Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsänderung und Betriebsübergang
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Betriebsaufspaltung kann eine Betriebsänderung im Sinne von § 111 Satz 2 Nr 4 BetrVG sein (grundlegende Änderung der Betriebsorganisation und des Betriebszwecks).
2. Der Übergang eines Betriebsteils auf einen neuen Betriebsinhaber (§ 613a Abs 1 Satz 1 BGB) kann verbunden sein mit weiteren Maßnahmen des Arbeitgebers, die Organisation und Zweck des ursprünglichen Betriebs grundlegend ändern und deshalb eine Betriebsänderung im Sinne von § 111 Satz 2 Nr 4 BetrVG darstellen. Die Anwendbarkeit des § 111 BetrVG wird insoweit nicht durch § 613a BGB ausgeschlossen (im Anschluß an BAG Urteil vom 21. Oktober 1980 - 1 AZR 145/79 = AP Nr 8 zu § 111 BetrVG 1972).
3. Von einer Betriebsänderung in Form einer Betriebsaufspaltung sind alle Arbeitnehmer des ursprünglich einheitlichen Betriebs betroffen.
4. Die Betriebsänderung im Sinne von § 111 Satz 2 BetrVG löst einen Anspruch des Betriebsrats auf Verhandlungen über einen Sozialplan aus. Ob und welche wirtschaftlichen Nachteile für die betroffenen Arbeitnehmer entstanden sind und ausgeglichen oder gemildert werden sollen, haben Arbeitgeber und Betriebsrat und notfalls die Einigungsstelle zu prüfen (Bestätigung von BAG 17.08.1982, 1 ABR 40/80 = BAGE 40, 36 = AP Nr 11 zu § 111 BetrVG 1972).
Normenkette
ZPO § 256 Abs. 1; BetrVG § 111 S. 1; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2; BetrVG § 111 S. 2 Nr. 4; BGB § 613a Abs. 1 S. 1; BetrVG § 112 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
Gründe
A. Arbeitgeber (Antragsteller) und Betriebsrat (Antragsgegner) streiten darüber, ob der Betriebsrat aus Anlaß einer Betriebsaufspaltung zum 1. April 1982 die Aufstellung eines Sozialplans für alle von der Aufspaltung betroffenen Arbeitnehmer beider Betriebe verlangen kann.
Der Arbeitgeber war ein Unternehmen der Metallindustrie. Er entwickelte, baute und vertrieb bis zum 1. April 1982 Geräte und Systeme der Reproduktionstechnik und verwandter Anwendungsgebiete. Er beschäftigte damals ca. 800 Arbeitnehmer. Im Betrieb bestand ein Betriebsrat.
Zum 1. April 1982 übertrug der Arbeitgeber aus dem bisher einheitlichen Betrieb die mit Produktion, Entwicklung und Konstruktion (Bereich II) befaßten Abteilungen auf eine neu gegründete Gesellschaft, die K Repro-Systembau GmbH. Diese Gesellschaft ist eine Tochtergesellschaft des Arbeitgebers. Beim Arbeitgeber verblieben zunächst die Abteilungen Verwaltung, Vertrieb und Service (Bereich I).
Im Bereich II waren 450 Arbeitnehmer beschäftigt. Die Arbeitsverhältnisse dieser Arbeitnehmer gingen auf die neu gegründete Gesellschaft, die K Repro-Systembau GmbH, über. Im Mai 1982 wurden in beiden Unternehmen jeweils eigene Betriebsräte gebildet. Daneben bestand ein Konzernbetriebsrat.
Der Betriebsrat hat in diesem Vorgang eine Betriebsänderung gesehen. Er hat die Auffassung vertreten, der Arbeitgeber sei verpflichtet gewesen, einen Interessenausgleich zu versuchen. Zum Ausgleich oder zur Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den von der Betriebsaufspaltung betroffenen Arbeitnehmern entstünden, müsse ein Sozialplan aufgestellt werden. Der Arbeitgeber hat die Mitbestimmungspflichtigkeit dieser Maßnahme geleugnet. Alle Rechte der betroffenen Arbeitnehmer seien nach § 613 a BGB gewahrt. Er hat zuletzt beantragt
festzustellen, daß dem früheren Betriebsrat
des Arbeitgebers hinsichtlich der Ausgliederung
des Produktionsbetriebs aus der
früheren K & Co. KG auf die Repro-Systembau
GmbH kein Mitbestimmungsrecht
zusteht und weder ein Sozialplan für alle
früheren Arbeitnehmer noch für die bei der
K & Co. KG gebliebenen Arbeitnehmer
fordern kann.
Der Betriebsrat hat beantragt, diesen Antrag zurückzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag als unbegründet zurückgewiesen. Die Beschwerde des Arbeitgebers ist insoweit ohne Erfolg geblieben. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt der Arbeitgeber seinen Antrag weiter.
B. Die Rechtsbeschwerde des Arbeitgebers ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat den Antrag des Arbeitgebers zu Recht abgewiesen.
I. Der Antrag des Arbeitgebers ist zulässig.
1. Der Antrag betrifft nur die - vom Arbeitgeber geleugnete - Verpflichtung, über einen Sozialplan aus Anlaß der Betriebsaufspaltung zu verhandeln. Etwaige Verpflichtungen des Arbeitgebers, einen Interessenausgleich zu versuchen, sind nicht mehr im Streit. Das Landesarbeitsgericht hatte diesen Antrag als unzulässig abgewiesen. Tatsächlich hat der Arbeitgeber die umstrittene Maßnahme längst durchgeführt (vgl. BAG Urteil vom 14. September 1976 - 1 AZR 784/75 - AP Nr. 2 zu § 113 BetrVG 1972, zu 2 der Gründe). Es hätte also nur entschieden werden können, ob der Arbeitgeber verpflichtet war, einen Interessenausgleich zu versuchen. Ein solcher Antrag bezieht sich aber nicht auf ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis; für ihn bestünde kein Rechtsschutzinteresse (§ 256 Abs. 1 ZPO).
2. Der Arbeitgeber kann der Forderung des Betriebsrats, aus Anlaß einer Betriebsänderung über einen Sozialplan zu verhandeln, mit einer dieses Recht leugnenden Feststellungsklage entgegentreten. Das gilt auch dann, wenn schon eine Einigungsstelle eingerichtet und tätig geworden ist. Das Verfahren, in dem Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats geklärt werden sollen, kann unabhängig davon eingeleitet und durchgeführt werden. Der Senat hat sich in ständiger Rechtsprechung für die Zulässigkeit des sogenannten Vorabentscheidungsverfahrens ausgesprochen. Das Verfahren kann Klarheit darüber bringen, ob die Einigungsstelle sich mit der Aufstellung eines Sozialplans befassen muß oder nicht (BAGE 44, 285, 290 = AP Nr. 7 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung, zu B I der Gründe).
3. Der Antrag des Arbeitgebers richtet sich mit Recht gegen den Betriebsrat, der bis zum 31. März 1982 im einheitlichen Betrieb des Arbeitgebers gebildet worden war. Denn für den Fall, daß es sich bei der Maßnahme der Betriebsaufspaltung um eine Betriebsänderung im Sinne von § 111 BetrVG handelte, hätte der Arbeitgeber diesen Betriebsrat rechtzeitig und umfassend über die geplante Maßnahme unterrichten müssen. Mit diesem Betriebsrat hätte er auch die geplanten Betriebsänderungen beraten müssen (§ 111 Satz 1 BetrVG). Diese Verpflichtungen treffen den Arbeitgeber vor Durchführung der Maßnahme. Zuständig für diese Unterrichtung und Beratung ist allein der Betriebsrat, der vor der geplanten Betriebsänderung besteht. Dieser Betriebsrat ist auch der Partner des Arbeitgebers im Einigungsstellenverfahren, in dem es um die Aufstellung eines Sozialplans geht. Daran ändert nichts, daß der Betrieb, für den der Betriebsrat gebildet und zuständig war, so nicht mehr besteht. Zur Sicherung der Beteiligungsrechte in Fällen von Betriebsänderungen hat der vor der Betriebsänderung bestehende Betriebsrat den Auftrag, die Interessen der von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer solange wahrzunehmen, bis ein Sozialplan rechtswirksam zustande gekommen ist oder die Verpflichtung zur Aufstellung des Sozialplans rechtskräftig abgelehnt wurde. Das ist vom Senat für die Fälle der Betriebsstillegung entschieden worden (vgl. zuletzt BAG Beschluß vom 20. April 1982 - 1 ABR 3/80 - BAGE 38, 284 = AP Nr. 15 zu § 112 BetrVG 1972, mit weiteren Nachweisen). Entsprechendes gilt für den hier vorliegenden Fall, in dem der zunächst einheitliche Betrieb in zwei selbständige Betriebe aufgespalten wurde, in denen eigene Betriebsräte gebildet wurden. Keiner der beiden neu gebildeten Betriebsräte kann die Interessen der Arbeitnehmer des früheren einheitlichen Betriebs wahrnehmen. Die Aufstellung eines Sozialplans kann daher nur der frühere Betriebsrat verlangen. Er ist Beteiligter dieses Verfahrens. Gegen ihn richtet sich auch die Feststellungsklage des Arbeitgebers.
4. Der Antrag ist auch bestimmt genug (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Die Maßnahme, die Anlaß der Auseinandersetzung über den Anspruch des Betriebsrats auf Aufstellung eines Sozialplans war, ist so genau bezeichnet, daß eine Sachentscheidung die für die Parteien erforderliche Klarheit bringt.
Für diesen Antrag besteht auch ein Rechtsschutzinteresse (§ 256 Abs. 1 ZPO). Der Sozialplan kann auch noch nach Durchführung einer Betriebsänderung aufgestellt werden (BAGE 48, 294, 302 = AP Nr. 26 zu § 112 BetrVG 1972, zu B II 3 der Gründe). Streitig ist zwischen den Parteien eine gegenwärtig bestehende Verpflichtung.
II. In der Sache selbst kann der Senat dem Landesarbeitsgericht weitgehend beipflichten. Der frühere Betriebsrat kann vom früheren Arbeitgeber aller Arbeitnehmer Verhandlungen über die Aufstellung eines Sozialplans wegen der Betriebsaufspaltung zum 1. April 1982 verlangen und notfalls den Spruch der Einigungsstelle herbeiführen. Bei der Maßnahme des Arbeitgebers handelt es sich um eine Betriebsänderung im Sinne von § 111 Satz 2 Nr. 4 BetrVG. Als Betriebsänderung gelten nach dieser Vorschrift grundlegende Änderungen der Betriebsorganisation oder des Betriebszwecks. Durch die Betriebsaufspaltung haben sich die Betriebsorganisation und der Betriebszweck grundlegend geändert.
1. Die Annahme einer Betriebsänderung im Sinne von § 111 BetrVG scheitert nicht daran, daß zum Schutz der im Bereich II beschäftigten Arbeitnehmer § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB eingreift. Nach dieser Bestimmung tritt ein Arbeitgeber, der einen Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft erworben hat, in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Der Übergang eines Betriebs oder Betriebsteils durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber ist zwar für sich allein keine Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG; die Folgen eines solchen Betriebsinhaberwechsels für die Arbeitsverhältnisse der Betriebsangehörigen sind in § 613 a BGB besonders geregelt. Erschöpft sich der Betriebsübergang jedoch nicht in dem bloßen Betriebsinhaberwechsel, sondern ist er mit Maßnahmen verbunden, die als solche einen der Tatbestände des § 111 BetrVG erfüllen, sind die Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach §§ 111, 112 BetrVG zu beachten (BAG Urteil vom 4. Dezember 1979 - 1 AZR 843/76 - AP Nr. 6 zu § 111 BetrVG, zu 1 a der Gründe; Urteil vom 21. Oktober 1980 - 1 AZR 145/79 - AP Nr. 8 zu § 111 BetrVG 1972, zu 1 der Gründe).
Das ist hier der Fall. Die Übertragung eines Teils des Betriebsvermögens auf einen neuen Betriebsinhaber ist nur die eine Seite der Maßnahme. Sie betrifft die rechtliche Zuordnung des Betriebsvermögens. Ihre Änderung führt zur Anwendung des § 613 a BGB auf die von dem Übergang des Betriebsteils betroffenen Arbeitnehmer. Unabhängig von dieser Änderung der rechtlichen Zuordnung des Betriebsvermögens ist die Änderung des Betriebs selbst zu beurteilen. Beide Maßnahmen können zwar zusammenfallen. Sie sind aber nicht notwendig einheitlich zu beurteilen. So kann der Betriebsinhaber aus einem einheitlichen Betrieb auch ohne Übertragung eines Betriebsteils auf einen Dritten zwei neue selbständige Betriebe schaffen. In einem solchen Fall fällt eine mögliche Betriebsänderung nicht mit einem Betriebs(teil-)übergang im Sinne von § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB zusammen. Dann ist allein die Änderung der Maßnahmen in bezug auf den Betrieb zu beurteilen.
Eine solche differenzierte Beurteilung ist folgerichtig. § 613 a Abs. 1 BGB schützt den Arbeitnehmer vor dem Verlust des Arbeitsplatzes. Der Sozialplan nach einer Betriebsänderung soll die wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der geplanten Betriebsänderung entstehen, ausgleichen oder mildern (§ 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG). Dies können Nachteile sein, die auch entstehen, wenn der Bestand der Arbeitsverhältnisse nach § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB geschützt wird oder nicht geschützt zu werden braucht, weil kein Betriebsvermögen auf einen neuen Betriebsinhaber übergeht. § 613 a BGB und § 111 i.V.m. § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG dienen deshalb verschiedenen Zwecken. Sie schließen einander nur aus, wenn sich die Betriebsänderung im Sinne von § 111 BetrVG im Betriebsübergang nach § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB erschöpft.
Das entspricht auch der bisherigen Rechtsprechung des Senats. Er hat in einem Fall, in dem ein Teil des Betriebs auf einen anderen Betriebsinhaber übergegangen war, geprüft, ob daneben noch eine Betriebsänderung vorliegen könnte (Urteil vom 21. Oktober 1980 - 1 AZR 145/79 - AP Nr. 8 zu § 111 BetrVG 1972). Diese Möglichkeit hat er nicht ausgeschlossen, sondern die Tatbestandsvoraussetzungen einer Betriebsänderung geprüft. Im damaligen Fall ging es darum, ob die Verpachtung einer Gaststätte, die bisher zu einem Supermarkt gehörte, eine Betriebsänderung im Sinne von § 111 Satz 2 Nr. 4 BetrVG darstellte. Nach dieser Entscheidung ist zwar durch die Ausgliederung der Gaststätte die Organisation des Betriebs geändert worden. Der Senat hat die Aufspaltung eines Betriebs mithin als Änderung der Betriebsorganisation gewertet. Die Annahme, es habe sich um eine Betriebsänderung gehandelt, scheiterte im damaligen Fall nur daran, daß diese Aufspaltung keine "grundlegende" Änderung der Betriebsorganisation zur Folge hatte. Von einer grundlegenden Änderung der Betriebsorganisation kann nur bei einer einschneidenden, weitgehenden Änderung des Betriebsaufbaus bzw. der Gliederung des Betriebs oder der Zuständigkeiten gesprochen werden. Diese Voraussetzung hat der Senat verneint; die Gaststätte war nur ein "Anhängsel des Supermarkts". Der Supermarkt selbst, also der wesentliche Teil des Betriebs, ist in seiner Organisation durch die Abtrennung der Gaststätte nicht berührt worden.
Auch die Literatur stimmt dieser Abgrenzung zwischen § 613 a BGB und § 111 BetrVG weitgehend zu. Bei der Veräußerung von Betriebsteilen, einem Vorgang, der der Aufspaltung des Betriebs und der rechtlichen Zuordnung zu zwei unterschiedlichen Unternehmen vergleichbar ist, wird von der Literatur eine Betriebsänderung jedenfalls insoweit anerkannt, wie auf die Arbeitnehmer des verbleibenden Restbetriebs abgestellt wird (vgl. Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 111 Rz 30 a; Fabricius, GK-BetrVG, § 111 Rz 219, 220; Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 111 Rz 96; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 15. Aufl., § 111 Rz 28; Blank/Blanke/Klebe/Kümpel/Wendeling-Schröder/Wolter, Arbeitnehmerschutz bei Betriebsaufspaltung und Unternehmensteilung, 2. Aufl., S. 123 ff.; Gutbrod, Anm. zum Urteil des Senats vom 24. Juli 1979 - 1 AZR 219/77 - DB 1980, 164).
2. Damit hängt die Entscheidung des Rechtsstreits davon ab, ob die Betriebsaufspaltung als solche den Tatbestand einer Betriebsänderung im Sinne von § 111 Satz 1 BetrVG erfüllt. Das ist der Fall.
a) Der Betrieb im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes und damit im Sinne des § 111 BetrVG ist die organisatorische Einheit, innerhalb derer ein Arbeitgeber allein oder mit seinen Arbeitnehmern mit Hilfe von sächlichen und immateriellen Mitteln bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt, die sich nicht in der Befriedigung des Eigenbedarfs erschöpfen. Dieser Betriebsbegriff umfaßt auch die im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. Beschluß vom 17. Februar 1981 - 1 ABR 101/78 - AP Nr. 9 zu § 111 BetrVG 1972, zu II 2 b der Gründe).
Bezogen auf diesen Betriebsbegriff hat sich die Betriebsorganisation nach dem 1. April 1982 grundlegend geändert. An die Stelle der bisherigen Organisation des Betriebs in Bereiche und Abteilungen ist eine neue Organisation getreten. Die ursprünglich einheitliche Organisation wurde aufgehoben; an ihre Stelle sind zwei neue organisatorisch selbständige Einheiten getreten. Aus einem rechtlich selbständigen Betrieb sind zwei rechtlich selbständige Betriebe geworden. Jeder Betrieb organisiert für sich allein die sächlichen und immateriellen Mittel, um mit ihnen und den Arbeitnehmern die Zwecke des Betriebs zu verfolgen. Jeder der beiden neuen Betriebe hat - unabhängig davon, wer Betriebsinhaber ist - eine eigene sachliche, personelle und soziale Verantwortung. Das erfordert zwangsläufig eine neue Organisation der Betriebe.
Diese organisatorische Änderung ist eine grundlegende Änderung der Betriebsorganisation. Zur ursprünglichen organisatorischen Einheit gehörten 800 Arbeitnehmer. Zu den neuen organisatorischen Einheiten gehören jeweils 350 bzw. 450 Arbeitnehmer. Derartig einschneidende Änderungen in der personellen Zusammensetzung der Belegschaft müssen bei der Frage berücksichtigt werden, ob die Betriebsorganisation grundlegend geändert wurde. Darauf hat auch das Landesarbeitsgericht zu Recht hingewiesen. Damit unterscheidet sich der Fall zugleich von dem bereits erwähnten Fall, in dem nur ein unwesentlicher Teil eines Betriebs abgespalten wurde (BAG Urteil vom 21. Oktober 1980 - 1 AZR 145/79 - AP Nr. 8 zu § 111 BetrVG 1972, s.o. zu B II 1 der Gründe).
b) Ebenso hat sich der Betriebszweck grundlegend geändert. Mit dem Betriebszweck im Sinne von § 111 Satz 2 Nr. 4 BetrVG ist der arbeitstechnische Zweck eines Betriebs gemeint (BAG Beschluß vom 17. Dezember 1985 - 1 ABR 78/83 - AP Nr. 15 zu § 111 BetrVG 1972, zu B II 1 a der Gründe, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt). Zu den arbeitstechnischen Zwecken des ursprünglich einheitlichen Betriebs gehörten die Verwaltung, der Vertrieb und der Kundendienst einerseits (Bereich I) sowie die Abteilungen Entwicklung, Konstruktion und Produktion (Bereich II) andererseits. Eine Änderung des Betriebszwecks setzt nicht voraus, daß ein Betriebszweck völlig aufgegeben und an seiner Stelle ein neuer Betriebszweck verfolgt wird. Der Zweck des Betriebs kann sich auch ändern, wenn wesentliche arbeitstechnische Zwecke nicht weiterverfolgt werden. Wesentliche Betriebszwecke, die im alten Betrieb verfolgt wurden, werden in den neuen Betrieben nicht mehr weiterverfolgt. Vergleicht man den Zustand des Betriebs vor und nach der geplanten Änderung, hat sich der Betriebszweck grundlegend geändert.
Der vorliegende Fall ist das Gegenstück zu der Fallgestaltung, bei der dem bisherigen Betrieb mit einem bestimmten Betriebszweck ein weiterer Betriebsteil mit einem weiteren arbeitstechnischen Betriebszweck hinzugefügt wird. Diesen Vorgang hat der Senat bereits als Betriebsänderung im Sinne von § 111 Satz 2 Nr. 4 BetrVG gewertet (vgl. die zuletzt erwähnte Entscheidung vom 17. Dezember 1985 - 1 ABR 78/83 -). Was für die Fälle der Erweiterung des Betriebszwecks gilt, muß folgerichtig auch für die Aufspaltung wesentlicher Betriebszwecke gelten.
c) Für die Annahme, die Maßnahme des Arbeitgebers stelle eine Betriebsänderung im Sinne von § 111 Satz 2 BetrVG dar, ist nicht erforderlich, daß bereits Nachteile der Arbeitnehmer nachgewiesen werden. Ob ausgleichs- oder milderungswürdige Nachteile entstehen oder entstanden sind, ist bei der Aufstellung des Sozialplans zu prüfen und notfalls von der Einigungsstelle nach billigem Ermessen zu entscheiden (vgl. BAGE 40, 36, 42 = AP Nr. 11 zu § 111 BetrVG 1972, zu B II 5 der Gründe). Darüber hinaus hat das Landesarbeitsgericht auf mögliche Nachteile der von dieser Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer hingewiesen. Es müssen Nachteile sein, deren Eintritt durch § 613 a BGB nicht verhindert wird. So können bei verringerter Betriebsgröße und bei einer geringeren Zahl von Betriebsabteilungen bei gleichzeitig reduziertem Betriebszweck etwa innerbetriebliche Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten sowie Aufstiegschancen entfallen oder wesentlich eingeschränkt werden. Entsprechendes gilt für eine jetzt nur noch eingeschränkt mögliche Bildung von Fahrgemeinschaften zwischen den Arbeitnehmern. Diese Nachteile mögen, wie das Landesarbeitsgericht sagt, schwer greifbar oder schwierig auszugleichen sein. Das ist aber kein Grund dafür, eine Betriebsänderung abzulehnen und damit von vornherein dem Betriebsrat die Möglichkeit zu nehmen, diese möglichen Nachteile in Verhandlungen über einen Sozialplan darzustellen.
3. Von der bereits durchgeführten Betriebsänderung, der grundlegenden Änderung der Betriebsorganisation und des Betriebszwecks (§ 111 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG), waren alle Arbeitnehmer des früheren einheitlichen Betriebs betroffen. Die Betriebsänderung bezog sich auf den Betrieb, so wie er bis zum 31. März 1982 bestand. Deshalb ist auch für alle Arbeitnehmer des Betriebs zu prüfen, ob die Maßnahme des Arbeitgebers zu wirtschaftlichen Nachteilen für die von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer führt (§ 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG). Welche Arbeitnehmer in einen Sozialplan einzubeziehen sind, hängt ausschließlich vom Inhalt und Umfang der geplanten Betriebsänderung ab. Hätte der Arbeitgeber, wie vom Gesetz vorgesehen, den Betriebsrat rechtzeitig vor Durchführung der geplanten Betriebsänderung unterrichtet (§ 111 Satz 1 BetrVG), hätte der Arbeitgeber vor Durchführung der Betriebsänderung einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht, und hätte er vor der geplanten Betriebsänderung mit dem Betriebsrat über den Ausgleich und die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, mithin über die Aufstellung eines Sozialplans verhandelt (§ 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG), wären keine Zweifel darüber aufgetaucht, welche Arbeitnehmer von der geplanten Betriebsänderung betroffen werden können.
Fraglich kann nur sein, ob und in welchem Umfang ausgleichs- oder milderungswürdige Nachteile entstanden sind. Das ist aber nicht bei der Frage zu prüfen, ob und für welche Arbeitnehmer ein Sozialplan aufzustellen ist. Darüber hat erst die Einigungsstelle nach billigem Ermessen zu entscheiden (vgl. BAGE 40, 36, 42 = AP Nr. 11 zu § 111 BetrVG 1972, zu B II 5 der Gründe; siehe auch oben Abschnitt B II 2 c). Insoweit wird es kaum Unterschiede zwischen den beim früheren Arbeitgeber verbleibenden und den zum Betriebserwerber überwechselnden Arbeitnehmern geben. Die Arbeitsverhältnisse der verbleibenden Arbeitnehmer bleiben bestehen. Der Inhalt dieser Arbeitsverhältnisse ändert sich nicht. Dasselbe gilt nach § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB auch für die Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse auf den Betriebserwerber übergehen. Auch ihre Arbeitsverhältnisse bleiben mit dem bisherigen Inhalt bestehen. Der neue Arbeitgeber tritt in die Rechte und Pflichten des Arbeitsverhältnisses ein. Für beide Arbeitnehmergruppen kann es deshalb nur darauf ankommen, ob weitere Nachteile zu besorgen waren oder eingetreten sind, die durch einen Sozialplan ausgeglichen oder gemildert werden sollen.
Das Landesarbeitsgericht meint zwar in diesem Teil der Begründung, dieser rechtlichen Würdigung stehe die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entgegen. Das ist jedoch nicht der Fall. Die Entscheidung des Senats vom 24. Juli 1979 (- 1 AZR 219/77 - DB 1980, 164) steht nicht entgegen. Der Kläger jenes Verfahrens forderte nach seiner Entlassung einen Nachteilsausgleichs nach § 113 Abs. 3 BetrVG mit der Begründung, der Unternehmer habe eine Betriebsänderung durchgeführt, ohne über sie einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht zu haben. In diesem Zusammenhang mußte geprüft werden, ob solche Ansprüche nach § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB wegen des Übergangs des Arbeitsverhältnisses auf einen Betriebserwerber ausgeschlossen waren. Diese Frage hat der Senat bejaht. Der Arbeitnehmer eines veräußerten Betriebsteils, dessen Arbeitsverhältnis auf den Erwerber dieses Betriebsteils übergeht, kann nicht geltend machen, er habe seinen Arbeitsplatz beim früheren Arbeitgeber verloren. Die Maßnahme des Arbeitgebers, die Veräußerung eines Betriebsteils, hat nicht zur Entlassung dieses Arbeitnehmers geführt. Deshalb konnte der Arbeitnehmer keinen Nachteilsausgleich wegen seiner Entlassung verlangen. Damit ist nichts darüber gesagt, ob die von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer beider früherer Betriebsteile nicht geltend machen könnten, sie hätten wirtschaftliche Nachteile infolge dieser Betriebsänderung, der Änderung der Betriebsorganisation und des Betriebszwecks, erlitten, die der Unternehmer durchgeführt habe, ohne über sie einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht zu haben, und müsse deshalb diese wirtschaftlichen Nachteile bis zu einem Zeitraum von zwölf Monaten ausgleichen (§ 113 Abs. 3 i.V.m. § 113 Abs. 2 BetrVG). Nachteile wegen Verlustes des Arbeitsplatzes einerseits und andere wirtschaftliche Nachteile müssen auseinandergehalten werden. Die mit dem Verlust des Arbeitsplatzes verbundenen Nachteile werden im Nachteilsausgleich nach § 113 Abs. 1 BetrVG ausgeglichen oder gemildert. Die anderen wirtschaftlichen Nachteile werden nach § 113 Abs. 2 BetrVG ausgeglichen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den vom Landesarbeitsgericht weiter erwähnten Entscheidungen des Senats vom 21. Oktober 1980 und 17. Februar 1981 (- 1 AZR 145/79 - und - 1 ABR 101/78 - AP Nr. 8 und 9 zu § 111 BetrVG 1972). Nach der zuerst genannten Entscheidung stellt der rechtsgeschäftliche Übergang des Betriebsteils auf einen anderen Inhaber für sich allein keine Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG dar. Jedoch wird ausdrücklich hervorgehoben, daß die Beteiligungsrechte des Betriebsrats nach den §§ 111, 112 BetrVG zu wahren sind, wenn der rechtsgeschäftliche Übergang des Betriebsteils mit Maßnahmen verbunden wird, die als solche einen der Tatbestände des § 111 BetrVG erfüllen. Die Entscheidung vom 17. Februar 1981 betraf den Übergang eines ganzen Betriebs auf einen Erwerber. Dieser Übergang war nicht mit Maßnahmen verbunden, die einen der Tatbestände des § 111 BetrVG erfüllten.
Dr. Kissel Dr. Heither Matthes
K.H. Janzen Rösch
Fundstellen
Haufe-Index 436895 |
BAGE 55, 356-366 (LT1-4) |
BAGE, 356 |
BB 1987, 1737 |
BB 1987, 1737-1739 (T) |
DB 1987, 1842-1844 (LT1-4) |
AiB 1988, 45-46 (LT1-4) |
BetrR 1988, Nr 1, 13-17 (LT1-4) |
CR 1988, 565-565 (L1-4) |
JR 1988, 44 |
NZA 1987, 671-673 (LT1-4) |
RdA 1987, 320 |
SAE 1989, 214-216 (LT1-4) |
ZIP 1987, 1068 |
ZIP 1987, 1068-1072 (LT1-4) |
AP § 111 BetrVG 1972 (LT1-4), Nr 19 |
AR-Blattei, Betriebsverfassung XIVE Entsch 30 (LT1-4) |
AR-Blattei, ES 530.14.5 Nr 30 (LT1-4) |
EzA § 111 BetrVG 1972, Nr 20 (LT1-4) |
JuS 1988, 163-164 (LT1-2) |