Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsvereinbarung über ein Sterbegeld-Verfahren. Wirkungen der Kündigung einer Betriebsvereinbarung über ein Sterbegeld-Verfahren. keine Vergleichbarkeit mit betrieblicher Altersversorgung. Vertrauensschutz. Umstellung von Haupt- und Hilfsantrag in der Rechtsbeschwerdeinstanz
Orientierungssatz
- Eine ohne Nachwirkung endende Betriebsvereinbarung kann für die Zukunft keine neuen Ansprüche begründen. Ein Vertrauen der bislang Begünstigten auf ihren Fortbestand ist in der Regel nicht schützenswert.
- Etwas anderes kann für Betriebsvereinbarungen über betriebliche Altersversorgung gelten. Hier können auf Grund des Versorgungscharakters dieser Leistungen die Wirkungen einer Kündigung durch Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit eingeschränkt sein.
- Ein Sterbegeld in Form eines Beitrags zu den Bestattungskosten hat keinen Versorgungscharakter.
- Durch die Teilnahme an einem Sterbegeld-Verfahren, bei dem über die angefallenen Kosten und die zu ihrer Deckung erhobenen Umlagen jährlich abgerechnet und ein Fehlbetrag oder Überschuss durch Nachforderung bei den Arbeitnehmern bzw. Rückerstattung an sie ausgeglichen wird, werden keine Besitzstände erworben, die ein schützenswertes Vertrauen auf den Fortbestand dieses Verfahrens begründen könnten.
- Haupt- und Hilfsantrag können in der Regel auch noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz umgestellt werden.
Normenkette
BetrVG § 77 Abs. 5-6; BetrAVG § 1 Abs. 1 S. 1; ZPO § 559 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Konzernbetriebsrats gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 24. August 2005 – 4 TaBV 28/05 – wird zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
A. Der antragstellende Konzernbetriebsrat und die Arbeitgeberin streiten über die Folgen der Kündigung ihrer Vereinbarung über ein “Sterbegeld-Verfahren”.
Die Beteiligten schlossen am 1. März 1996 eine “Rahmenvereinbarung für das Sterbegeld-Verfahren in der R-Gruppe” (RV). Diese hat auszugsweise folgenden Wortlaut:
“Präambel
…
Der Beitritt zu diesem Sterbegeld-Verfahren ist sowohl für Mitarbeiter, ehemalige Mitarbeiter und deren hinterbliebene Ehegatten der nachstehend aufgeführten R-Gesellschaften als auch für diese Gesellschaften selbst freiwillig; die Dauer der Mitgliedschaft bestimmt sich durch die Beitrittserklärung bzw. Kündigung. Das Mitglied des Sterbegeld-Verfahrens unterwirft sich der folgenden Rahmenvereinbarung, die zwischen dem Vorstand der R… B… AG als Holding-Gesellschaft und dem von allen Einzelmitgliedern dazu beauftragten Konzernbetriebsrat vereinbart wurde.
§ 1
1. Beteiligte an dem Sterbegeld-Verfahren sind nachfolgende Gesellschaften und Einzelpersonen:
…
Einzelpersonen sind
– die aktiven Belegschaftsmitglieder sowie die diesen gemäß § 3 Ziffern 1.1 bis 1.3 gleichgestellten Personen und
– die in § 3, 4.1 und 4.2 genannten Personen
der vorgenannten Mitgliedsgesellschaften, soweit sie die Mitgliedschaft zum Sterbegeld-Verfahren erworben und aufrechterhalten haben.
2. Die Mitgliedschaft wird erworben
– bei Gesellschaften durch entsprechende rechtsverbindliche Erklärung
– bei Einzelmitgliedern durch einen Antrag auf Beitritt und dessen Annahme durch die jeweilige Arbeitgeber-Mitgliedsgesellschaft.
…
3. Die Mitgliedschaft wird beendet durch schriftliche Kündigung, die mit einer Frist von 3 Monaten zum Jahresende möglich ist. Ein späterer Wiedereintritt ist ausgeschlossen.
…
Sollte eine Mitgliedsgesellschaft aus der R-Gruppe ausscheiden, so endet die Mitgliedschaft für diese Gesellschaft, ihre Belegschaftsmitglieder und Rentner mit Ablauf des letzten Tages des Monats der Zugehörigkeit zur R-Gruppe. Die Mitgliedsgesellschaft ist verpflichtet, die Beendigung der Mitgliedschaft unverzüglich ihren Belegschaftsmitgliedern und Rentnern mitzuteilen.
§ 2
1. In den (in) § 3 genannten Fällen wird an die in § 4 genannten Berechtigten ein Sterbegeld jeweils von der Gesellschaft gezahlt, über die der oder die Verstorbene zuletzt Mitglied war.
2. Das Sterbegeld beträgt 2.500,00 DM bei Erwachsenen und 1.250,00 DM bei Kindern im Sinne des § 3 Ziffer 3.
3. Finanziert wird das Sterbegeld aus:
3.1 einem Zuschuß der in Ziffer 1 genannten Gesellschaft in Höhe von 1.000,00 DM bei Erwachsenen und von 500,00 DM bei Kindern (s.o.) pro Todesfall;
3.2 einer Umlage, die von allen aktiven Belegschaftsmitgliedern erhoben wird und die pro Todesfall zur Zeit 0,35 DM bei Erwachsenen und 0,17 DM bei Kindern beträgt;
3.3 den jährlichen Pauschalbeiträgen der Rentner gemäß § 3 Ziffer 1.1 in Höhe von 30,00 DM sowie der Mitglieder gemäß § 3 Ziffern 1.2, 1.3, 4.1 und 4.2 in Höhe von 50,00 DM.
…
4. In jedem Jahr wird ein etwaiger Überschuß bzw. Fehlbetrag auf die aktiven Mitglieder umgelegt und mit der nächsten Gehaltszahlung verrechnet.
§ 3
Sterbegeld wird gezahlt beim Tode von:
1. aktiven Belegschaftsmitgliedern,
– aktiven Belegschaftsmitgliedern gleichgestellt sind
1.1 ehemalige, der Sterbegeldregelung angeschlossene Belegschaftsmitglieder, die aus Altersgründen oder wegen Erwerbsunfähigkeit ausgeschieden sind
…
2. Ehegatten aktiver Belegschaftsmitglieder und aktiven Belegschaftsmitgliedern gleichgestellter Personen.
3. Kindern aktiver Belegschaftsmitglieder, sofern das Kind unterhaltsberechtigt war und Unterhalt bezog.
4. nicht wiederverheirateten Ehegatten verstorbener Belegschaftsmitglieder,
…
§ 4
Empfangsberechtigt sind für das zu zahlende Sterbegeld in den Fällen des
§ 3 Ziffer 1: 1. Ehegatte
…
5. die vom verstorbenen Belegschaftsmitglied als empfangsberechtigt bezeichnete oder sich später als Träger der Bestattungskosten ausweisende Person
Ziffer 2: das Belegschaftsmitglied
…
§ 6
1. Die Umlage gemäß § 2 Ziffer 3.2 wird durch jeweils monatlich nachträglichen Einbehalt vom Lohn oder Gehalt der aktiven Belegschaftsmitglieder von der jeweiligen Arbeitgeber-Mitgliedsgesellschaft erhoben.
…”
Durch das Ausscheiden mehrerer Mitgliedsunternehmen aus dem Konzern und den Rückgang der Zahl der Einzelmitglieder entstand in den Jahren 2002 bis 2004 bei der Finanzierung des Sterbegelds eine Unterdeckung in Höhe von insgesamt etwa 100.000,00 Euro. Um diesen Fehlbetrag im Wege der Umlage auszugleichen, hätte jedes Einzelmitglied Ausgleichsleistungen im Umfang von etwa 180,00 Euro erbringen müssen.
Am 25. November 2004 richtete die Arbeitgeberin an den Konzernbetriebsrat folgendes Schreiben:
“Nachdem wir lange Zeit und intensiv die dem Sterbegeldverfahren innewohnende Problematik erörtert haben und wir verschiedene Lösungsalternativen von beiden Seiten besprochen haben, wir aber nicht zu einer abschließenden Einigung gekommen sind, hat der Vorstand nach eingehender Diskussion beschlossen, die Konzernbetriebsvereinbarung zum Sterbegeldverfahren vom 01. März 1996 mit sämtlichen Nachträgen zum nächstmöglichen Kündigungstermin zu kündigen. In Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist von drei Monaten gehen wir von einer Beendigung zum 28. Februar 2005 aus.
Gleichzeitig wurde beschlossen, die Unterdeckung aus den Jahren 2002 – 2004 sowie anteilig 2005 nicht den aktiven Mitgliedern weiter zu belasten, sondern durch die Gesellschaften zu übernehmen.”
Der Konzernbetriebsrat hat die Auffassung vertreten, durch die Entscheidung der Arbeitgeberin sei eine Neugestaltung des Sterbegeld-Verfahrens notwendig geworden. Bei dieser stehe ihm ein Mitbestimmungsrecht zu. Das Sterbegeld-Verfahren habe den Charakter einer betrieblichen Altersversorgung. Die bisherigen Einzelmitglieder hätten deshalb Anwartschaften auf spätere Leistungen erworben. Diese gelte es auszugestalten.
Der Konzernbetriebsrat hat zweitinstanzlich beantragt
festzustellen, dass ihm ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht über die durch die Kündigung der Konzernbetriebsvereinbarung notwendige Änderung bzw. Neugestaltung des Sterbegeldumlageverfahrens zusteht,
hilfsweise
festzustellen, dass durch die Kündigung der Rahmenvereinbarung für das Sterbegeld-Verfahren in der R-Gruppe vom 25. November 2004 nicht zum 28. Februar 2005 in die Besitzstände der an dem Sterbegeld-Verfahren beteiligten Arbeitnehmer – bestehend aus den bis zum 28. Februar 2005 erworbenen Sterbegeldansprüchen – eingegriffen wurde.
Die Arbeitgeberin hat beantragt, die Anträge zurückzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, dem Konzernbetriebsrat stehe das geltend gemachte Mitbestimmungsrecht nicht zu. Ihre Kündigung habe das Sterbegeld-Verfahren zum 28. Februar 2005 ohne Nachwirkung beendet. Die Wirkungen der Kündigung seien durch Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit, wie sie im Bereich der betrieblichen Altersversorgung angebracht sein könnten, nicht beschränkt.
Die Vorinstanzen haben die Anträge des Konzernbetriebsrats abgewiesen. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt dieser sie weiter. Dabei hat er den bisherigen Hilfsantrag als Hauptantrag und den bisherigen Hauptantrag als Hilfsantrag für den Fall des Obsiegens mit dem neuen Hauptantrag gestellt.
Entscheidungsgründe
B. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das mit dem neuen Hauptantrag verfolgte Feststellungsbegehren des Konzernbetriebsrats hat keinen Erfolg. Auf Grund der Kündigung der RV ist das darin geregelte Sterbegeld-Verfahren ohne Nachwirkung beendet worden. Anwartschaften der bis dahin beteiligten Einzelmitglieder auf ein Sterbegeld sind nicht entstanden. Der Hilfsantrag ist nicht zur Entscheidung angefallen.
I. Der in der Rechtsbeschwerdeinstanz als Hauptantrag gestellte Feststellungsantrag ist zulässig.
1. Die Umstellung von Haupt- und Hilfsantrag war auch in der Rechtsbeschwerdeinstanz noch möglich. Zwar ist eine Antragsänderung in der Revisions- und Rechtsbeschwerdeinstanz grundsätzlich ausgeschlossen. Sie widerspricht der Vorschrift des – auch im Beschlussverfahren anzuwendenden – § 559 Abs. 1 ZPO (BAG 28. Juni 2005 – 1 ABR 25/04 – AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 146 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 14, zu B I 2a der Gründe mwN). Antragsänderungen können aber jedenfalls aus prozessökonomischen Gründen zugelassen werden, wenn es sich dabei um Fälle des § 264 Nr. 2 ZPO handelt und der neue Sachantrag sich auf den in der Berufungsinstanz festgestellten Sachverhalt und auf den unstreitigen Partei- bzw. Beteiligtenvortrag stützt (BAG 27. Januar 2004 – 1 AZR 105/03 – AP ArbGG 1979 § 64 Nr. 35 = EzA ArbGG 1979 § 64 Nr. 39, zu III der Gründe mwN). Dies trifft auf einen Wechsel von Haupt- und Hilfsantrag regelmäßig zu (vgl. BAG 11. Februar 1992 – 1 ABR 49/91 – BAGE 69, 302, zu B I der Gründe). Mit ihm ist in der Regel keine Erweiterung des bisherigen Prüfprogramms verbunden. Wird dabei, wie hier, ein Hauptantrag zu einem uneigentlichen Hilfsantrag, führt dies sogar zu einer Einschränkung des bis dahin zur Entscheidung gestellten Begehrens. Zu einer Erweiterung könnte allenfalls der umgekehrte Fall führen.
2. Der Antrag bedarf der Auslegung. Der Konzernbetriebsrat will festgestellt wissen, dass die Kündigung der RV “nicht zum 28. Februar 2005 in die Besitzstände der am Sterbegeld-Verfahren beteiligten Arbeitnehmer – bestehend aus den bis zum 28. Februar 2005 erworbenen Sterbegeldansprüchen” eingegriffen hat. Das lässt die Annahme zu, er wolle das Bestehen von Ansprüchen oder Anwartschaften der betroffenen Arbeitnehmer auf eine künftige Leistung von Sterbegeld festgestellt wissen. Gegenüber einem solchen Antrag bestünden erhebliche Bedenken hinsichtlich seiner Bestimmtheit und der nötigen Antragsbefugnis.
Dieses Verständnis würde jedoch dem wirklichen Begehren des Konzernbetriebsrats nicht gerecht. Diesem geht es nicht um die Feststellung des Bestehens und des Inhalts individueller künftiger Ansprüche der Arbeitnehmer aus der Teilnahme am Sterbegeld-Verfahren bis zum 28. Februar 2005. Er will vielmehr festgestellt wissen, dass die RV als solche auch über den 28. Februar 2005 hinaus als anspruchsbegründende kollektive Regelung für die bis zu diesem Zeitpunkt am Sterbegeld-Verfahren beteiligten Arbeitnehmer fortbesteht. Auf den genauen Inhalt daraus resultierender individueller Ansprüche kommt es ihm nicht an.
3. Mit diesem Inhalt erfüllt der Antrag die gesetzlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen. Er ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Das erforderliche Feststellungsinteresse iSv. § 256 Abs. 1 ZPO liegt vor; der Antrag ist auf das Bestehen eines betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsverhältnisses gerichtet, das zwischen den Beteiligten streitig ist. Der Konzernbetriebsrat besitzt auch die erforderliche Antragsbefugnis iSv. § 81 Abs. 1 ArbGG; er macht eine eigene Rechtsposition und nicht individuelle Ansprüche einzelner Arbeitnehmer geltend.
II. Der Hauptantrag ist unbegründet. Auf Grund der mit dem Schreiben vom 25. November 2004 erklärten Kündigung hat die Geltung der RV geendet. Sie hat ihre Wirksamkeit mit Ablauf der Kündigungsfrist auch für diejenigen Arbeitnehmer verloren, die bis dahin am Sterbegeld-Verfahren teilgenommen haben. Eine Nachwirkung ist nicht eingetreten. Die Beendigungswirkung der Kündigung ist nicht durch ein schützenswertes Vertrauen der Arbeitnehmer auf den Fortbestand des Sterbegeld-Verfahrens eingeschränkt.
1. Eine Betriebsvereinbarung kann nach § 77 Abs. 5 BetrVG jederzeit mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden, sofern nichts anderes vereinbart ist.
Von dieser Möglichkeit hat die Arbeitgeberin mit ihrem an den Konzernbetriebsrat gerichteten Schreiben vom 25. November 2004 Gebrauch gemacht. Das Schreiben enthält nicht nur die Mitteilung über eine entsprechende Beschlussfassung durch ihre zuständigen Organe, sondern stellt die Kündigungserklärung als solche dar. Zwar ließe sich der erste Satz als bloße Ankündigung einer erst noch auszusprechenden Kündigung verstehen. Im folgenden Satz heißt es jedoch, die Arbeitgeberin gehe “in Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist … von einer Beendigung zum 28. Februar 2005 aus”. Damit musste für den Konzernbetriebsrat deutlich werden, dass schon dem Schreiben selbst die Wirkung einer Kündigung zukommen sollte. Der Konzernbetriebsrat hat dies auch tatsächlich nicht anders verstanden; in der Antragsschrift vom 28. Februar 2005 spricht er von der “Kündigung vom 25. November 2004”.
Die RV enthält keine Regelung über einen Kündigungsausschluss oder vom Gesetz abweichende Kündigungsfristen. Die Wirkungen der Kündigung traten damit zum 28. Februar 2005 ein; mangels anderweitigen Vorbringens der Beteiligten ist davon auszugehen, dass das Schreiben dem Konzernbetriebsrat noch vor dem 1. Dezember 2004 zuging.
2. Die RV entfaltet nach ihrem Ablauf keine Nachwirkung. Gem. § 77 Abs. 6 BetrVG tritt eine Nachwirkung nur für solche Regelungen einer Betriebsvereinbarung ein, in denen der Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzen kann. Dies ist hinsichtlich des Gegenstands der RV nicht der Fall. Der Betriebsrat hat bezüglich der Einführung und Beibehaltung des Sterbegeld-Verfahrens kein nach § 87 Abs. 1, Abs. 2 BetrVG erzwingbares Mitbestimmungsrecht.
3. Die RV hat mit Ablauf der Kündigungsfrist ihre Geltung vollständig verloren. Die Beendigungswirkung der Kündigung ist nicht durch Grundsätze des Vertrauensschutzes oder der Verhältnismäßigkeit eingeschränkt. Die RV stellt deshalb auch hinsichtlich der bisherigen Teilnehmer am Sterbegeld-Verfahren kein zu beachtendes Regelungswerk mehr dar.
a) Mit dem Ablauf einer nachwirkungslos endenden Betriebsvereinbarung verliert diese grundsätzlich jegliche Geltung und damit die Fähigkeit, weiterhin Grundlage für in ihr geregelte Ansprüche zu sein, soweit diese bei Ablauf nicht schon entstanden waren (Richardi BetrVG 10. Aufl. § 77 Rn. 169 f.). Ein Vertrauen der bislang Begünstigten auf den Fortbestand der Betriebsvereinbarung ist regelmäßig nicht schützenswert (Fitting 23. Aufl. § 77 Rn. 149). Etwas anderes gilt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts für Betriebsvereinbarungen über betriebliche Altersversorgung. Hier dürfen bereits erworbene Versorgungsanwartschaften auch nach Ablauf der Betriebsvereinbarung nicht ohne überwiegende Belange des Arbeitgebers entfallen. Die Arbeitnehmer haben durch ihre Betriebstreue bereits Vorleistungen in der Erwartung einer in der Versorgungszusage liegenden Gegenleistung des Arbeitgebers erbracht. Die Wirkungen der Kündigung einer Betriebsvereinbarung über betriebliche Altersversorgung sind deshalb nach Maßgabe der Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit zu begrenzen (11. Mai 1999 – 3 AZR 21/98 – BAGE 91, 310, zu III 2a der Gründe).
b) Danach ist die RV als Grundlage für eine künftige Teilnahme am Sterbegeld-Verfahren ohne Einschränkung weggefallen. Das in ihr vorgesehene Sterbegeld stellt keine Leistung der betrieblichen Altersversorgung dar.
aa) Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG liegt betriebliche Altersversorgung vor, wenn einem Arbeitnehmer Leistungen mit dem Zweck der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenensicherung zugesagt werden. Eine Leistung dient der Alterssicherung, wenn der Anspruch vom Erreichen eines bestimmten Lebensalters abhängt. Sie bezweckt die Invaliditätsabsicherung, wenn sie den durch gesundheitlich bedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit eingetretenen Einkommensverlust ausgleichen soll. Um Hinterbliebenenversorgung handelt es sich, wenn es um die Absicherung von Ehegatten und Kindern nach dem Tode des Arbeitnehmers geht (vgl. ErfK/Steinmeyer 6. Aufl. § 1 BetrAVG Rn. 6 ff.).
bb) Danach hat das Sterbegeld nach der RV keinen Versorgungscharakter. Es dient nicht der Hinterbliebenenversorgung. Es stellt lediglich einen Beitrag zu anfallenden Bestattungskosten dar. Dieser fällt nach § 3 RV überdies nicht nur beim Tod des Arbeitnehmers selbst an, sondern zu dessen eigenen Gunsten auch beim Tode seines Ehegatten oder eines unterhaltsberechtigten Kindes. Beim Tod des Arbeitnehmers sind nach § 4 RV außerdem nicht nur der Ehegatte und die Kinder empfangsberechtigt, sondern jede vom Arbeitnehmer dazu erklärte oder sich später “als Träger der Bestattungskosten ausweisende” Person. Damit verfolgt das Sterbegeld nicht das Ziel einer langfristigen Sicherung der Hinterbliebenen des Arbeitnehmers.
c) Die Teilnehmer am Sterbegeld-Verfahren haben auch keine sonstigen Besitzstände erdient, die ein schützenswertes Vertrauen auf dessen Fortbestand hätten begründen können.
aa) Zur Finanzierung der anfallenden Sterbegelder wurde gem. § 2 Nr. 3.2 RV von den teilnehmenden aktiven Belegschaftsmitgliedern eine Umlage von ursprünglich 0,35 DM für jeden Todesfall bei Erwachsenen und 0,17 DM bei Kindern erhoben. Rentner und sonstige Teilnehmer hatten einen jährlichen Pauschalbeitrag von anfangs 30,00 DM bzw. 50,00 DM zu leisten. Nach § 2 Nr. 4 RV wurde ein Überschuss oder Fehlbetrag jährlich auf die aktiven Mitglieder umgelegt. In einem entsprechenden Umfang konnten die Pauschalbeiträge nach § 2 Nr. 3.3 RV jährlich neu festgesetzt werden. Versicherungsmathematisch kalkulierte, gleichbleibende Prämien waren von den Teilnehmern nicht geschuldet. Auf diese Weise haben die Teilnehmer – unter Einschluss der Arbeitgeberzuschüsse – nur die jeweils konkret angefallenen Sterbegelder eines Jahres finanziert. Unverbrauchtes Kapital wurde nicht angespart.
Die persönliche Teilnahme am Sterbegeld-Verfahren konnte nach § 1 Nr. 3 Abs. 1 RV jederzeit zum Jahresende gekündigt werden. Beim Ausscheiden eines beteiligten Unternehmens aus der R-Gruppe endete die Teilnahme seiner aktiven Belegschaftsmitglieder und Rentner nach § 1 Nr. 3 Abs. 3 RV darüber hinaus automatisch. Eine Beitragsrückerstattung an die Teilnehmer war in keinem Fall vorgesehen. “Versichert” war deshalb durch die Teilnahme am Sterbegeld-Verfahren lediglich das Risiko des eigenen Todes und des Todes von Ehegatten und Kindern im jeweils laufenden Jahr.
bb) Bei einer solchen Ausgestaltung sollte durch das Regelungswerk der RV weder Betriebstreue honoriert noch vorweg geleistete Arbeit später vergütet werden. Durch die Teilnahme am Sterbegeld-Verfahren entstanden folglich keine Anwartschaften auf Zahlung eines Sterbegeldes für den später als im laufenden Jahr eintretenden Todesfall. Die Teilnahme vermochte damit kein schützenswertes Vertrauen auf den Fortbestand des Sterbegeld-Verfahrens zu begründen, das der Wirkung einer vollständigen Beendigung der RV durch eine Kündigung entgegenstünde.
III. Der Hilfsantrag des Konzernbetriebsrats ist ausdrücklich nur für den Fall des Obsiegens mit dem Hauptantrag gestellt worden. Er ist dem Senat damit nicht zur Entscheidung angefallen.
Unterschriften
Schmidt, Linsenmaier, Kreft, Giese, Wohlgemuth
Fundstellen
NZA 2007, 1127 |
AP 2007 |
AP, 0 |
EzA-SD 2007, 13 |
EzA |