Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitbestimmungsrechte im Arbeitskampf
Leitsatz (redaktionell)
1. Sperrt der Arbeitgeber in zulässiger Weise nur einen Teil der in einem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer aus, so hat der Betriebsrat nicht mitzubestimmen, wenn der Arbeitgeber zur Unterscheidung der nicht ausgesperrten Arbeitnehmer von den ausgesperrten den mit dem Betriebsrat vereinbarten Werksausweis dahin verändert, daß dieser für die Dauer der Aussperrung zusätzlich den Ausweisinhaber als nicht ausgesperrten Arbeitnehmer kennzeichnet.
2. Tritt einem anhängigen Beschlußverfahren ein weiterer Antragsteller mit einem eigenen Sachantrag bei, so liegt darin eine Antragsänderung, deren Zulässigkeit sich nach § 81 Abs 3 ArbGG bestimmt.
Orientierungssatz
Der Arbeitgeber ist befugt, ohne Beachtung von Mitbestimmungsrechten vor oder während eines Arbeitskampfes (auch) durch eine äußerliche Kennzeichnung des Werkausweises sichtbar zu machen, welche Arbeitnehmer gesperrt sind und welche nicht.
Normenkette
ZPO § 66; GG Art. 9 Abs. 3; BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 1; ArbGG § 80 Fassung: 1979-07-02, § 81 Abs. 3 Fassung: 1979-07-02, § 87 Abs. 2 S. 3 Fassung: 1979-07-02
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 18.03.1985; Aktenzeichen 13 TaBV 8/84) |
ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 04.07.1984; Aktenzeichen 2 BV 7/84) |
Gründe
A. Der Arbeitgeber ist ein Unternehmen der Elektroindustrie. Er beschäftigt auf dem Betriebsgelände Z, S, rd. 6850 Arbeitnehmer. Für verschiedene Geschäftsbereiche, die auf diesem Betriebsgelände tätig werden, sind jeweils eigene Betriebsräte gewählt worden, u.a. die beiden Antragsteller des vorliegenden Verfahrens, der Betriebsrat für die Geschäftsbereiche 40, 41, 42, 50 und 55 (im folgenden Betriebsrat CWS) und der Betriebsrat für den Geschäftsbereich 90 (im folgenden Betriebsrat PS). Der Betriebsrat CWS vertritt rd. 3200 Arbeitnehmer, unter ihnen 3000 Angestellte, der Betriebsrat PS ausschließlich rd. 620 Angestellte. Für das Unternehmen des Arbeitgebers ist darüber hinaus ein Gesamtbetriebsrat gebildet worden.
Der Betriebsrat CWS schloß am 25. Februar 1980 mit dem Arbeitgeber eine Betriebsvereinbarung über die Einführung eines Werksausweises. In dieser heißt es u.a.:
1. Allgemeines
... wird mit dem Betriebsrat vereinbart, einen
verfälschungssicheren und verwahrungssicheren,
nicht maschinell lesbaren Mitarbeiterausweis
einzuführen.
...
3. Ausweisgestaltung und Nutzung
Mit dem Betriebsrat werden Aussehen, Farbe und
Beschriftung der S -Ausweise vereinbart. Der
Ausweis dient zur Identifizierung der S -Mitar-
beiter im Rahmen der S -Ausweis- und Besucher-
ordnung.
...
In einer Protokollnotiz zu dieser Betriebsvereinbarung heißt es weiter:
Einheitlichkeit der S -Ausweise
Um die Einheitlichkeit der Ausweise innerhalb der
S zu gewährleisten, ist Aussehen, Farbe und Be-
schriftung mit dem Gesamtbetriebsrat abzustimmen.
Die in Ziff. 3 genannte Ausweis- und Besucherordnung wurde vom Arbeitgeber am 1. August 1980 als S-Anweisung Nr. 26/80 erlassen. Nach dem Vorbringen des Arbeitgebers handelt es sich dabei um eine mit dem Gesamtbetriebsrat abgeschlossene Gesamtbetriebsvereinbarung. In dieser Ausweis- und Besucherordnung heißt es unter Ziff. 1.2.1:
Die Vordrucke der Firmenausweise (Aussehen, Farbe
und Beschriftung) sind für alle S -Einheiten ein-
heitlich (Anlage 1). Sie werden bei der Ausstel-
lung mit der Standortangabe versehen.
Alle Mitarbeiter erhalten einen farblich einheit-
lichen verfälschungs- und verwahrungssicheren, nicht
maschinell lesbaren Firmenausweis. ...
Das Aussehen des Ausweises ist in der Anlage 1 festgelegt.
Am 24. Februar 1981 schloß der Betriebsrat PS mit dem Arbeitgeber ebenfalls eine Betriebsvereinbarung, die wie folgt lautet:
In Anlehnung an die S -Anweisung 26/80 (Ausweis-
und Besucherordnung) werden in der UGR 2 am Stand-
ort S einschließlich der dazu gehörenden
Außenstellen ab 1. Mai 1981 für alle Mitarbeiter
die neuen Firmenausweise gemäß 1.2.1 der oben an-
gegebenen S -Anweisung als Sichtausweise einge-
führt.
Jede weitergehende Verwendung der Ausweise kann nur
mit Zustimmung des Betriebsrats erfolgen.
Während des Arbeitskampfes in der Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden im Jahre 1984 beschloß der Verband der Metallindustrie Baden-Württemberg, dessen Mitglied der Arbeitgeber ist, am 15. Mai 1984 für Betriebe ab einer bestimmten Größenordnung die Abwehraussperrung mit Wirkung vom 22. Mai 1984. Mit Rücksicht darauf verfügte der Arbeitgeber noch am gleichen Tage wie folgt:
Da das gegenwärtige Ausweisbild eine Unterschei-
dung zwischen gewerblichen und angestellten Mitar-
beitern nur über die Personalnummer ermöglicht,
ist es erforderlich, im Hinblick auf mögliche Ar-
beitskampfmaßnahmen den Ausweis der Angestellten
sichtbar gegenüber dem Ausweis der gewerblichen
Mitarbeiter zu verändern. Um den Ausweis jedoch
nach dem Arbeitskampf wieder in seine ursprüngli-
che Gestaltung zurückzuführen, soll diese Kenn-
zeichnung durch einen Aufkleber vorgenommen wer-
den, der zu jedem beliebigen Zeitpunkt durch Ab-
ziehen wieder entfernt werden kann.
In der Anlage finden Sie ein entsprechendes Mu-
ster.
Die Herren Personalleiter im Tarifgebiet NW/NB
werden gebeten, die von ihnen benötigten Aufkle-
ber ... anzufordern und ... zur Verteilung zu
bringen sowie die örtlichen Betriebsräte zu un-
terrichten.
Entsprechend wurde in der Folgezeit verfahren. Der Aufkleber ist von gelber Farbe, hat eine Größe von 2 x 1,5 cm und trägt den Aufdruck "S ". Mit Schreiben vom 21. Mai 1984 teilte der Arbeitgeber den bei ihm beschäftigten Arbeitern mit, daß sie mit Wirkung vom 22. Mai 1984 ausgesperrt seien und das Werksgelände nicht mehr betreten dürften, nachdem die Aussperrung vom Verband auf die gewerblichen Arbeiter beschränkt worden war.
Die Betriebsräte CWS und PS haben davon am 16. Mai 1984 erfahren. Sie haben vom Arbeitgeber verlangt, daß diese Maßnahme unterbleibe, und, als dies abgelehnt wurde, am 21. Mai 1984 den Erlaß einer entsprechenden einstweiligen Verfügung beantragt, die vom Arbeitsgericht S am 30. Mai 1984 abgelehnt wurde (2 BV Ga 2/84).
Die Aussperrung dauerte bis zum 29. Juni 1984. Danach wurden auf Anweisung des Arbeitgebers die Aufkleber wieder von den Ausweisen entfernt.
Die Betriebsräte CWS und PS haben am 23. Mai 1984 das vorliegende Verfahren anhängig gemacht, in dem sie zunächst beantragten,
dem Arbeitgeber aufzugeben, die Aufkleber
von den Ausweisen der Angestellten zu ent-
fernen.
Sie sind der Ansicht, daß der Arbeitgeber nicht berechtigt sei, ohne ihre Zustimmung die Werksausweise zu verändern. Jede Veränderung der Ausweise sei mitbestimmungspflichtig. Die abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen über die Werksausweise müßten vom Arbeitgeber auch während eines Arbeitskampfes beachtet werden. Eine einseitige Veränderung der Ausweise stelle eine Verletzung der abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen dar.
Nach Beendigung des Arbeitskampfes haben die Betriebsräte ihren zunächst gestellten Antrag geändert und beantragt
festzustellen, daß der Arbeitgeber nicht
berechtigt ist, die visuelle Gestaltung
des vereinbarten Firmenausweises vor oder
während eines Arbeitskampfes ohne Zustim-
mung des Betriebsrats zu verändern oder
verändern zu lassen,
hilfsweise
festzustellen, daß der Arbeitgeber nicht
berechtigt ist, die visuelle Gestaltung
des vereinbarten Firmenausweises vor oder
während eines Arbeitskampfes ohne Zustim-
mung des Betriebsrats durch Aufkleber zu
verändern bzw. entsprechende Anordnungen
zu erteilen.
Der Arbeitgeber hat beantragt, den Antrag abzuweisen.
Er ist der Ansicht, daß Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte während eines Arbeitskampfes suspendiert seien. Er habe daher ohne Zustimmung der Betriebsräte die Anbringung des Aufklebers auf dem Werksausweis anordnen können, um so eine Unterscheidung der Angestellten von den nicht ausgesperrten Arbeitern zu ermöglichen. Den Pförtnern an den drei Pforten zum Werksgelände in S müsse es möglich sein, durch einen Blick auf den Werksausweis festzustellen, ob der betreffende Ausweisinhaber zum Betreten des Werksgeländes berechtigt sei. Ohne den deutlich sichtbaren Aufkleber hätte diese Prüfung nur anhand der Personalnummer erfolgen können, die die Vorlage jedes Ausweises und dessen Prüfung erforderlich gemacht hätte. Das hätte zu erheblichen Staus an den Werkseingängen geführt, zumal rd. 2300 Arbeitnehmer das Werksgelände mit dem PKW befahren dürften.
Für die Anträge seien im übrigen nicht die Betriebsräte antragsbefugt, da es sich um eine Angelegenheit handele, die in die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats falle.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag mangels eines Rechtsschutzinteresses als unzulässig abgewiesen. Gegen diese Entscheidung haben die Betriebsräte CWS und PS Beschwerde eingelegt. Im Laufe des Beschwerdeverfahrens ist mit Schriftsatz vom 26. November 1984 der Gesamtbetriebsrat den Betriebsräten beigetreten und hat angekündigt, er werde die gleichen Anträge wie diese stellen. Im Anhörungstermin vor dem Landesarbeitsgericht haben die Betriebsräte und der Gesamtbetriebsrat die von den Betriebsräten gestellten Anträge wiederholt mit der Maßgabe, daß der Arbeitgeber zu einer Veränderung der Ausweise auch ohne Zustimmung des Gesamtbetriebsrats nicht berechtigt sein solle. Das Landesarbeitsgericht hat die Anträge der Betriebsräte mangels Antragsbefugnis als unzulässig, den Antrag des Gesamtbetriebsrats als unbegründet abgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgen die Betriebsräte und der Gesamtbetriebsrat ihre Anträge weiter, während der Arbeitgeber um Zurückweisung der Rechtsbeschwerde bittet.
B. Die Rechtsbeschwerden der Betriebsräte und des Gesamtbetriebsrats sind unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Anträge im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
I. Die Rechtsmittel und Anträge sind zulässig.
1. Die Rechtsbeschwerden sind zulässig. Sie sind form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Zur Einlegung der Rechtsbeschwerde sind beide Betriebsräte und der Gesamtbetriebsrat befugt. Sie haben vor dem Landesarbeitsgericht einen Sachantrag gestellt, den das Landesarbeitsgericht abgewiesen hat. Sie sind daher durch die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts beschwert. Darauf, ob sie befugt waren, diesen Antrag zu stellen, kommt es für die Rechtsmittelbefugnis nicht an. Das ist eine Frage der Zulässigkeit oder Begründetheit des Antrags, nicht aber eine solche der Rechtsmittelbefugnis (vgl. Beschluß des Senats vom 25. August 1981, BAG 37, 31 = AP Nr. 2 zu § 83 ArbGG 1979).
Aus den gleichen Gründen war auch die Beschwerde der beiden Betriebsräte zulässig. Sie haben vor dem Arbeitsgericht einen Sachantrag gestellt, der vom Arbeitsgericht abgewiesen worden ist. Sie waren damit Antragsteller des eingeleiteten Verfahrens und als solche befugt, gegen eine den Antrag abweisende Entscheidung Beschwerde einzulegen. Auch hier hängt die Zulässigkeit der Beschwerde nicht davon ab, ob die Betriebsräte antragsbefugt waren.
2. Die Betriebsräte begehren die Feststellung, daß der Arbeitgeber die Werksausweise auch während eines Arbeitskampfes nicht ohne ihre Zustimmung verändern dürfe. Sie begehren damit die Feststellung eines Rechtsverhältnisses, an dem sie selbst als Inhaber eines Rechts, nämlich eines Mitbestimmungsrechts an der Gestaltung der Werksausweise während des Arbeitskampfes, beteiligt sind. Ein Antragsteller, der ein eigenes Recht geltend macht, ist stets antragsbefugt. Die Befugnis, eine einen geltend gemachten Anspruch zusprechende oder ein umstrittenes Recht feststellende Entscheidung zu beantragen, folgt unmittelbar aus dem Anspruch auf Rechtsschutzgewährung. Einer besonderen Prüfung der Antragsbefugnis bedarf es in diesen Fällen nicht. Die Frage, ob dem Antragsteller das geltend gemachte Recht zusteht, ist eine Frage der Begründetheit seines Antrages, nicht aber eine solche seiner Antragsbefugnis.
3. In der Beschwerdeinstanz ist der Gesamtbetriebsrat dem Rechtsstreit beigetreten. Die Vorschriften des Arbeitsgerichtsgesetzes über das Beschlußverfahren enthalten keine ausdrückliche Regelung darüber, ob ein Dritter einem anhängigen Verfahren zur Unterstützung des Antragstellers oder eines anderen Beteiligten beitreten kann. Auch die Verweisung in § 80 Abs. 2 ArbGG auf die Vorschriften des Urteilsverfahrens ergeben nichts dafür, daß über § 46 Abs. 2 ArbGG auch die Vorschriften der §§ 64 ff. ZP0 im Beschlußverfahren Anwendung finden. Das Beschlußverfahren selbst kennt nur den Antragsteller und Beteiligte des Verfahrens. Wer Beteiligter ist, ist nach § 83 Abs. 3 ArbGG von Amts wegen zu hören, d.h. am Verfahren zu beteiligen. Die Frage, ob auch im Beschlußverfahren eine Nebenintervention zulässig ist, bedarf im vorliegenden Falle keiner Entscheidung.
Der Gesamtbetriebsrat hat anläßlich seines Beitritts einen eigenen Sachantrag gestellt. Er hat die Feststellung begehrt, daß eine Änderung der Werksausweise während eines Arbeitskampfes (auch) nicht ohne seine Zustimmung zulässig sei. Damit ist der Streitgegenstand des zunächst von den Betriebsräten allein anhängig gemachten Verfahrens erweitert worden. Dieser Streitgegenstand war bestimmt durch die von den Betriebsräten gestellten Anträge, die lediglich Mitbestimmungsrechte eben dieser Betriebsräte bei der umstrittenen Gestaltung der Werksausweise zum Inhalt hatten. Nach dem Antrag des Gesamtbetriebsrats ist zusätzlich auch über ein entsprechendes Mitbestimmungsrecht des Gesamtbetriebsrats zu entscheiden.
Die durch den Beitritt des Gesamtbetriebsrats mit einem eigenen Sachantrag bewirkte Erweiterung und damit Veränderung des Streitgegenstandes des zunächst anhängig gemachten Verfahrens rechtfertigt es, in dem Beitritt eines weiteren Antragstellers zu einem anhängigen Beschlußverfahren eine Antragsänderung im Sinne von § 81 Abs. 3 ArbGG zu sehen. Eine solche Antragsänderung ist nach § 87 Abs. 2 Satz 3 in Verb. mit § 81 Abs. 3 ArbGG auch noch in der Beschwerdeinstanz zulässig, wenn die übrigen Beteiligten zustimmen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Im vorliegenden Verfahren hat das Landesarbeitsgericht die Sachdienlichkeit dieser Antragsänderung bejaht und den Antrag des Gesamtbetriebsrats zugelassen. Diese Entscheidung ist nach § 81 Abs. 3 Satz 3 ArbGG unanfechtbar. Auch der Antrag des Gesamtbetriebsrats ist daher für den Senat bindend in zulässiger Weise gestellt worden.
4. Die gestellten Anträge bedürfen der Auslegung. Unter den Beteiligten ist nicht im Streit, ob der Arbeitgeber während eines Arbeitskampfes die äußere Gestaltung der Werksausweise überhaupt und auf Dauer einseitig ändern kann. Ein solches Recht ist von dem Arbeitgeber nicht in Anspruch genommen worden. Die Beteiligten streiten lediglich darum, ob eine solche Veränderung des Ausweises für die Dauer des Arbeitskampfes und zum Zwecke der Unterscheidung ausgesperrter Arbeitnehmer von nicht ausgesperrten Arbeitnehmern vorgenommen werden kann.
5. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend das Rechtsschutzinteresse für die gestellten Anträge bejaht. Die Frage, ob der Arbeitgeber während eines Arbeitskampfes die Werksausweise dahin verändern kann, daß die ausgesperrten Arbeitnehmer von den nicht ausgesperrten allein durch einen Blick auf den Ausweis unterschieden werden können, ist unter den Beteiligten nach wie vor streitig. Sie kann und wird sich beim nächsten Arbeitskampf erneut stellen. Die Tatsache, daß gegenwärtig nicht feststeht, wann der nächste Arbeitskampf stattfindet, ob der Arbeitgeber in diesen einbezogen wird und ob hinsichtlich der auszusperrenden Arbeitnehmer zu differenzieren sein wird, ist ohne Bedeutung. Es genügt, daß die Streitfrage mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit wieder auftreten wird. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist auch davon auszugehen, daß künftige Aussperrungen nicht schlechthin unzulässig sein werden (vgl. zuletzt Beschluß des Senats vom 12. März 1985, BAG 48, 195 = AP Nr. 84 zu Art. 9 GG Arbeitskampf).
Nach allem sind die Anträge der Betriebsräte und des Gesamtbetriebsrats zulässig. Soweit das Landesarbeitsgericht die Anträge der Betriebsräte als unzulässig zurückgewiesen hat, weil ihnen die Antragsbefugnis fehle, kann dem nach dem Gesagten nicht gefolgt werden. Einer Aufhebung der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts bedarf es gleichwohl nicht, weil sich dessen Entscheidung im Ergebnis als zutreffend darstellt.
II. Die Anträge sind nicht begründet.
1. Das Landesarbeitsgericht hat über den Antrag des Gesamtbetriebsrats in der Sache entschieden und diesen als unbegründet abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, daß Mitbestimmungsrechte des Betriebs- bzw. Gesamtbetriebsrats während eines Arbeitskampfes eingeschränkt sind, soweit durch deren Ausübung und Beachtung die Arbeitskampfparität beeinträchtigt würde.
Mit dieser Begründung hat das Landesarbeitsgericht den Charakter der umstrittenen Maßnahme des Arbeitgebers verkannt.
2. Die vom Landesarbeitsgericht zur Begründung seiner Entscheidung herangezogene Rechtsprechung des Senats betrifft die Frage, ob und inwieweit Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei Arbeitgebermaßnahmen w ä h r e n d eines Arbeitskampfes zurücktreten müssen, nicht aber, ob Maßnahmen d e s A r b e i t s k a m p f e s einer Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegen.
Die unter den Beteiligten strittige Maßnahme des Arbeitgebers, nämlich die anderweitige Gestaltung der Werksausweise zur Unterscheidung ausgesperrter Arbeitnehmer von nicht ausgesperrten Arbeitnehmern, dient unmittelbar der praktischen Durchführung der Aussperrung selbst und ist daher wie diese eine Maßnahme des Arbeitskampfes. Wenn nur Teile der Belegschaft eines Betriebes ausgesperrt werden und damit das Recht, den Betrieb zu betreten, verlieren sollen, muß der Arbeitgeber die Möglichkeit haben, die ausgesperrten Arbeitnehmer von denjenigen zu unterscheiden, die nicht ausgesperrt sind und damit den Betrieb weiter betreten dürfen. Er muß sicherstellen können, daß die Aussperrung eines Teils der Belegschaft nicht dadurch unterlaufen werden kann, daß ausgesperrte Arbeitnehmer gleichwohl den Betrieb betreten, hier selbst arbeiten oder auf die Arbeit der nicht ausgesperrten Arbeitnehmer Einfluß nehmen. Das kann jedenfalls in größeren Betrieben wie hier nur durch eine Gestaltung des Ausweiswesens geschehen, die eine schnelle und sichere Entscheidung ermöglicht, ob der betreffende Ausweisinhaber zum Betreten des Werkes befugt ist oder als Ausgesperrter den Betrieb nicht betreten darf. Die Kennzeichnung der nicht ausgesperrten Arbeitnehmer durch ein Ausweiszeichen dient damit unmittelbar der Aussperrung selbst und macht deren praktische Durchführung erst möglich. Sie steht mit dieser in einem untrennbaren Zusammenhang und muß daher den gleichen Rechtsregeln unterliegen wie die Aussperrung selbst. An einer Entscheidung über eine Arbeitskampfmaßnahme und an deren Durchführung hat der Betriebsrat jedoch in keinem Falle ein Mitbestimmungsrecht. Würde man ein solches bejahen, so wäre der Betriebsrat unmittelbar in der Lage, eine Arbeitskampfmaßnahme selbst zu verhindern oder wenigstens zu verzögern. Die Arbeitgeberseite wäre nicht mehr frei, allein zu entscheiden, ob und wie eine Arbeitskampfmaßnahme durchgeführt werden soll.
3. Dem steht nicht entgegen, daß die Einführung, Ausgestaltung und Nutzung eines Werksausweises nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt und daß - wie hier - die Betriebspartner in Ausübung dieses Mitbestimmungsrechts u.a. die äußere Gestaltung des Werksausweises vereinbart und für die Laufzeit dieser Vereinbarung damit verbindlich festgelegt haben. Das Anbringen eines zusätzlichen Kennzeichens auf diesem Ausweis stellt entgegen der Ansicht der Betriebsräte und des Gesamtbetriebsrats keinen Verstoß gegen die Betriebsvereinbarung über den Werksausweis dar. Die Funktion des Werksausweises wird damit nicht geändert. Er dient nach wie vor dazu, den Träger als Betriebsangehörigen und damit zum Betreten des Betriebes Berechtigten im Rahmen der fortgeltenden Ausweis- und Besucherordnung auszuweisen. Mit seiner Veränderung der äußeren Gestaltung des Werksausweises wird dieser lediglich als Träger eines zusätzlichen Ausweiszeichens genutzt. Das führt zwar dazu, daß es zwei Arten von Werksausweisen gibt, nämlich solche, die ein zusätzliches Ausweiszeichen tragen und solche, auf denen dieses Zeichen nicht angebracht ist. Das aber ist eine unmittelbare Folge der Aussperrung nur eines Teils der Belegschaft. Wenn durch diese - mitbestimmungsfrei - die Belegschaft in zwei Gruppen geteilt werden kann, von denen nur eine zum Betreten des Betriebes berechtigt ist, muß auch der bisher einheitliche Ausweis der Berechtigung zum Betreten des Betriebes mitbestimmungsfrei so gestaltet werden können, daß er die geänderte Zutrittsberechtigung ausweist. Mit der Anbringung eines zusätzlichen Kennzeichens auf dem Werksausweis wird nicht die Ordnung des Betriebes und das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb neu geregelt, sondern lediglich deutlich gemacht, daß die geregelte Ausweisordnung für die Zeit der Aussperrung sich nur noch auf die nicht ausgesperrten Arbeitnehmer bezieht. Die Anbringung eines zusätzlichen Kennzeichens besagt nichts anderes, als daß die nicht gekennzeichneten Werksausweise nicht mehr zum Betreten des Betriebes berechtigen. Der Arbeitgeber könnte in gleicher Weise für die Dauer der Aussperrung auch die Werksausweise der ausgesperrten Arbeitnehmer einziehen oder auch einen zusätzlichen "Passierschein" ausgeben. In welcher Weise er die Aussperrung eines Teils der Belegschaft tatsächlich durchführt, liegt aber allein in seiner Entscheidung.
Interessen der Arbeitnehmer, zu deren Wahrnehmung der Betriebsrat Mitbestimmungsrechte hat, werden durch eine solche Maßnahme nicht berührt. Es ist nicht ersichtlich und auch von den Betriebsräten und dem Gesamtbetriebsrat nicht andeutungsweise sichtbar gemacht worden, welche Interessen der Arbeitnehmer an einer Mitgestaltung der betrieblichen Ordnung einer Kennzeichnung der Werksausweise zur Unterscheidung der ausgesperrten Arbeitnehmer von den nicht ausgesperrten Arbeitnehmern entgegenstehen könnten.
Damit ist der Arbeitgeber befugt, ohne Beachtung von Mitbestimmungsrechten vor oder während eines Arbeitskampfes (auch) durch eine äußerliche Kennzeichnung des Werksausweises sichtbar zu machen, welche Arbeitnehmer ausgesperrt sind und welche nicht. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob das geltend gemachte Mitbestimmungsrecht nur den Betriebsräten CWS und PS oder nur dem Gesamtbetriebsrat zustehen könnte. Die Anträge der beiden Betriebsräte und des Gesamtbetriebsrats sind in jedem Falle unbegründet.
Dr. Kissel Dr. Heither Matthes
Heisler Dr. Wohlgemuth
Fundstellen
BAGE 54, 36-45 (LT1-2) |
BAGE, 36 |
BB 1987, 683 |
BB 1987, 683-684 (LT1-2) |
DB 1987, 791-792 (LT1-2) |
BetrR 1988, Nr 2, 9-9 (L1-2) |
ARST 1987, 170-171 (LT1) |
JR 1987, 308 |
NZA 1987, 355-357 (LT1-2) |
NZA 1987, 83 |
RdA 1987, 128 |
SAE, 243-246 (LT1-2) |
AP § 87 BetrVG 1972, Nr 13 |
AR-Blattei, Arbeitskampf I Entsch 26 (LT1-2) |
AR-Blattei, ES 170.1 Nr 26 (LT1-2) |
EzA, Arbeitskampf Nr 64 (LT1-2) |
JuS 1987, 583-584 (LT) |
MDR 1987, 523-523 (LT1-2) |