Entscheidungsstichwort (Thema)
Jugendvertretung Wahlanfechtung Beteiligung des Betriebsrats
Leitsatz (amtlich)
Im Verfahren über die Anfechtung der Wahl zur Jugendvertretung ist auch der Betriebsrat Beteiligter.
Normenkette
BetrVG 1972 § 60 ff., § 19
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Beschluss vom 25.01.1985; Aktenzeichen 14/5 Ta BV 108/84) |
ArbG Hanau (Beschluss vom 04.07.1984; Aktenzeichen 2 BV 3/84) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluß des Landesarbeitsgerichts Frankfurt vom 25. Januar 1985 – 14/5 Ta BV 108/84 – mit dem ihm zugrundeliegenden Verfahren aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
I. Die Antragstellerin ist ein Unternehmen der metallverarbeitenden Industrie. Sie hat mit der Gesellschaft für W… – … e.V., H…, im August 1983 einen Vertrag geschlossen, durch den sie sich verpflichtet hat, im Auftrag der Gesellschaft in ihrem Betrieb in H… für insgesamt 28 Teilnehmer “das erste Jahr einer Berufsausbildung zum Betriebsschlosser in überbetrieblicher Form” nach den Richtlinien des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft für die Förderung der Berufsausbildung von benachteiligten Jugendlichen vom 12. Mai 1980 durchzuführen. Die Antragstellerin hat sich in diesem Vertrag bereit erklärt, “die Fortsetzung dieser Berufsausbildung in überbetrieblicher Form bis zum Abschluß dann zu übernehmen, wenn vorher die Vermittlung von Teilnehmern auf einen betrieblichen Ausbildungsplatz nicht gelingt”.
Die Teilnehmer der Ausbildung bei der Antragstellerin werden vom Arbeitsamt im Einvernehmen mit der Gesellschaft für W… – … e.V. benannt, die Ausbildungsverträge mit den Teilnehmern von dieser geschlossen.
Die Antragstellerin erhält zur Durchführung der Ausbildungsmaßnahmen entsprechend der Bewilligung durch das zuständige Arbeitsamt Förderungsmittel von der Gesellschaft für W… – …. Die Ausbildungsvergütung wird ebenfalls vom Arbeitsamt getragen.
Aufgrund dieser Vereinbarungen wurden bei der Antragstellerin 15 Jugendliche ausgebildet.
Zur Wahl der Jugendvertretung am 29. Mai 1984 haben neben 9 Auszubildenden der Antragstellerin auch die 15 Teilnehmer der Ausbildungsmaßnahme nach Aufnahme in die Wählerliste an der Wahl teilgenommen. Nach dem vom Wahlvorstand am 4. Juni 1984 bekanntgemachten Wahlergebnis besteht die Jugendvertretung aus drei Mitgliedern, darunter einem Teilnehmer der Ausbildungsmaßnahme, der inzwischen von dieser Amt zurückgetreten ist.
Mit ihrem am 12. Juni 1984 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag hat die Antragstellerin die Wahl mit der Begründung angefochten, die Teilnehmer an der Ausbildungsmaßnahme seien weder wahlberechtigt noch wählbar, weil sie nicht Arbeitnehmer der Antragstellerin seien.
Der Antrag der Antragstellerin, die Wahl vom 29. Mai 1984 für unwirksam zu erklären, hatte vor dem Arbeitsgericht Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt die Antragstellerin die Wiederherstellung der Entscheidung des Arbeitsgerichts.
Entscheidungsgründe
II. Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin hat Erfolg, ohne daß es auf die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts in der Sache ankommen kann. Sie führt zur Aufhebung der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht.
1. Beide Vorinstanzen haben nur die Antragstellerin und die Jugendvertretung am vorliegenden Beschlußverfahren beteiligt. Beteiligter am Beschlußverfahren über die Anfechtung der Wahl zur Jugendvertretung ist aber nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (davon ist zuletzt der Sechste Senat im Beschluß vom 22. November 1984 – 6 ABR 9/84 – AP Nr. 1 zu § 64 BetrVG 1972 ausgegangen) auch der Betriebsrat, weil die Jugendvertretung auch prozessual nicht allein handlungsfähig ist. Der Senat hat ihn deshab noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz von Amts wegen beteiligt.
2. Einer Zurückverweisung des Rechtsstreits in die Vorinstanzen bedarf es dann nicht, wenn ein bisher am Verfahren nicht Beteiligter von seinem Recht auf Anhörung auch nach Beteiligung durch das Gericht im Verfahren keinen Gebrauch macht und nach den in den Tatsacheninstanzen getroffenen Feststellungen eine weitere Änderung der Sachaufklärung nicht zu erwarten ist. Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben, da der Betriebsrat seine bisherige Nichtbeteiligung in den Tatsacheninstanzen ausdrücklich gerügt hat.
Auf diese Rüge muß die von der Antragstellerin angegriffene Entscheidung sowie das ihr zugrundeliegende Verfahren aufgehoben und die Sache zur Nachholung der Anhörung des Betriebsrats an das Landesarbeitsgericht zurückverweisen werden (vgl. z. B. BAG Beschluß vom 13. Juli 1977 – 1 ABR 19/75 – AP Nr. 8 zu § 83 ArbGG 1953), um ihm Gelegenheit zu geben, sich in tatsächlicher Hinsicht zum verfahren zu äußern. Eine Nachholung der Anhörung vor dem Rechtsbeschwerdegericht ist nicht möglich, weil dem Betriebsrat dadurch keine Tatsacheninstanz eröffnet werden kann.
3. Aber auch unabhängig hiervon muß die Sache zurückverwiesen werden, um dem Landesarbeitsgericht Gelegenheit zu geben, auch die Jugendvertretung selbst ordnungsgemäß anzuhören. Nach § 63 BetrVG ist zwar u. a. § 19 BetrVG auf die Wahlen der Jugendvertretung entsprechend anzuwenden. Daraus folgt jedoch nicht, daß die Jugendvertretung im Gegensatz zur sonstigen Systematik der Regelungen nach §§ 60 ff. BetrVG unabhängig vom Betriebsrat gegenüber dem Arbeitgeber handlungsfähig wäre (vgl. dazu BAG Urteil vom 20. November 1973 – 1 AZR 331/73 – BAG 25, 394 = AP Nr. 1 zu § 65 BetrVG 1972; Beschluß des erkennenden Senats vom 21. Januar 1982 – 6 ABR 17/79 – BAG 37, 348 = AP Nr. 1 zu § 70 BetrVG 1972). Damit ist bisher offen, ob die Jugendvertretung für die Wahrnehmung ihrer Rechte in diesem Verfahren wirksam gehandelt haben kann, da ein auch für die Wahrnehmung ihrer Rechte im vorliegenden Verfahren wirksamer Beschluß nicht festgestellt ist. Das Arbeitsgericht hat die Jugendvertretung unmittelbar durch Postzustellungsurkunde zur Anhörung geladen. Danach haben sich die Rechtssekretäre des zuständigen DGB-Kreises als Verfahrensbevollmächtigte gemeldet. Entsprechendes trifft für das Beschwerde- und das Rechtsbeschwerdeverfahren zu. Damit kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß die Jugendvertretung durch die Anhörung ihrer Verfahrensbevollmächtigten wirksam angehört worden ist, da eine Bevollmächtigung von Prozeßvertretern durch die Jugendvertretung ohne Beteiligung des Betriebsrats ebenfalls nicht möglich ist (vgl. BAG vom 20. November 1973, aaO).
Unterschriften
Dr. Röhsler, Dr. Jobs, Dr. Leinemann, Mayer, Dr. Gehrunger
Fundstellen