Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufungsbegründung durch Telekopie
Leitsatz (redaktionell)
Eine durch Telekopie dem Berufungsgericht rechtzeitig vom Postamt am Sitz des Berufungsgerichts übermittelte Berufungsbegründung genügt auch dann dem Formerfordernis des § 130 Nr 6 ZP0, wenn die Fernkopie nicht von einem Fernkopiereranschluß der Deutschen Bundespost oder des Prozeßbevollmächtigten des Berufungsklägers gesendet worden ist, sondern von dem Privatanschluß eines Dritten.
Normenkette
ArbGG § 77; ZPO §§ 519 b, 130 Nr. 6; ArbGG § 64 Abs. 6
Verfahrensgang
LAG Hamm (Entscheidung vom 10.06.1988; Aktenzeichen 8 Sa 1695/87) |
ArbG Paderborn (Entscheidung vom 19.06.1987; Aktenzeichen 1 Ca 1167/76) |
Gründe
A. Die Klägerin nimmt die Beklagten aus Anlaß eines von Frühjahr 1975 bis Sommer 1976 andauernden Arbeitskampfes auf Schadenersatz in Anspruch. Der Streit über den Ersatz des geltend gemachten technischen Schadens in Höhe von 740.677,-- DM ist hinsichtlich einiger Positionen durch rechtskräftiges Teilurteil des Landesarbeitsgerichts vom 16. Juni 1981 entschieden und hinsichtlich der übrigen Positionen durch Vergleich der Parteien vor dem Berufungsgericht am 9. Juli 1986 beigelegt worden. In dem noch anhängigen Verfahrensteil verfolgt die Klägerin ihren Anspruch auf Ersatz des wirtschaftlichen Schadens und beziffert den zur Zeit errechenbaren Schaden auf 6.218.940,-- DM. Das Arbeitsgericht hat durch Schlußurteil vom 19. Juni 1987 über diesen Streitgegenstand erkannt. Es hat festgestellt, daß die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin 50 % des zur Zeit noch nicht bezifferbaren Schadens zu zahlen und die Beklagten als Gesamtschuldner hinsichtlich des bezifferbaren Schadens verurteilt, an die Klägerin 2.537.348,50 DM nebst Zinsen zu zahlen.
Den Prozeßbevollmächtigten der Parteien ist das arbeitsgerichtliche Urteil am 5. August 1987 zugestellt worden. Der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten hat am 2. September 1987 Berufung eingelegt. Auf entsprechenden Antrag des Prozeßbevollmächtigten ist die Berufungsbegründungsfrist durch den Vorsitzenden des Landesarbeitsgerichts bis zum 2. November 1987 verlängert worden. Die Berufungsbegründungsschrift des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten ist am 2. November 1987 mittels eines Fernkopiergerätes gegen 14.00 Uhr von dem privaten Telefax-Anschluß der Beklagten zu 1) zur Postanstalt Hamm über das öffentliche Telefonnetz gesendet und vom Empfängerpostamt im Rahmen des Telebrief-Dienstes noch vor Ende der Bürostunden zur Geschäftsstelle des Landesarbeitsgerichts gebracht worden. Die Fernkopie besteht aus der Wiedergabe eines 13-seitigen anwaltlichen Schriftsatzes, beginnend mit dem Briefkopf des Anwalts und endend mit der Reproduktion seiner Unterschrift.
Mit Schreiben vom 7. Januar 1988 hat der Vorsitzende des Landesarbeitsgerichts den Prozeßbevollmächtigten der Beklagten darauf hingewiesen, daß "formelle Bedenken" bestünden, weil kein "eigener" Telefax-Anschluß, sondern der der Beklagten zu 1) benutzt worden sei. Mit Beschluß vom 10. Juni 1988 hat das Landesarbeitsgericht die Berufung der Beklagten als unzulässig verworfen und die Revisionsbeschwerde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Nach Zustellung des Verwerfungsbeschlusses am 5. Oktober 1988 hat der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten mit einem am 19. Oktober 1988 beim Landesarbeitsgericht eingereichten Schriftsatz die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und zugleich erneut Berufung, hilfsweise Anschlußberufung, eingelegt.
Mit ihrer sofortigen Beschwerde begehren die Beklagten die Aufhebung des Verwerfungsbeschlusses.
B. Die Revisionsbeschwerde der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat deren Berufung zu Unrecht als unzulässig verworfen.
I. Die Revisionsbeschwerde ist zulässig.
1. Nach § 77 ArbGG in Verb. mit § 519 b Abs. 2 ZP0 findet die sofortige Beschwerde gegen einen Beschluß, mit dem das Landesarbeitsgericht eine Berufung als unzulässig verwirft, nur statt, wenn sie das Landesarbeitsgericht in dem Beschluß zugelassen hat. Das ist hier der Fall. Im Tenor der angefochtenen Entscheidung heißt es, daß die Revisionsbeschwerde zugelassen wird. Diese Entscheidung ist für den Senat bindend (BAG Beschluß vom 25. Oktober 1979 - 5 AZB 43/79 - AP Nr. 1 zu § 77 ArbGG 1979).
Die Revisionsbeschwerde ist form- und fristgerecht eingereicht worden.
2. Das Rechtsschutzinteresse an einer Entscheidung über die Revisionsbeschwerde ist nicht dadurch in Wegfall gekommen, daß die Beschwerdeführer zwischenzeitlich beim Landesarbeitsgericht die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt und zugleich erneut Berufung, hilfsweise Anschlußberufung, eingelegt haben. Über den Wiedereinsetzungsantrag hat das Landesarbeitsgericht noch nicht entschieden. Auf diese Entscheidung können die Beschwerdeführer nicht verwiesen werden. Eine Ablehnung des Wiedereinsetzungsgesuchs könnte von den Beschwerdeführern nur angefochten werden, wenn das Landesarbeitsgericht wiederum die Revisionsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung zuließe. Der Bundesgerichtshof hat darüber hinaus entschieden, daß eine Revisionsbeschwerde nicht dadurch unzulässig wird, daß das Berufungsgericht auf eine erneute Berufung desselben Berufungsklägers die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gewährt (BGH Beschluß vom 27. April 1978 - X ZB 3/78 - BB 1978, 925). Die Revisionsbeschwerde muß daher erst recht zulässig bleiben, wenn über den Wiedereinsetzungsantrag noch nicht entschieden worden ist.
Der Senat kann auch nicht selbst über den Wiedereinsetzungsantrag der Beschwerdeführer entscheiden. Darüber zu entscheiden ist allein Aufgabe des Landesarbeitsgerichts (BGH Beschluß vom 7. Oktober 1981 - IV b ZB 825/81 - NJW 1982, 887). Ob aus Gründen der Prozeßwirtschaftlichkeit davon eine Ausnahme dann gemacht werden kann, wenn die Wiedereinsetzung nach dem revisionsrechtlichen Aktenstand ohne weiteres zu gewähren ist (vgl. BGH Urteil vom 4. November 1981 - IV b ZR 625/80 - NJW 1982, 1873), braucht hier nicht entschieden zu werden. Ein solcher Ausnahmefall liegt nicht vor. Ob der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtzeitig gestellt worden ist, läßt sich nach dem Aktenstand nicht ohne weiteres feststellen.
II. Die Revisionsbeschwerde ist begründet.
Die im Rahmen des sogenannten Telebrief-Dienstes noch am 2. November 1987 von der Deutschen Bundespost dem Landesarbeitsgericht überbrachte Fernkopie des Originalschriftsatzes des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten erfüllt die an eine Berufungsbegründung zu stellenden gesetzlichen Formerfordernisse im Sinne des § 64 Abs. 6 ArbGG in Verb. mit § 519 Abs. 2 Satz 1, § 519 Abs. 5 und § 130 Nr. 6 ZP0 und wahrt somit die gesetzliche Frist zur Begründung der Berufung nach § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG.
1. Das Landesarbeitsgericht hat die durch Telebrief bei ihm eingegangene Berufungsbegründung deswegen als nicht formgerecht unterzeichneten Schriftsatz angesehen, weil die Fotokopie des Originals der Berufungsbegründung nicht von einer Fernkopieranlage des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten an das Postamt am Sitz des Landesarbeitsgerichts übermittelt worden ist, sondern von der Fernkopieranlage der Beklagten zu 1). Die beim Empfänger ankommende Fernkopie lasse nicht erkennen, ob die Textvorlage vor dem Sendevorgang durch Überklebungen, Abdeckungen oder durch Einfügung einer anderweitig geleisteten Unterschrift manipuliert worden sei. Dieser Gefahr von Manipulationen könne - wenn überhaupt - nur begegnet werden, wenn zur Übermittlung der Fernkopie eine Fernkopieranlage der Deutschen Bundespost oder wenigstens des Prozeßbevollmächtigten benutzt werde, der die Originalvorlage selbst unterzeichnet habe.
Diesen Überlegungen des Landesarbeitsgerichts vermag der Senat nicht zu folgen. Das Landesarbeitsgericht verkennt damit die Bedeutung der Unterzeichnung eines bestimmenden Schriftsatzes wie der Berufungsbegründung durch eine postulationsfähige Person.
2. Nach § 130 Nr. 6 ZP0 sollen vorbereitende Schriftsätze - in Anwaltsprozessen - die Unterschrift des Anwalts tragen. Entgegen dem Wortlaut haben die Rechtsprechung und die herrschende Meinung in der Literatur auch im Zivilprozeß seit jeher die eigenhändige Unterschrift des Anwalts für die Rechtsmitteleinlegung und Begründung als zwingend angesehen (RGZ 151, 82, 84, 85; BGHZ 65, 46, 47; BGHZ 92, 251, 254; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 47. Aufl., § 129 Anm. 1 B; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 20. Aufl., § 129 Rz 8; Wieczorek, ZPO, 2. Aufl., § 129 Anm. A II a; andere Meinung: Kunz-Schmidt, NJW 1987, 1296, 1301, die eine gesetzliche Klarstellung für erforderlich hält). Das BAG hat sich dieser Rechtsprechung angeschlossen, es aber für zulässig gehalten, wenn der Nachweis, daß der bestimmende Schriftsatz trotz fehlender Unterschrift mit Wissen und Wollen des Verfassers bei Gericht eingegangen sei, anhand beiliegender Schriftstücke geführt werde (BAGE 28,1 = AP Nr. 1 zu § 4 KSchG 1969; BAGE 30, 86, 101 = AP Nr. 60 zu Art. 9 GG Arbeitskampf, zu 2 der Gründe). Der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes hat die von der Rechtsprechung vorgenommene Umwandlung der "Soll-Vorschrift" in eine "Muß-Vorschrift" als aus der Natur der Sache gegeben und vom Gesetz vorausgesetzt bestätigt (Beschluß vom 30. April 1979 - GmS-OGB 1/78 - in BGHZ 75, 340, 343).
In dem grundlegenden Beschluß des Großen Senats für Zivilsachen des Reichsgerichts vom 15. Mai 1936 (RGZ 151, 82) ist das "Muß-Erfordernis" zum einen damit begründet worden, aus der Begründung des amtlichen Entwurfs der ZPO von 1874 ergebe sich, daß die Anwaltsunterschrift eine "essentielle" Selbstverständlichkeit sei, vor allem müsse der zwingende Charakter der Norm aber aus dem Sinn und Zweck der Unterschrift abgeleitet werden. Der eigenhändige Vollzug der Unterschrift durch den Anwalt stelle klar, daß es sich nicht um einen bloßen Entwurf, sondern ernsthaft um eine prozessuale Erklärung handele, die von einem Anwalt herrühre und von diesem verantwortet werde. Desweiteren sei ein Bedürfnis der Rechtspflege feststellbar, daß vermeidbare Zweifel ausgeschlossen werden, ob eine für den Gang des Verfahrens wesentliche Prozeßhandlung auch von der nach dem Gesetz allein hierzu fähigen Person vorgenommen worden sei. Damit solle verhindert werden, daß die dem Allgemeinwohl dienenden Bestimmungen über den Anwaltszwang umgangen werden.
3. Von diesem Grundsatz hat die Rechtsprechung angesichts der seit dem Inkrafttreten der Reichsjustizgesetze gewandelten technischen Verhältnisse Ausnahmen zugelassen. Der Große Zivilsenat des Reichsgerichts hat nicht nur die "gewohnheitsrechtliche Anerkennung von telegrafischen Rechtsmitteleinlegungen" (RGZ 139, 45, 47) bestätigt, sondern auch - den Urteilen des Reichsarbeitsgerichts vom 23. Februar 1929 (RAGE 3, 252) und des Reichsgerichts vom 28. November 1932 (RGZ 139, 45) folgend - es genügen lassen, daß das für das Gericht maßgebliche Ankunftstelegramm selbst dann der gesetzlichen Form entspricht, wenn es lediglich fernmündlich aufgegeben worden ist, so daß für das sogenannte Aufgabetelegramm keine handschriftlich unterschriebene Vorlage existiert (RGZ 151, 82, 86). Zur Begründung hat der Große Senat darauf hingewiesen, daß "man unter den heutigen Verhältnissen... die Abgabe prozessualer Erklärungen (durch Telegramm) nicht mehr ausschließen kann"; denn "ein solcher Schritt würde vom Verkehr nicht verstanden, sondern mit Recht als Rückschritt empfunden werden" (RGZ 139, 45, 47). Von daher gelte eine "durch die Eigenart des telegrafischen Verkehrs bedingte Ausnahme" von dem Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift (RGZ 151, 82, 86). Von dieser Rechtsfortbildung sind nach Gründung der Bundesrepublik der BGH und alle anderen obersten Gerichtshöfe des Bundes einschließlich des Bundesverfassungsgerichts bei der Lösung der durch die sich fortentwickelnde Nachrichtentechnik neu entstehenden Fragen ausgegangen (vgl. die Nachweise bei BGHSt 31, 7, 8 und BVerfGE 74, 228, 235; zustimmend Stein/Jonas/Leipold, aa0, § 129 Rz 9; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, aa0, § 129 Anm. 1 C D; kritisch allein: Wieczorek, aa0, § 129 Anm. A II a 4). So hat der BGH weitergehend die fernschriftliche Einlegung der Berufung zugelassen, "da die Erwägungen des Reichsgerichts für dieses Verfahren ebenfalls zuträfen" (BGH Beschluß vom 30. Januar 1951 - V BLw 57/49 - LM § 31 LVO Nr. 1; Urteil vom 7. Mai 1954 - I ZR 168/52 - LM § 42 PatG Nr. 4; BGHZ 65, 10) und es bei telegrafischer Rechtsmitteleinlegung ausreichen lassen, wenn der zuständige Beamte des Gerichts die dem Zugang des Ankunftstelegramms vorausgehende fernmündliche Durchsage des Telegrammtextes in Form einer Aktennotiz aufnimmt (BGH Beschluß vom 29. April 1960 - 1 StR 114/60 - NJW 1960, 1310, 1311).
Allerdings ist auch bei diesen, die Möglichkeit der modernen Übertragungstechniken im Interesse des rechtssuchenden Bürgers nutzbar machenden Entscheidungen nicht von dem Erfordernis der Unterschrift im Sinne einer Identifizierung des Urhebers abgegangen worden. Es war lediglich von der Eigenhändigkeit "befreit" worden; denn es wurde an der Notwendigkeit der namentlichen Bezeichnung der Person, die die Erklärung verantwortet, festgehalten (BVerwG Urteil vom 14. Dezember 1955 - V C 138/55 - NJW 1956, 605; BFH Urteil vom 24. Juli 1973 - IV R 204/69 - BB 1973, 1517; BGH Beschluß vom 27. April 1967 - I a ZB 19/66 - NJW 1967, 2114; BGH Beschluß vom 23. Juni 1988 - X ZB 3/87 - NJW 1988, 2788) "als Ersatz der an sich erforderlichen, technisch aber nicht möglichen, Unterschrift". Unter Hinweis auf diese Entwicklung der Rechtsprechung hat der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes es zugelassen, daß für die Revisionsbegründung einer Behörde die Unterschrift des Verfassers in Maschinenschrift wiedergegeben wird, wenn zugleich ein Beglaubigungsvermerk beigefügt ist (GmS OGB Beschluß vom 30. April 1979, BGHZ 75, 340, 350 f.). Die Anwendung dieser Grundsätze blieb nicht auf die Einlegung von Rechtsmitteln beschränkt, sondern erstreckt sich auch auf deren Begründung (BGH Beschluß vom 25. März 1986 - IX ZB 15/86 - NJW 1986, 1759, 1760).
Für die neu entwickelten technischen Übertragungssysteme des Fernkopierens einer Vorlage über das öffentliche Fernsprechnetz direkt an das Rechtsmittelgericht als Empfänger (Telefax-Dienst) oder - bei fehlendem Empfangsgerät des Gerichts - an die nächstgelegene Postanstalt, die dann per Eilboten die Telekopie noch am gleichen Tag überbringt (Telebrief), hat die Rechtsprechung ebenfalls die Eignung zur Erfüllung der prozessualen Formvorschrift bejaht (BAGE 53, 105 = AP Nr. 12 zu § 72 ArbGG 1979; 50, 348 = AP Nr. 2 zu § 94 ArbGG 1979; 43, 46 = AP Nr. 54 zu § 1 LohnFG; BGHZ 87, 63; BGHZ 79, 314; BSG Beschluß vom 28. Juni 1985 - 7 BAr 36/85 - AP Nr. 1 zu § 160 a SGG; BFHE 136, 38). Da durch diese Weiterentwicklung der fernmeldetechnischen Übertragungsmöglichkeiten die gesamte Urschrift einschließlich der handschriftlich vollzogenen Unterschrift durch das Empfangsgerät reproduziert wird, hat die Rechtsprechung folgerichtig für die Formwahrung die Wiedergabe der eigenhändigen Unterschrift des Anwalts verlangt (BAGE 53, 105, 107; BAGE 50, 348, 355; BSG Beschluß vom 28. Juni 1985, aa0). Der Rechtsmittelführer muß das, was technisch möglich ist, leisten, um die Anforderung der eigenhändigen Unterschrift zu erfüllen (BAGE 50, 348, 354). Wirksamkeitsvoraussetzung ist lediglich, daß die Rechtsmitteleinlegung entweder im Rahmen des Telebriefdienstes oder durch direkte Telefax-Übermittlung zum Empfangsgerät des Rechtsmittelgerichts erfolgt. Bei fehlendem Empfangsgerät des Gerichts dürfe kein privater Empfänger als Bote zwischengeschaltet werden, da so nicht mit der erforderlichen Gewißheit angenommen werden könne, daß die Weiterleitung an das Gericht dem Willen des Urhebers entspreche (BGHZ 79, 314, 318).
4. Diesen auf die jeweiligen Besonderheiten der benutzten Übertragungstechnik abstellenden Grundsätzen der Rechtsprechung wird die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts nicht gerecht, wenn sie die Übermittlung eines bestimmenden Schriftsatzes von einem privaten, nicht dem Unterzeichner des Schriftsatzes gehörenden Fernkopierer nicht ausreichen läßt, um der Formvorschrift des § 130 Nr. 6 ZP0 zu genügen.
a) Die Rechtsprechung ist seit mehr als 50 Jahren bestrebt, den Rechtssuchenden die Wahrung ihrer Rechte zu erleichtern und ihnen bei drohendem Ablauf der Rechtsmittelfrist durch die im Unterschied zum Briefverkehr schnelleren fernmeldetechnischen Übertragungswege die Einhaltung der Frist bzw. deren volle Ausschöpfung zu ermöglichen (BGHSt 31, 7, 9; BGHZ 24, 297, 301). Dieses Bestreben ist auch verfassungsrechtlich unter dem Gesichtspunkt des gleichen Zugangs zu den Gerichten geboten; denn der Gesetzgeber und auch die Rechtsprechung müssen auf den jeweiligen Stand der Nachrichtenübertragungstechnik Rücksicht nehmen (BVerfGE 74, 228, 234). Soweit die Zwecke der prozessualen Formvorschrift gewahrt bleiben, insbesondere die Ernsthaftigkeit der Rechtsmittelbegründung und die Identifizierung des Urhebers überprüfbar sind, können daher auch keine Bedenken gegen die Verwendung moderner Übertragungstechniken bestehen, auch wenn diese von einem Privatanschluß aus benutzt werden können. Bei Sendung der Vorlage einer Rechtsmittelbegründung an ein Postamt mit der Weiterleitung an ein Gericht oder bei direkter fernmeldetechnischer Verbindung zu dem gerichtlichen Empfangsgerät wird die Tatsache, daß der Schriftsatz mit Wissen und Wollen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet wird, schon aus der notwendigen Empfängerkennung deutlich. Durch die Empfängerkennung stellt - ebenso wie beim Fernschreiber - der Absender einer Telekopie bewußt die Verbindung zum Empfänger her (vgl. BGH Beschluß vom 25. März 1986, NJW 1986, 1759, 1760). Der Urheber muß sich aus dem Inhalt der Fernkopie ergeben. Durch den "Briefkopf" des Schriftsatzes und die lesbare, eigenhändig vollzogene Unterschrift wird der Urheber der prozessualen Erklärung hinreichend gekennzeichnet. Der Angabe derjenigen Person, von dessen Fernkopieranschluß aus gesendet worden ist, bedarf es ebensowenig, wie im Ankunftstelegrammblatt der Name des Inhabers des Fernsprechanschlusses enthalten sein muß, von dessen Fernsprechgerät das Telegramm fernmündlich aufgegeben worden ist.
b) Die vom Landesarbeitsgericht gesehene Gefahr, daß eine manipulierte Vorlage als Fernkopie gesendet wird, läßt sich nicht dadurch ausschließen, daß die Benutzung eines privaten, nicht dem Prozeßbevollmächtigten gehörenden Fernkopieranschlusses ausgeschlossen wird. Diese Gefahr besteht in gleicher Weise bei Benutzung des Fernkopieranschlusses des Prozeßbevollmächtigten oder auch der Deutschen Bundespost. Auch die Deutsche Bundespost ist nicht verpflichtet und nicht in der Lage, das zur Sendung einer Fernkopie vorgelegte Original daraufhin zu überprüfen, ob es frei von "Manipulationen" ist. Auch die vom Fernkopieranschluß des Prozeßbevollmächtigten gesendete Kopie kann auf einem "manipulierten" Original beruhen. Nicht einmal bei einem in herkömmlicher Weise auf dem Postwege übermittelten Schriftsatz läßt sich mit Sicherheit ausschließen, daß dieser oder dessen Unterschrift nicht gefälscht ist. Die an bestimmende Schriftsätze von der Rechtsprechung gestellten Formerfordernisse dienten daher auch nicht dem Zweck, Manipulationen bei der Herstellung oder Unterzeichnung des Schriftsatzes auszuschließen. Sichergestellt werden sollte lediglich, daß der Unterzeichner des Schriftsatzes als postulationsfähige Person bestimmbar ist und daß der bestimmende Schriftsatz mit dessen Willen als solcher unmittelbar dem Gericht zugeleitet worden ist. Das wird gewährleistet, wenn vom Zeitpunkt der "Absendung" des Schriftsatzes, sei es durch Aufgabe zur Post, sei es durch fernmündliche Aufgabe eines Telegramms, durch Sendung eines Fernschreibens oder durch Sendung einer Fernkopie, bis zur Ankunft beim Gericht keine dritte Person mehr eingeschaltet ist. Ob eine Rechtsmittelschrift nach erfolgter Unterzeichnung überhaupt mit Willen des Unterzeichners in diesem Sinne "abgesandt" worden ist, läßt sich keiner der auf eine solche Weise übermittelten Rechtsmittelschrift entnehmen. Die gesetzlich vorgeschriebene Schriftform für bestimmende Schriftsätze hat daher auch nicht den Zweck, eine ungewollte "Absendung" des Schriftsatzes zu verhindern. Es kann daher auch nicht darauf ankommen, welche Personen oder welche technischen Geräte bei der "Absendung" des bestimmenden Schriftsatzes eingeschaltet waren oder benutzt worden sind. Von daher ist es auch unerheblich, ob die Fernkopie eines bestimmenden Schriftsatzes vom Kopieranschluß der Deutschen Bundespost, des Prozeßbevollmächtigten oder von dem eines Dritten gesendet wird.
Damit erweist sich die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts als rechtsfehlerhaft. Andere Umstände, die es rechtfertigen könnten, die Berufung der Beschwerdeführer als unzulässig zu verwerfen, sind vom Landesarbeitsgericht nicht festgestellt worden und auch sonst nicht ersichtlich. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts war daher aufzuheben.
Darüber, welche Anforderungen an die Wahrung der Schriftform privatrechtlicher Erklärungen bei der Benutzung moderner Übertragungstechniken zu stellen sind, hatte der Senat nicht zu entscheiden.
Dr. Kissel Matthes Dr. Weller
Fundstellen
Haufe-Index 437118 |
BAGE 61, 201-209 (LT1) |
BAGE, 201 |
DB 1989, 1144 (LT1) |
NJW 1989, 1822 |
NJW 1989, 1822-1824 (LT1) |
BRAK-Mitt 1989, 164 (L) |
EBE/BAG 1989, 74-76 (LT1) |
DRsp, IV (412) 206 b-c (T) |
CR 1989, 709-711 (LT1) |
JR 1989, 396 |
NZA 1989, 525-527 (LT1) |
RdA 1989, 310 |
AP § 130 ZPO (LT1), Nr 10 |
AR-Blattei, Arbeitsgerichtsbarkeit XB 1979 Entsch 40 (LT1) |
AR-Blattei, ES 160.10.2 (1979) Nr 40 (LT1) |
EzA § 519 ZPO, Nr 5 (LT1) |
GdS-Zeitung 1989, Nr 11, 18 (K) |
HV-INFO 1989, 1652-1656 (LT1) |
MDR 1989, 851 (LT1) |
NJW-CoR 1989, Nr 5, 30 (S) |