für die Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes als Arbeitnehmer der Deutsche Bahn AG. Diese Unterstellung der Beamten unter die Zuständigkeit des Betriebsrats berücksichtigt ihre faktische Eingliederung in den Betrieb der Arbeitgeberin. Sie trägt dem Umstand Rechnung, daß die gemeinsame Dienstausübung notwendigerweise regelungsbedürftige Probleme schafft (vgl. auch Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 12/4609 (neu), S. 87). Aber neben der Zuständigkeit des Betriebsrats der Deutsche Bahn AG bleibt für die zugewiesenen Beamten auch eine personalvertretungsrechtliche Zuordnung bestehen. Sie wählen gem. § 17 DBGrG einen besonderen Personalrat. Dieser ist für die personalvertretungsrechtlichen Mitbestimmungstatbestände des § 76 Abs. 1 BPersVG zuständig, und zwar auch insoweit, als die entsprechenden beamtenrechtlichen Entscheidungen und Maßnahmen gem. § 12 Abs. 6 DBGrG i.V.m. der DBAG-Zuständigkeitsverordnung der Arbeitgeberin zur Ausübung übertragen worden sind (zur Konkurrenz der Mitbestimmungsrechte siehe auch Senatsbeschluß vom selben Tage – 1 ABR 23/95 – zur Veröffentlichung vorgesehen).
Die betriebsverfassungsrechtliche Gleichstellung der zugewiesenen Beamten mit den Arbeitnehmern der Deutsche Bahn AG bedeutet nur, daß ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats hinsichtlich aller Arbeitgebermaßnahmen besteht, die die Beschäftigung der Beamten betreffen. Soweit hingegen wegen der fortbestehenden beamtenrechtlichen Stellung ein betriebsverfassungsrechtlicher Tatbestand nicht erfüllt ist, kommt auch kein entsprechendes Mitbestimmungsrecht in Betracht.
4. Das Landesarbeitsgericht hat das nicht verkannt, jedoch angenommen, die Arbeitgeberin habe mit der tatsächlich durchgeführten Bewertung der Arbeitsplätze zum Zwecke der Abrechnung mit dem Bundeseisenbahnvermögen eine Eingruppierung im Sinne des § 99 BetrVG vorgenommen. Dem ist nicht zu folgen.
a) Der Mitbestimmungstatbestand des § 99 BetrVG erfaßt personenbezogene Einzelmaßnahmen. Eine (fiktive) Eingruppierung von Beamten nach der tariflichen Vergütungsordnung hat für diese keine besoldungsrechtlichen Auswirkungen. Sie berührt auch die kollektive Lohngerechtigkeit nicht, da die Gruppe der Beamten insgesamt nach anderen Kriterien entlohnt wird als die der Arbeitnehmer. Eine Eingruppierung würde also auf eine abstrakte Arbeitsplatzbewertung hinauslaufen. Eine solche ist aber keine personelle Einzelmaßnahme im Sinne des § 99 BetrVG.
Soweit die Arbeitgeberin die mit Beamten besetzten Arbeitsplätze tariflich bewertet hat, war dies veranlaßt durch den Maßstab des Personalkostenausgleichs mit dem Bundeseisenbahnvermögen als Besoldungsträger. Gem. § 21 Abs. 1 DBGrG hat die Arbeitgeberin dem Bundeseisenbahnvermögen Aufwendungen in Höhe der Aufwendungen für vergleichbare Arbeitnehmer zu erstatten. Die Angemessenheit dieser Erstattung berührt ausschließlich das Verhältnis zwischen diesen beiden Institutionen, ist aber keine Frage der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit.
b) Um Lohngerechtigkeit geht es in diesem Zusammenhang auch nicht im Hinblick auf die künftige Besetzung der bewerteten Arbeitsplätze. Die Bewertung ist insoweit nicht bindend. Eine Verbindlichkeit käme selbst einer unter Beteiligung des Betriebsrats durchgeführten abstrakten Arbeitsplatzbewertung nicht zu. Der Arbeitgeber ist zur Eingruppierung des einzelnen Arbeitnehmers verpflichtet, wenn er diesem erstmals eine Tätigkeit zuweist oder eine neue Tätigkeit überträgt. Diese personelle Einzelmaßnahme ist es, die das Mitbestimmungsrecht auslöst. Die Richtigkeit der Eingruppierung ist jeweils neu bezogen auf die Person des Arbeitsplatzinhabers zu prüfen. Die mitbestimmte Eingruppierung eines vergleichbaren Arbeitnehmers kann zwar ein Indiz bieten, aber die Eingruppierungsentscheidung nicht entbehrlich machen (vgl. Senatsbeschluß vom 21. März 1995 – 1 ABR 46/94 – AP Nr. 4 zu § 99 BetrVG 1972 Eingruppierung, zu B II 2b der Gründe). Die Durchführung eines “Eingruppierungsverfahrens” hinsichtlich der mit zugewiesenen Beamten besetzten Arbeitsplätze im Sinne einer abstrakten Arbeitsplatzbewertung hätte also keine rechtliche Bindungswirkung für künftige Besetzungen dieser Arbeitsplätze.
c) Im Ergebnis nichts anderes gilt, soweit der Betriebsrat mittelbare Auswirkungen einer für die Personalkostenberechnung vorgenommenen Bewertung von Beamtenarbeitsplätzen bei Versetzungen und Beförderungen befürchtet. Sollte die Arbeitgeberin einem Beamten, der sich um eine Beförderungsposition bewirbt, entgegenhalten, seine Qualifikation auf dem bisherigen Arbeitsplatz sei zu gering, kann entweder der Betriebsrat dem im Rahmen seiner Mitbestimmung nach § 99 BetrVG bei Versetzungen (s. Senatsbeschluß vom selben Tage – 1 ABR 23/95 –) oder die besondere Personalvertretung im Rahmen ihres Mitbestimmungsrechts nach § 76 Abs. 1 Nr. 2 oder Nr. 3 BPersVG i.V.m. § 17 DBGrG widersprechen.
Unterschriften
Dieterich, Wißmann, Rost, Bayer, Klebe
Fundstellen
Haufe-Index 872252 |
NZA 1996, 837 |