Entscheidungsstichwort (Thema)
Bindung an Verweisungsbeschluß
Leitsatz (amtlich)
Für die Klage eines vorzeitig aus dem Amt ausgeschiedenen Richters, der hinsichtlich der Altersversorgung die Gleichstellung mit Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes verlangt (Bewilligung einer Zusatzversorgung), ist der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten gegeben.
Normenkette
ZPO § 36 Nr. 6; GVG § 17a Abs. 2 n.F.; DRiG § 71 Abs. 3; BRRG § 126 Abs. 1; Gesetz über die zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung für Angestellte und Arbeiter der Freien- und Hansestadt Hamburg; BetrAVG § 18 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Beschluss vom 21.02.1995; Aktenzeichen 1 Ca 506/94) |
Tenor
Als zuständiges Gericht wird das Verwaltungsgericht Hamburg bestimmt.
Tatbestand
I. Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger im Versorgungsfall Anspruch auf eine Zusatzversorgung hat.
Der Kläger war Richter am Sozialgericht Hamburg. Nach mehr als 20-jähriger richterlicher Tätigkeit wurde er auf eigenen Antrag mit Ablauf des Monats März 1992 aus dem Richterverhältnis entlassen. Der Kläger wurde bei der BfA nachversichert. Mit Schreiben vom 7. Januar 1992 hatte ihm die Beklagte mitgeteilt, daß Leistungen nach dem Gesetz über die zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung für Angestellte und Arbeiter der Freien und Hansestadt Hamburg (Ruhegeldgesetz – RGG) und dem Betriebsrentengesetz von Beamten und Richtern nicht geltend gemacht werden könnten. Der Kläger hatte in seinem Entlassungsantrag vom 3. Februar 1992 darauf hingewiesen, daß er an seiner Rechtsauffassung bezüglich einer zu gewährenden zusätzlichen Altersversorgung nach dem Hamburgischen Ruhegeldgesetz festhalte und eine entsprechende Feststellungsklage beim Verwaltungsgericht erheben werde.
Der Kläger hat Klage zum Verwaltungsgericht Hamburg erhoben und geltend gemacht, er dürfe hinsichtlich seiner Alters- und Hinterbliebenenversorgung nicht allein auf die Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung verwiesen werden. Er müsse mit vorzeitig ausscheidenden Arbeitern und Angestellten des öffentlichen Dienstes gleichbehandelt werden. Diese hätten Ansprüche auf eine Zusatzversorgung nach § 18 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 BetrAVG. Die analoge Anwendung des Hamburgischen Ruhegeldgesetzes stelle angesichts der bereits erfolgten Nachversicherung bei der BfA die nächstliegende Möglichkeit dar, die verfassungsrechtlich gebotene Gleichstellung mit den übrigen Bediensteten der Beklagten herbeizuführen.
Der Kläger hat mit der am 5. Januar 1993 beim Verwaltungsgericht eingegangenen Klageschrift den Antrag angekündigt.
den Bescheid vom 7. Januar 1992 aufzuheben und festzustellen, daß die vom Kläger bei der Beklagten innerhalb des Zeitraums vom 1. September 1966 bis 31. März 1992 abgeleistete Beschäftigungszeit als Beamter/Richter auf die Wartezeit nach dem Hamburgischen Ruhegeldgesetz anzurechnen und auch im übrigen eine Gleichstellung mit früheren vollbeschäftigten Angestellten vorzunehmen ist.
Das Vewaltungsgericht hat durch Beschluß vom 12. September 1994 den Verwaltungsrechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Hamburg verwiesen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, für die Frage der analogen Anwendbarkeit des Hamburgischen Ruhegeldgesetzes seien die Arbeitsgerichte sachlich zuständig. Der Rechtsweg zum Verwaltungsgericht sei auch nicht gemäß § 71 Abs. 3 DRiG in Verb. mit § 126 Abs. 1 BRRG eröffnet. Der Kläger sei zwar ehemaliger Richter; es handele sich aber nicht um eine Streitigkeit aus dem früheren Richterverhältnis. Das wäre nur der Fall, wenn die Anspruchsgrundlage dem Richter- bzw. Beamtenrecht zu entnehmen sei. Vorliegend stütze der Kläger seinen Anspruch allein auf Vorschriften des Hamburgischen Ruhegeldgesetzes, die dem Arbeitsrecht zuzuordnen seien. Deshalb sei der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten auch nicht gemäß § 40 Abs. 1 VwGO eröffnet.
Nach Gewährung rechtlichen Gehörs hat das Arbeitsgericht Hamburg durch Kammerbeschluß vom 21. Februar 1995 den Rechtsstreit gemäß § 36 Nr. 6 ZPO dem Bundesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Es hat die Auffassung vertreten, daß nach § 71 Abs. 3 DRiG, § 126 BRRG die Verwaltungsgerichte zuständig seien.
Entscheidungsgründe
II. Zuständig ist das Verwaltungsgericht Hamburg. Dessen Verweisungsbeschluß bindet das Arbeitgericht Hamburg nicht.
1. Die Voraussetzungen für die Durchführung des Bestimmungsverfahrens nach § 36 Nr. 6 ZPO sind erfüllt. Diese Vorschrift ist auch bei einem negativen Kompetenzkonflikt von Gerichten verschiedener Gerichtsbarkeiten anwendbar (BAGE 44, 246 = AP Nr. 34 zu § 36 ZPO). Das Gesuch um Bestimmung des zuständigen Gerichts kann von einer Partei oder einem Gericht gestellt werden. Das Bundesarbeitsgericht ist vorliegend für die beantragte Bestimmung zuständig, weil es in dem Zuständigkeitsstreit zwischen dem Arbeitsgericht und dem Amtsgericht zuerst um die Bestimmung angegangen worden ist (BAG Beschluß vom 29. September 1976 – 5 AR 232/76 – AP Nr. 20 zu § 36 ZPO, zu II 1 der Gründe, m.w.N.; BGHZ 44, 14, 15).
Das Verwaltungsgericht Hamburg und das Arbeitsgericht Hamburg haben sich rechtskräftig für unzuständig erklärt, ersteres durch Beschluß vom 12. September 1994, letzteres durch Beschluß vom 21. Februar 1995, der als Rückverweisung anzusehen ist.
2. Rechtskräftige Verweisungsbeschlüsse sind für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, grundsätzlich bindend. Dies ergibt sich aus § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG n.F., § 48 Abs. 1 ArbGG n.F. Die bindende Wirkung ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats auch im Bestimmungsverfahren des § 36 Nr. 6 ZPO zu beachten (vgl. statt vieler: BAG Beschluß vom 11. Januar 1982 – 5 AR 221/81 – AP Nr. 27 zu § 36 ZPO; BAG Beschluß vom 3. November 1993 – 5 AS 20/93 – AP Nr. 11 zu § 17a GVG = EzA § 36 ZPO Nr. 18). Nur so kann der Zweck des § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG erreicht werden, unnötige und zu Lasten der Parteien gehende Zuständigkeitsstreitigkeiten zu vermeiden. Das bedeutet: Es ist das Gericht als zuständig zu bestimmen, an das die Sache durch den ersten Verweisungsbeschluß gelangt ist, es sei denn, dieser ist ausnahmsweise nicht bindend. In diesem Fall ist dasjenige Gericht als zuständig zu bestimmen, an das die Sache durch den zweiten Verweisungsbeschluß gelangt ist, es sei denn, auch dieser Beschluß ist ausnahmsweise nicht bindend.
a) Auch fehlerhafte Verweisungsbeschlüsse sind grundsätzlich bindend. Lediglich eine offensichtlich gesetzwidrige Verweisung kann diese Bindungswirkung nicht entfalten (BAG Beschluß vom 29. September 1976 – 5 AR 232/76 – AP Nr. 20 zu § 36 ZPO, zu II 2 der Gründe; zum neuen Recht Beschluß vom 1. Juli 1992 – 5 AS 4/92 – EzA § 17a GVG Nr. 1; Zöller/Vollkommer, ZPO, 18. Aufl., § 36 Rz 25, 28; einschränkend zum neuen Recht Zöller/Gummer, aaO, GVG § 17a Rz 13). Offensichtlich gesetzwidrig ist ein Verweisungsbeschluß dann, wenn er jeder Rechtsgrundlage entbehrt, willkürlich gefaßt ist oder auf der Versagung rechtlichen Gehörs gegenüber einem Verfahrensbeteiligten beruht (BAG Beschluß vom 1. Juli 1992 – 5 AS 4/92 –, aaO, zu II 3a der Gründe; BGHZ 71, 69, 72 f. = NJW 1978, 1163, 1164).
b) Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Verweisungsbeschluß des Verwaltungsgerichts Hamburg entbehrt jeder Rechtsgrundlage und ist daher willkürlich.
Es handelt sich um eine Klage eines Richters im Ruhestand, für die nach § 71 Abs. 3 DRiG, § 126 Abs. 1 BRRG der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist. Warum diese Voraussetzungen hier nicht gegeben sein sollen, ist für den Senat nicht nachvollziehbar.
Der Kläger war Richter. Die von ihm geltend gemachten Versorgungsansprüche können sich – wenn überhaupt – nur aus dem ehemaligen Richterverhältnis ergeben. Der Kläger beruft sich auf die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht und auf den Gleichheitssatz. Es verstoße gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz, wenn entlassene Beamte und Richter im Gegensatz zu den vorzeitig ausscheidenden Arbeitern und Angestellten des öffentlichen Dienstes keine anteilige Zusatzversorgung beanspruchen könnten. Die gebotene Gleichbehandlung lasse sich rechtssystematisch auf zweifache Weise erreichen, entweder im Rahmen des Beamtenversorgungsrechts durch Begründung zeitanteiliger Pensionsansprüche oder aber im Rahmen des Betriebsrentengesetzes durch Nachversicherung in den Zusatzversorgungseinrichtungen des öffentlichen Dienstes bzw. – wegen der Sondersituation in Hamburg (vgl. § 18 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 BetrAVG) – durch Einbeziehung in den Kreis der Anspruchsberechtigten nach dem Hamburgischen Ruhegeldgesetz.
Die entsprechende Anwendung dieses Gesetzes ist also auch nach Auffassung des Klägers nur eines von mehreren rechtstechnischen Mitteln, mit denen der ehemalige Dienstherr dem Gleichheitsgebot Genüge tun kann. Ebensowenig wie ein arbeitsrechtlicher Streit zwischen einem Arbeitnehmer und einem Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes dadurch zu einem verwaltungsrechtlichen wird, daß dieser mit Beamten gleichbehandelt werden will, wird ein zwischen einem entlassenen Beamten oder Richter und seinem früheren Dienstherrn geführter Rechtsstreit um eine Zusatzversorgung dadurch zu einem arbeitsrechtlichen, daß der entlassene Beamte oder Richter Gleichbehandlung mit ausgeschiedenen Arbeitern und Angestellten begehrt. Der Kläger hat daher seine Klage zu Recht beim örtlich zuständigen Verwaltungsgericht erhoben.
Unterschriften
Griebeling, Schliemann, Reinecke
Fundstellen
Haufe-Index 871632 |
NJW 1996, 413 |
NZA 1995, 1175 |