Entscheidungsstichwort (Thema)
Leitender Angestellter Bereichsleiter einer Spielbank. Leitender Angestellter Bereichsleiter einer Spielbank Betriebsverfassungsrecht
Leitsatz (amtlich)
Die von § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BetrVG vorausgesetzte Personalverantwortung kann den Status als leitender Angestellter nur begründen, wenn sie von erheblicher unternehmerische Bedeutung ist. Diese kann sich aus der Zahl der betreffenden Arbeitnehmer oder aus der Bedeutung von deren Tätigkeit für das Unternehmen ergeben.
Orientierungssatz
- Nach § 105 BetrVG bedarf die Einstellung eines leitenden Angestellten iSd § 5 Abs. 3 BetrVG auch dann nicht der Zustimmung des Betriebsrats, wenn der Betroffene zunächst nur befristet zur Probe beschäftigt wird.
- Die in § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BetrVG geregelte formale Personalkompetenz bedarf nach dem Zweck des § 5 Abs. 3 BetrVG einer teleologischen Beschränkung. Den Status eines leitenden Angestellten kann sie nur begründen, wenn sich die Einstellungs- und Entlassungsbefugnis auf ein entsprechend bedeutsames Aufgabengebiet bezieht.
- Die von § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BetrVG verlangte selbständige Ausübung der Personalkompetenz wird durch eine Bindung des betroffenen Angestellten an ein Budget oder einen Stellenplan nicht in Frage gestellt. Das gilt auch, wenn der Angestellte für die von ihm zu verantwortenden Einstellungen und Entlassungen zu Kontrollzwecken der Unterschrift eines Dritten bedarf.
Normenkette
BetrVG 1972 § 5 Abs. 3 S. 2 Nrn. 1-3, § 99 Abs. 1, § 105
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats wird der Beschluß des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 9. Januar 2001 – 13 TaBV 72/00 – aufgehoben.
Das Verfahren wird zur anderweiten Anhörung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
A. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Arbeitgeberin, die Einstellung eines Bereichsleiters aufzuheben.
Die Arbeitgeberin betreibt in Nordrhein-Westfalen mehrere Spielbanken. Sie beschäftigt insgesamt 800 Arbeitnehmer. Antragsteller ist der für die Spielbank B gewählte Betriebsrat. Dort sind etwa 120 Arbeitnehmer tätig.
Leiter der Spielbank ist der Spielbankdirektor. Ihm nachgeordnet sind drei Bereichsleiter. Je ein Bereichsleiter ist zuständig für den Bereich “Gästeservice/Marketing” mit 25 Arbeitnehmern, “Klassisches Spiel” mit 67 Arbeitnehmern und “Automatenspiel” mit 12 bis 14 Arbeitnehmern. Nach einer im Organisationshandbuch der Arbeitgeberin enthaltenen Stellenbeschreibung hat der Spielbankdirektor ua. folgende Aufgaben:
Zum Bereich “Automatenspiel” heißt es in Nr. 4.4 des Organisationshandbuchs:
“…
Personaleinsatz und -entwicklung: Die Verantwortung für den Personaleinsatz im Bereich Automatenspiel hat der Bereichsleiter. Hierzu gehören Mitarbeiterdisposition, Regelung von Vertretungen, Urlaubsplanung und die Genehmigung von Urlaubsanträgen sowie Dienstreiseanträgen für eintägige Dienstreisen. Der Bereich Automatenspiel wirkt mit bei der Personalplanung und Personalbeschaffung sowie den innerbetrieblichen Ausbildungsmaßnahmen und Personalbeurteilungen.
…
Der Bereichsleiter stellt sicher, daß die für seinen Bereich relevanten Richtlinien beachtet werden. Er hat volle Entscheidungsfreiheit im Rahmen der Budgetgrenzen und Unterschriftenregelungen.
…
Der Bereichsleiter Automatenspiel verfügt über ein am Jahresanfang mit der Casinodirektion abgestimmtes Budget. Im Rahmen des Stellenplans kann er für seinen Bereich Mitarbeiter einstellen und entlassen.”
Die Arbeitgeberin hat außerdem eine Unterschriftenregelung geschaffen. Darin heißt es in Nr. 1.2:
“Die Unterschriftenleistung erfolgt grundsätzlich im Vieraugenprinzip. Wer ein Schriftstück unterzeichnet, übernimmt damit die Verantwortung für eine ordnungsgemäße Bearbeitung des Vorgangs. Die Unterschriftsberechtigten (siehe Anlage) haften gegenüber der Gesellschaft für Schäden, die sich aus einer Fehlbearbeitung oder einer unberechtigten Unterschrift ergeben, und zwar der Bearbeiter für schuldhafte Fehlbearbeitung, der Mitunterzeichner für erkennbare Unrichtigkeiten.”
Zur Unterschriftenregelung in den Personalangelegenheiten der Spielbanken ist in Nr. 2.9.3 bestimmt:
“Der Spielbankdirektor unterschreibt Personalangelegenheiten bis zur Bereichsleiterebene zusammen mit der Geschäftsführung oder einem Beauftragten der Geschäftsführung.
Der Bereichsleiter unterschreibt mit einem zweiten Bereichsleiter oder dem Spielbankdirektor Personalangelegenheiten der tariflichen Mitarbeiter des Spielcasinos.”
Mit Schreiben vom 26. Juni 1999 unterrichtete die Arbeitgeberin den Betriebsrat über die zunächst befristete Einstellung von Herrn P als Bereichsleiter “Automatenspiel” zum 1. Juli 1999. Nach Ablauf des Zeitvertrags wurde Herr P auf Dauer beschäftigt.
Der Betriebsrat hat der Einstellung widersprochen. Er hat die Auffassung vertreten, es handele sich um eine nach § 99 Abs. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtige Maßnahme. Herr P sei kein leitender Angestellter. Die Arbeitgeberin habe sich nicht nach § 105 BetrVG auf die Mitteilung der Einstellung beschränken dürfen. Im Unternehmen der Arbeitgeberin liege die Personalverantwortung nicht bei den Bereichsleitern, sondern bei den Leitern der Spielbanken. Die Personalführungsbefugnis der Bereichsleiter gelte nur im Rahmen eines vorgegebenen Stellenplans und sei auf einen Teilbereich des Betriebs begrenzt. Die personelle Verantwortung des Bereichsleiters “Automatenspiel” betreffe zudem nur eine geringe Zahl von Arbeitnehmern, die wegen ihrer Tätigkeit im Automatensaalservice oder als Automatensaaltechniker niedrigen tariflichen Entgeltgruppen zugeordnet seien. Die Personalführungsbefugnis eines solchen Bereichsleiters habe deshalb nicht die von § 5 Abs. 3 Satz 2 BetrVG vorausgesetzte unternehmerische Bedeutung.
Der Betriebsrat hat beantragt,
die Arbeitgeberin zu verpflichten, die Beschäftigung des Bereichsleiters J P aufzuheben.
Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Antrag abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, Herr P sei leitender Angestellter. Er sei zur selbständigen Einstellung und Entlassung von Arbeitnehmern seiner Betriebsabteilung berechtigt. Diese Befugnis sei nicht beschränkt. Die Unterschriftenregelung diene nur Kontrollzwecken. Überschneidungen mit den personellen Befugnissen des Spielbankdirektors ergäben sich nicht. Diese erstreckten sich ausschließlich auf die Einstellung und Entlassung von Bereichsleitern und derjenigen Mitarbeiter, die keinem Bereich zugeordnet seien.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat sein ursprüngliches Antragsziel weiter. Die Arbeitgeberin beantragt die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.
Entscheidungsgründe
B. Auf die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats war der angefochtene Beschluß des Landesarbeitsgerichts aufzuheben und die Sache zur anderweiten Anhörung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Anhand der vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen kann nicht abschließend entschieden werden, ob das vom Betriebsrat beanspruchte Mitbestimmungsrecht hier zu verneinen ist, weil der Bereichsleiter “Automatenspiel” eine personelle Führungsfunktion innehat, die ihn zum leitenden Angestellten nach § 5 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG macht.
- Nach § 105 BetrVG bedarf die Einstellung eines leitenden Angestellten iSd. § 5 Abs. 3 BetrVG nicht der Zustimmung des Betriebsrats. Von einem solchen Einstellungsvorgang ist der Betriebsrat lediglich in Kenntnis zu setzen. Eine Beteiligung nach § 99 Abs. 1 BetrVG ist ausgeschlossen. Das gilt auch, wenn der Betroffene – wie vorliegend – zunächst befristet zur Probe beschäftigt wird, aber bereits während dieser Zeit die Aufgaben und Funktionen eines leitenden Angestellten nach § 5 Abs. 3 BetrVG ausübt (BAG 25. März 1976 – 1 AZR 192/75 – AP BetrVG 1972 § 5 Nr. 13 = EzA BetrVG 1972 § 5 Nr. 23).
- Das Fehlen eines Mitbestimmungsrechts in den personellen Angelegenheiten der leitenden Angestellten beruht auf der in § 5 Abs. 3 Satz 1 BetrVG normierten Herausnahme dieser Arbeitnehmergruppe aus dem Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes. Zweck dieser Regelung ist es, die Angelegenheiten derjenigen Arbeitnehmer der Einwirkung des Betriebsrats zu entziehen, die der Unternehmensleitung wegen ihrer Tätigkeit und der Bedeutung ihrer Funktion nahestehen (BAG 25. Oktober 1989 – 7 ABR 60/88 – BAGE 63, 200, 204; 29. Januar 1980 – 1 ABR 45/79 – BAGE 32, 381). Den Kreis der leitenden Angestellten legt § 5 Abs. 3 BetrVG zwingend fest. Dazu sind in Nr. 1 sowie in Nr. 2 formale personelle oder handelsrechtliche Vollmachten als typische Merkmale der Wahrnehmung von Arbeitgeberfunktionen geregelt. Demgegenüber enthält § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG eine auf die darin aufgeführten Führungsaufgaben bezogene funktionale Abgrenzung (zu BT-Drucks. 6/2729 S 11 f.; Leese Die Abgrenzung der leitenden Angestellten Europäische Hochschulschriften 1999 S 83, 85). Wie die Gesetzesformulierung in § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG mit dem Ausdruck “sonstige Aufgaben” nahelegt, regelt § 5 Abs. 3 Nr. 1 bis Nr. 3 BetrVG nur unterschiedliche Arbeitgeberfunktionen, wobei die ihnen jeweils zugrunde liegenden unternehmerischen Aufgaben gleichwertig sind (BAG 11. Januar 1995 – 7 ABR 33/94 – BAGE 79, 80, 85 ff. = AP BetrVG 1972 § 5 Nr. 55 mit Anm. Wlotzke).
Nach § 5 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG ist leitender Angestellter, wer nach Arbeitsvertrag und Stellung im Unternehmen oder im Betrieb zur selbständigen Einstellung und Entlassung von im Betrieb oder in der Betriebsabteilung beschäftigten Arbeitnehmern berechtigt ist. Diese Zuordnungskriterien beruhen auf der Wertung des Gesetzgebers, nach der eine Einstellungs- und Entlassungsbefugnis die leitende Funktion eines Angestellten im Betrieb oder im Unternehmen in besonderer Weise zum Ausdruck bringt (BAG 27. September 2001 – 2 AZR 176/00 – DB 2002, 1163). Diese unternehmerische Aufgabenstellung kann sich aus der Personalverantwortung für den Bereich des gesamten Unternehmens oder als unternehmerische Teilaufgabe auch aus der Personalverantwortung für einen Betrieb oder eine Betriebsabteilung ergeben (BAG 23. Januar 1986 – 6 ABR 51/81 – BAGE 51, 1, 7). Das kommt in der Neufassung des § 5 Abs. 3 BetrVG durch das am 1. Januar 1989 in Kraft getretene Gesetz zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes, über Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten und zur Sicherung der Montan-Mitbestimmung vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I S 2312) zum Ausdruck. Dazu hat der Gesetzgeber den früheren Eingangssatz zu § 5 Abs. 3 BetrVG um die Bezugspunkte des Unternehmens und des Betriebes ergänzt. Damit ist klargestellt, daß auch eine betriebsbezogene Aufgabe oder Funktion den Status eines leitenden Angestellten begründen kann (BAG 25. Oktober 1989 – 7 ABR 60/88 – AP BetrVG 1972 § 5 Nr. 42; Leese aaO S 109; Kraft GK-BetrVG 6. Aufl. § 5 Rn. 77; Fitting BetrVG 21. Aufl. § 5 Rn. 336 f.; Hess/Schlochauer/Glaubitz BetrVG 5. Aufl. § 5 Rn. 77).
Für die Abgrenzung gegenüber dem Kreis der sonstigen Arbeitnehmer genügt nach dem Wortlaut des § 5 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG bereits die Erfüllung eines formalen Merkmals. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift können danach auch bei Angestellten vorliegen, deren Personalkompetenzen nur von untergeordneter Bedeutung für den Betrieb und damit auch für das Unternehmen sind. Ein so weitgehender Anwendungsbereich wäre jedoch weder mit der aus der Systematik folgenden Gleichwertigkeit der in Nr. 1 bis Nr. 3 geregelten Funktionen noch mit dem Zweck der Vorschrift vereinbar. § 5 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG bedarf daher einer teleologischen Beschränkung. Die in Nr. 1 aufgeführte formale Befugnis kann den Status als leitender Angestellter nur begründen, wenn ihr auch ein entsprechend bedeutsames Aufgabengebiet zugrunde liegt (st. Rspr. BAG 29. Januar 1980 – 1 ABR 45/79 – BAGE 32, 381, 386 ff.; 25. Oktober 2001 – 2 AZR 358/00 – nv.; ErfK-Eisemann 2. Aufl. § 5 BetrVG Rn. 32; Fitting aaO § 5 Rn. 341 f.).
Die Regelung in § 5 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG enthält wie diejenige in Abs. 3 Nr. 2 und Nr. 3 unbestimmte Rechtsbegriffe. Deren Anwendung durch die Tatsachengerichte ist im Rechtsbeschwerdeverfahren nur daraufhin überprüfbar, ob der Bewertungsmaßstab verkannt wurde, die Gesamtwürdigung der maßgeblichen Umstände vertretbar ist und keine Verstöße gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze vorliegen (BAG 11. Januar 1995 – 7 ABR 33/94 – BAGE 79, 80, 82 f.; 27. September 2001 – 2 AZR 176/00 – aaO). Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts nicht stand. Das Beschwerdegericht hat schon bei der Prüfung, ob Herr P nach Arbeitsvertrag und Stellung im Betrieb überhaupt zur Einstellung und Entlassung von Arbeitnehmern befugt ist, wesentliche Umstände nicht bedacht. Es hat weiterhin nicht geprüft, welche unternehmerische Bedeutung die ihm zugewiesene Personalkompetenz hat. Stattdessen hat es auf Merkmale abgestellt, auf die es allenfalls bei einer Zuordnung zum Kreis der leitenden Angestellten nach § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG ankommen kann.
- Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, Herr P sei nach Arbeitsvertrag und Stellung im Betrieb zur Einstellung und Entlassung der Arbeitnehmer seines Bereichs befugt, ist durch die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Beschluß nicht gedeckt. Im Arbeitsvertrag ist diese Befugnis nicht ausdrücklich geregelt. Sie folgt auch nicht aus dem Organisationshandbuch der Arbeitgeberin, das überdies nicht Gegenstand der ausdrücklichen arbeitsvertraglichen Vereinbarung ist. Sie kann allenfalls darauf beruhen, daß Herr P mit Billigung der Arbeitgeberin diese Aufgabe tatsächlich wahrnimmt. Zwar bedarf eine den Anforderungen des § 5 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG genügende Personalführungsbefugnis keiner ausdrücklichen schriftlichen Vereinbarung im Arbeitsvertrag. Es genügt, wenn ein darauf gerichteter Wille der Vertragsparteien hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt. Ein solcher Wille kann sich aus der praktischen Durchführung eines Vertragsverhältnisses ergeben, weil die tatsächlich geübte Vertragspraxis Rückschlüsse auf das von den Arbeitsvertragsparteien tatsächlich Vereinbarte erlaubt (vgl. BAG 30. Januar 1991 – 7 AZR 497/89 – BAGE 67, 124, 135 f.; 28. November 1989 – 1 ABR 90/88 – AP AÜG § 14 Nr. 5 = EzA AÜG § 14 Nr. 2, zu B 1c der Gründe). Allerdings hat Herr P bisher nur Arbeitnehmer eingestellt. Ob er auch Arbeitnehmer entlassen hat, ist nicht festgestellt und von der Arbeitgeberin bisher nicht vorgetragen worden. Damit kann auf die Entlassungsbefugnis nicht aus einer praktischen Handhabung geschlossen werden. Dieser Sachverhalt ist vom Landesarbeitsgericht weiter aufzuklären.
Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht zwar erkannt, daß die selbständige Ausübung einer Personalkompetenz iSd. § 5 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG weder durch die von der Arbeitgeberin praktizierte Unterschriftenregelung noch durch die Bindung an einen Stellenplan oder ein vorgegebenes Budget in Frage gestellt wird. Es hat aber nicht hinreichend geprüft, ob die Personalkompetenz des Leiters der Spielbank die Einstellungs- und Entlassungsbefugnis eines Bereichsleiters wesentlich beschränkt.
Nach § 5 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG muß die Einstellungs- und Entlassungsbefugnis sowohl im Innenverhältnis als auch im Außenverhältnis bestehen. An dem Merkmal der Selbständigkeit fehlt es daher, wenn der Angestellte nur im Verhältnis zu den Arbeitnehmern, nicht aber im Innenverhältnis zu seinen Vorgesetzten befugt ist, über Einstellungen und Entlassungen zu entscheiden. Die Ausübung der Personalkompetenz darf nicht von der Zustimmung einer anderen Person abhängig sein. Allerdings liegt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keine Beschränkung der Einstellungs- und Entlassungsbefugnis vor, wenn der Angestellte lediglich Richtlinien oder Budgets zu beachten hat oder Zweitunterschriften einholen muß, die wie vorliegend einer Richtigkeitskontrolle dienen, aber nicht mit einer Entscheidungsbefugnis des Dritten verbunden sind (BAG 27. September 2001 – 2 AZR 176/01 – aaO).
Das Landesarbeitsgericht hat aber die aus dem Organisationshandbuch folgenden Überschneidungen der Personalkompetenzen des Spielbankleiters und des Bereichsleiters nicht hinreichend gewürdigt. Nach dem Organisationshandbuch ist der Spielbankleiter umfassend zur Einstellung und Entlassung von Arbeitnehmern und zur Führung der Bereichsleiter befugt. Diese Befugnis ist nach dem Wortlaut des Handbuchs nicht eingeschränkt. Daher spricht viel dafür, daß sie auch das Recht umfaßt, die Bereichsleiter hinsichtlich der Einstellung oder Entlassung der ihnen unterstellten Arbeitnehmer anzuweisen oder die Ausübung dieser Kompetenzen von einer Zustimmung abhängig zu machen. Darin läge eine rechtserhebliche Beschränkung der Personalkompetenz des Bereichsleiters. Allein der Umstand, daß der Leiter der Spielbank bisher von dieser Befugnis keinen Gebrauch gemacht hat, läßt nicht auf das Fehlen entsprechender Kompetenzen im Verhältnis zu einem Bereichsleiter schließen. Dafür bedarf es weiterer Umstände, die gegebenenfalls vom Landesarbeitsgericht auf entsprechenden Vortrag hin noch festzustellen sind.
Schließlich hat das Landesarbeitsgericht auch nicht geprüft, ob eine dem Bereichsleiter zur selbständigen Ausübung zugewiesene Personalführungsbefugnis von hinreichender unternehmerischer Relevanz ist. Denn nur unter dieser Voraussetzung ist gewährleistet, daß es sich um ein Aufgabengebiet handelt, das wegen seiner unternehmerischen Bedeutung die Zuordnung des Betroffenen zum Kreis der leitenden Angestellten auch rechtfertigt.
- Die unternehmerische Bedeutung der Personalverantwortung kann einmal aus der Anzahl der Arbeitnehmer folgen, auf die sich die Einstellungs- und Entlassungsbefugnis bezieht (BAG 29. Januar 1980 – 1 ABR 45/79 – aaO und 11. März 1982 – 6 AZR 136/79 – AP BetrVG 1972 § 5 Nr. 28 = EzA BetrVG 1972 § 5 Nr. 41). Handelt es sich um eine vergleichsweise geringe Zahl, muß sie sich aus anderen Umständen ergeben. Entscheidend für das unternehmerische Gewicht der Personalaufgabe ist dann, welche Bedeutung die Tätigkeit der betreffenden Mitarbeiter für das Unternehmen hat. In Fällen wie dem vorliegenden, in denen die Personalführungsbefugnis auf mehrere Angestellte delegiert ist, denen jeweils nur eine geringe Zahl an Arbeitnehmern zugeordnet sind, kann leitender Angestellter nach Nr. 1 nur derjenige sein, dessen personelle Entscheidungskompetenz sich auf eine abgeschlossene Gruppe erstreckt, deren Tätigkeit ein für das Unternehmen bedeutsames Aufgabengebiet zugrundeliegt (vgl. BAG 27. September 2001 – 2 AZR 176/00 – aaO).
- Auch für eine solche Prüfung fehlt es an Feststellungen des Landesarbeitsgerichts. Dem Bereichsleiter Automatenspiel sind 12 bis 14 Arbeitnehmer nachgeordnet. Sie sind für den Automatensaal zuständig und sollen dort nach dem Vortrag des Betriebsrats als Techniker oder im Service eingesetzt sein. Damit erstreckt sich die Personalverantwortung des Bereichsleiters zwar auf einen abgeschlossenen, jedoch quantitativ kleinen Personenkreis. Eine den Anforderungen des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BetrVG genügende Personalverantwortung kann das nur begründen, wenn die Tätigkeit dieser Arbeitnehmer für den unternehmerischen Erfolg der Arbeitgeberin qualitativ wesentlich ist, weil es sich etwa um hochqualifizierte Tätigkeiten mit entsprechenden Entscheidungsspielräumen oder um die Wahrnehmung bedeutsamer Verantwortungsbereiche handelt. Das wird vom Landesarbeitsgericht auf entsprechendes Vorbringen hin noch zu prüfen sein. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist dafür die unternehmerische Bedeutung des Automatenspiels selbst nicht entscheidend. Die darauf bezogenen unternehmerischen Entscheidungen des Bereichsleiters zur Organisation und zur Durchführung des Automatenspielbetriebs könnten allenfalls geeignet sein, den Status als leitender Angestellter nach § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG zu begründen. Für eine solche Prüfung sind die bisherigen Tatsachenfeststellungen des Landesarbeitsgerichts aber ebenfalls unzureichend.
Unterschriften
Wißmann, Schmidt, Kreft, Wisskirchen, Büßenschütt
Fundstellen
Haufe-Index 796963 |
BAGE 2003, 53 |
BB 2002, 2387 |
DB 2002, 2113 |
EBE/BAG 2002, 147 |
FA 2002, 186 |
NZA 2003, 56 |
SAE 2003, 84 |
ZTR 2003, 49 |
AP, 0 |
AuA 2003, 52 |
EzA-SD 2002, 12 |
EzA-SD 2002, 3 |
PERSONAL 2002, 51 |
ArbRB 2002, 297 |