Entscheidungsstichwort (Thema)
Honorar eines Gewerkschaftssekretärs als Einigungsstellenbeisitzer
Normenkette
BetrVG 1972 § 76
Verfahrensgang
LAG Hamm (Beschluss vom 29.06.1988; Aktenzeichen 12 TaBV 55/88) |
ArbG Herne (Beschluss vom 04.03.1988; Aktenzeichen 5 BV 25/87) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde der beteiligten Arbeitgeberin gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 29. Juni 1988 – 12 TaBV 55/88 – wird zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem antragstellenden Gewerkschaftssekretär für seine Tätigkeit als Einigungsstellenbeisitzer ein Honoraranspruch gegen die beteiligte Arbeitgeberin zusteht.
Im Jahre 1986 verhandelte die Arbeitgeberin mit ihrem Betriebsrat über die zeitliche Lage eines Teils des Betriebsurlaubs für das Jahr 1987. Nachdem der Betriebsrat keine Möglichkeit für eine gütliche Einigung mehr sah, beschloß er in seiner Sitzung vom 13. November 1986, die Einigungsstelle anzurufen. Jede Seite sollte drei Beisitzer benennen; für den Betriebsrat waren neben seinem Vorsitzenden der Antragsteller und der Rechtssekretär M als Beisitzer vorgesehen. Außerdem beschloß der Betriebsrat:
„Für die externen Beisitzer gibt der Betriebsrat eine Honorarzusage in der üblichen Höhe, das heißt 7/10 des Honorars des Vorsitzenden.”
Mit Schreiben vom 13. November 1986 teilte der Betriebsrat der Arbeitgeberin seine Vorschläge hinsichtlich der Besetzung der Einigungsstelle, nicht aber die erteilte Honorarzusage mit. Nachdem die Arbeitgeberin die Vorschläge des Betriebsrats mit Schreiben vom 20. November 1986 abgelehnt hatte, beantragte der Betriebsrat beim Arbeitsgericht die Bestellung eines Einigungsstellenvorsitzenden und die Bestimmung der Zahl der Beisitzer. Dieses Beschlußverfahren (ArbG Herne – 3 (2) BV 32/86 –) endete am 12. Dezember 1986 mit einem gerichtlich protokollierten Vergleich, in dem eine Einigung sowohl über die Person des Einigungsstellenvorsitzenden als auch darüber erzielt wurde, daß die Zahl der Beisitzer für jede Seite auf zwei festgesetzt wurde. Daraufhin beschloß der Betriebsrat in seiner Sitzung vom 12. Dezember 1986, seinen Vorsitzenden und den Antragsteller als Beisitzer in die Einigungsstelle zu entsenden.
Die Einigungsstelle tagte am 16. und 19. Dezember 1986 und beendete das Verfahren mit einem Spruch, der von keinem der Beteiligten gerichtlich angegriffen wurde. Der Vorsitzende der Einigungsstelle erhielt von der beteiligten Arbeitgeberin ein Honorar in Höhe von 2.704,– DM. Daraufhin stellte der Antragsteller der beteiligten Arbeitgeberin mit Schreiben vom 15. Januar 1987 ein Honorar in Höhe von 1.892,80 DM (7/10 von 2.704,– DM) in Rechnung und mahnte diesen Betrag mit Schreiben vom 28. Januar 1987 unter Fristsetzung bis zum 10. Februar 1987 an.
Nachdem die beteiligte Arbeitgeberin die Zahlung verweigerte, leitete der Antragsteller das vorliegende Beschlußverfahren mit dem Antrag ein,
die Antragsgegnerin zu verpflichten, an ihn 1.892,80 DM netto nebst 4 % Zinsen seit dem 10. Februar 1987 zu zahlen.
Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen.
Sie hat im wesentlichen die Auffassung vertreten, dem Antragsteller kein Honorar zu schulden, da der Betriebsrat es pflichtwidrig unterlassen habe, ihr die Honorarzusage mitzuteilen. Sie habe deswegen davon ausgehen können, daß sie nur ein Honorar an den Vorsitzenden der Einigungsstelle zu zahlen habe. Sollte darin, daß sie gegen die Mitwirkung des Antragstellers an den Einigungsstellensitzungen keine Einwände erhoben habe, ihre Zustimmung zur Bestellung des Antragstellers gegen Honorarzahlung zu sehen sein, fechte sie eine solche Erklärung wegen arglistiger Täuschung an. Denn der Betriebsrat habe es im Zusammenwirken mit dem Antragsteller bewußt unterlassen, sie über den vollen Inhalt des Betriebsratsbeschlusses vom 13. November 1986 zu unterrichten. Im übrigen sei der Betriebsrat angesichts der rein betriebsbezogenen Thematik gehalten gewesen, nur Betriebsangehörige zu Beisitzern der Einigungsstelle zu bestellen. Jedenfalls sei die Bestellung eines betriebsfremden Beisitzers unter Erteilung einer Honorarzusage nicht notwendig gewesen. Auch habe der Betriebsrat die erforderliche Prüfung unterlassen, ob ein betriebsfremder Beisitzer ohne Honorarzusage hätte gewonnen werden können.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben; das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde der Arbeitgeberin zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen.
Mit ihrer Rechtsbeschwerde verfolgt die Arbeitgeberin ihr auf Zurückweisung des Antrags gerichtetes Begehren weiter. Der Antragsteller beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben dem Antrag zu Recht stattgegeben, denn dem Antragsteller steht das geltend gemachte Honorar zu.
1. Das Landesarbeitsgericht hat seiner Entscheidung zutreffend die bis zum 31. Dezember 1988 geltende Rechtslage zugrundegelegt. Die aufgrund des Gesetzes vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I S. 2312) geschaffene Vorschrift des § 76 a BetrVG ist erst am 1. Januar 1989 in Kraft getreten und kommt daher als Anspruchsgrundlage für die vom Antragsteller im Jahre 1986 wahrgenommene Beisitzertätigkeit nicht in Betracht.
2. Mithin ist für die Honorarforderung des Antragstellers von § 76 BetrVG als Anspruchsgrundlage auszugehen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. zuletzt Senatsbeschlüsse vom 14. Dezember 1988 – 7 ABR 73/87 – AP Nr. 30 zu § 76 BetrVG 1972, zu C II 1 der Gründe, m.w.N. und vom 21. Juni 1989, BAGE 62, 129, 132 = AP Nr. 35, aaO, zu B II 1 a der Gründe), an der der Senat festhält, entsteht mit der Anrufung der Einigungsstelle durch den Betriebsrat oder durch den Arbeitgeber ein besonderes betriebsverfassungsrechtliches Rechtsverhältnis zwischen den Betriebspartnern. Inhalt dieses Rechtsverhältnisses ist nach § 76 Abs. 2 BetrVG auch die Befugnis des Betriebsrats, die Beisitzer einer Einigungsstelle auf Arbeitnehmerseite in der zuvor mit dem Arbeitgeber vereinbarten oder vom Arbeitsgericht festgesetzten Zahl zu bestellen. Durch seine Bestellung zum Mitglied der Einigungsstelle nimmt auch der Beisitzer an dem zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat durch die Anrufung der Einigungsstelle bestehenden besonderen Rechtsverhältnis teil, das auch seine Rechte und Pflichten bestimmt. Hierzu gehört auch der Anspruch des betriebsfremden Beisitzers auf Honorar für seine Tätigkeit in der Einigungsstelle, wenn sie erforderlich war oder der Betriebsrat sie für erforderlich halten durfte.
Nach § 76 Abs. 2 Satz 1 BetrVG ist die Befugnis zur Bestellung von Beisitzern nicht auf einen bestimmten Personenkreis beschränkt. Beide Betriebspartner können danach auch Personen in die Einigungsstelle berufen, die nicht dem Betrieb angehören. Der Betriebsrat ist befugt, betriebsfremde Personen als Beisitzer zu bestellen, die nur bereit sind, gegen ein Honorar tätig zu werden, wenn er andere Personen, die sein Vertrauen genießen, nicht findet. Unter diesen Voraussetzungen ist der Betriebsrat insbesondere auch berechtigt, Gewerkschaftsfunktionäre zu Beisitzern von Einigungsstellen zu bestellen und mit ihnen Honorarvereinbarungen abzuschließen (BAG Beschlüsse vom 11. Mai 1976 – 1 ABR 37/75 –, vom 14. Januar 1983 – 6 ABR 67/79 – und vom 3. Mai 1984 – 6 ABR 60/80 – AP Nr. 3, 12 und 15 zu § 76 BetrVG 1972; Senatsbeschluß vom 14. Dezember 1988, aaO).
3. Die Anwendung dieser Grundsätze führt im Streitfall zu dem Ergebnis, daß sowohl die Bestellung des Antragstellers zum Beisitzer der Einigungsstelle als auch die vom Betriebsrat gemachte Honorarzusage dem Grunde nach nicht zu beanstanden sind. Die hiergegen vorgebrachten Einwendungen der Rechtsbeschwerde sind unbegründet.
a) So ist insbesondere unerheblich, daß der Betriebsrat der Arbeitgeberin die dem Antragsteller gemachte Honorarzusage nicht mitgeteilt hat. Zugunsten der Arbeitgeberin kann unterstellt werden, daß den Betriebsrat (insbesondere aus dem Gesichtspunkt der vertrauensvollen Zusammenarbeit) eine derartige Mitteilungspflicht traf. Denn jedenfalls ist, wie schon das Landesarbeitsgericht zutreffend betont hat, nicht ersichtlich, wieso eine Verletzung dieser Mitteilungspflicht den Honoraranspruch des Antragstellers berühren sollte.
Die Wirksamkeit einer Honorarzusage durch den Betriebsrat hängt nicht von der Mitwirkung des Arbeitgebers ab. Daher kann für sie auch nicht Voraussetzung sein, daß der Arbeitgeber von ihr Kenntnis hatte. Unerheblich ist deshalb auch, ob der Arbeitgeber mit der Honorarzusage einverstanden war. Schon deshalb geht übrigens auch die von der beteiligten Arbeitgeberin erklärte Anfechtung ins Leere.
b) Erheblich erscheint demgegenüber der Einwand der Rechtsbeschwerdeführerin, das Landesarbeitsgericht habe nicht geprüft, ob die Bestellung eines unternehmensfremden Einigungsstellenbeisitzers und insbesondere die Honorarzusage erforderlich waren. Denn nach der oben angeführten Rechtsprechung ist Voraussetzung der Wirksamkeit einer Honorarzusage, daß sie erforderlich war bzw. der Betriebsrat sie für erforderlich halten durfte; hierfür ist insbesondere bedeutsam, ob der Betriebsrat andere Personen, die sein Vertrauen genießen und die zur unentgeltlichen Tätigkeit in der Einigungsstelle bereit sind, nicht findet.
Dennoch ist dieser Einwand im Entscheidungsfalle unbegründet. In der Niederschrift über die mündliche Anhörung vor dem Landesarbeitsgericht vom 29. Juni 1988 ist als unstreitiger Sachvortrag der Beteiligten festgehalten, daß im Termin vom 12. Dezember 1986 des vorangegangenen Beschlußverfahrens der Vorsitzende des Arbeitsgerichts darauf hingewiesen hatte, daß sich die beteiligte Arbeitgeberin gegen externe Beisitzer nicht wehren könne. Dennoch kam es zum Vergleichsabschluß; dieser Vergleich ist der maßgebliche Ausgangspunkt für den Stand der Verhandlungen zwischen den Beteiligten hinsichtlich der vorliegenden Einigungsstelle. Der Rechtsbeschwerdeführerin mußte nunmehr bewußt gewesen sein, daß durch die Bestellung externer Beisitzer auch Honorarforderungen auf sie zukamen. Überdies dürften auch bereits bei dem vorangegangenen Widerstand der Arbeitgeberin gegen die Bestellung von jeweils drei Einigungsstellenbeisitzern Kostengesichtspunkte im Vordergrund gestanden haben. Angesichts der dennoch erfolgten gütlichen Einigung zwischen dem Betriebsrat und der Arbeitgeberin im vorangegangenen Beschlußverfahren durfte daher der Betriebsrat nunmehr davon ausgehen, daß die Arbeitgeberin die Erforderlichkeit eines externen Einigungsstellenbeisitzers und damit einer Honorarzusage an ihn nicht mehr in Zweifel zog. Auch objektiv ist kein konkreter Anhaltspunkt dafür ersichtlich, daß der Betriebsrat einen anderen Beisitzer hätte finden können, der sein Vertrauen genossen hätte und zu einer unentgeltlichen Tätigkeit bereit gewesen wäre.
4. Unbegründet sind auch die Einwendungen der Rechtsbeschwerdeführerin gegen die Höhe der Honorarzusage.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hält sich die Zusage eines Honorars des Einigungsstellenbeisitzers in Höhe von 7/10 des dem Vorsitzenden der Einigungsstelle durch den Arbeitgeber zugesagten oder gezahlten Honorars in einem vernünftigen und angemessenen Verhältnis zum Honorar des Einigungsstellenvorsitzenden und entspricht damit jedenfalls grundsätzlich billigem Ermessen (vgl. Beschlüsse vom 6. April 1973 – 1 ABR 20/72 –, vom 15. Dezember 1978 – 6 ABR 93/77 –, vom 13. Januar 1981 – 6 ABR 106/78 –, vom 14. Januar 1983 – 6 ABR 67/79 –, vom 3. Mai 1984 – 6 ABR 60/80 – und vom 14. Dezember 1988 – 7 ABR 73/87 – AP Nr. 1, 6, 8, 12, 15 und 30 zu § 76 BetrVG 1972).
Auch an dieser Rechtsprechung hält der Senat jedenfalls für die bis zum Inkrafttreten des § 76 a BetrVG geltende Rechtslage fest. Für diese alte Rechtslage ist insbesondere unerheblich, ob es, wie die Rechtsbeschwerdeführerin meint, der gesetzgeberischen Intention zum neuen § 76 a BetrVG widerspräche, dem Beisitzer weiterhin im Regelfalle einen Anspruch in Höhe von 7/10 des Honorars des Einigungsstellenvorsitzenden zuzuerkennen.
Ausreichend konkrete Anhaltspunkte dafür, weshalb der Entscheidungsfall derart besonders gelagert sei, daß in ihm eine Vergütung in Höhe von 7/10 des Vorsitzendenhonorars unbillig hoch erscheine, enthält die Rechtsbeschwerdebegründung nicht. In den Vorinstanzen hatte die beteiligte Arbeitgeberin gegen die Höhe des dem Antragsteller zugesagten Honorars noch keine Einwendungen erhoben.
Unterschriften
Dr. Seidensticker, Schliemann, Dr. Steckhan, Stappert, Schmalz
Fundstellen