Entscheidungsstichwort (Thema)

Weitere Beschwerde wegen “greifbarer Gesetzeswidrigkeit” bei Verweisungsbeschlüssen wegen örtlicher Unzuständigkeit

 

Normenkette

ZPO § 29; ArbGG § 48; BGB § 242

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Beschluss vom 10.02.1998; Aktenzeichen 7 Ta 391/97)

ArbG Köln (Beschluss vom 13.11.1997; Aktenzeichen 6 Ca 8245/96)

 

Tenor

Die sofortige weitere Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Köln vom 10. Februar 1998 – 7 Ta 391/97 – wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin hat die Kosten der weiteren Beschwerde zu tragen.

Gegenstandswert des Verfahrens der weiteren sofortigen Beschwerde:

1.259,33 DM.

 

Tatbestand

I. Die Parteien streiten um Beihilfeansprüche aus einem Arbeitsverhältnis, das nach Auffassung der Beklagten durch ordentliche Kündigung mit dem 31. März 1997 geendet hat.

Die Klägerin wohnt in K… die beklagte GmbH hat ihren Sitz in V… (Arbeitsgerichtsbezirk Krefeld). Dort war die Klägerin auch tätig. Die Klägerin hat das Verfahren durch an das Arbeitsgericht Köln gerichteten Mahnbescheidsantrag eingeleitet. Sie hält dieses Arbeitsgericht für örtlich zuständig. Nachdem gegen den Mahnbescheid ein – nach Auffassung der Klägerin unzulässiger – Widerspruch eingelegt worden war und die Klägerin ihre Klage begründet hatte, fand eine Güteverhandlung statt.

Zur örtlichen Zuständigkeit trug die Klägerin – vor und nach der Anberaumung des Gütetermins und nach seinem Stattfinden – vor, die Beklagte verweigere die Zahlung der Beihilfe “in der Absicht, die existentielle Notlage der Klägerin weiterhin zu vertiefen” und weil sie die Klägerin “weiterhin zu schikanieren und zu schädigen” beabsichtige. Unter diesen Umständen sei nach § 242 BGB als Erfüllungsort im Sinne des § 29 ZPO nicht mehr der Sitz der Beklagten, sondern der Wohnsitz der Klägerin anzusehen. Dieser könne “heute nicht mehr die Mühe persönlichen Erscheinens am Gerichtsort der Beklagten aufgebürdet werden”. Im übrigen ergebe sich die örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Köln auch aus § 20 ZPO, weil “dies aufgrund der langandauernden (seit dem 21.06.1996) und fortbestehenden Erkrankung der Klägerin, deren Ursache das Verhalten des Geschäftsführers ihr gegenüber sei, wegen der Ortsnähe zu der in K… wohnenden Klägerin und der wirtschaftlichen Situation prozeßökonomisch begründet sei; sie sei in der Reisefähigkeit eingeschränkt, und zwar sowohl gesundheitsbedingt als auch wirtschaftlich als Folge dieses Verhaltens”.

Durch Kammerbeschluß vom 13. November 1997 erklärte sich das Arbeitsgericht Köln für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Krefeld. Dagegen wandte sich die Klägerin mit der Beschwerde “gemäß § 17a Abs. 3, Abs. 2 Satz 3 GVG”. Sie machte geltend, der Verweisungsbeschluß des Arbeitsgerichts Köln sei nichtig. Die Beschwerde wurde vom Landesarbeitsgericht Köln zurückgewiesen, da sie unzulässig sei und der angefochtene Beschluß nicht nichtig sei, da ihm schwerste rechtliche Mängel nicht anhafteten. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer “sofortigen weiteren Beschwerde wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit”.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Beschwerde ist unzulässig. Das Rechtsmittel ist nicht statthaft.

1. Nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG sind Beschlüsse über die örtliche Unzuständigkeit unanfechtbar. Daraus folgt, daß grundsätzlich auch kein Rechtsmittel gegen Beschlüsse der Landesarbeitsgerichte gegeben ist, mit denen dennoch erhobene Beschwerden als unzulässig abgewiesen oder verworfen wurden. Im übrigen findet nach § 78 Abs. 2 ArbGG – von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen – eine weitere Beschwerde gegen Beschlüsse der Landesarbeitsgerichte ohnehin nicht statt.

2. Das Rechtsmittel ist auch nicht als außerordentliche weitere Beschwerde wegen “greifbarer Gesetzwidrigkeit” zulässig. Es kann dahinstehen, ob und unter welchen Voraussetzungen überhaupt außerordentliche Beschwerden wegen “greifbarer Gesetzwidrigkeit” zulässig sind. Wenn überhaupt, ist ausnahmsweise eine Beschwerdemöglichkeit zur nächst höheren Instanz – hier zum Landesarbeitsgericht – gegeben. Die “greifbare Gesetzwidrigkeit” einer nach dem Gesetz nicht anfechtbaren gerichtlichen Entscheidung eröffnet aber keinen Instanzenzug, der unter Umgehung aller gesetzlichen Statthaftigkeitsvorschriften bis zum Bundesarbeitsgericht reicht. Eine außerordentliche weitere Beschwerde zum Bundesarbeitsgericht kommt vielmehr nur dann in Betracht, wenn die Entscheidung des Beschwerdegerichts über die Erstbeschwerde “greifbar gesetzwidrig” ist (BGH Beschluß vom 27. November 1996 – VIII ZB 41/96 – NJW 1997, 744).

3. Das ist nicht der Fall. Der Beschluß des Landesarbeitsgerichts ist weder nichtig noch aus anderen Gründen “greifbar gesetzwidrig”.

§ 313 Abs. 1 Ziff. 2 ZPO ist auch dann nicht verletzt, wenn man diese Vorschrift analog auf Beschlüsse anwenden will. Aus dem Beschluß ergibt sich mit aller Deutlichkeit, daß der Beschluß vom Vorsitzenden allein erlassen wurde. Eine etwaige Unklarheit darüber, ob der Beschluß am 1., 2. oder 10. Februar 1998 erging, wiegt nicht schwer. Wenn es in dem Beschluß des Landesarbeitsgerichts heißt, der ursprünglich angefochtene Beschluß sei unanfechtbar, so wird damit nur der Gesetzeswortlaut wiederholt. Das kann kein schwerer rechtlicher Mangel sein.

Für die Auffassung der Klägerin, das Arbeitsgericht hätte nach der Güteverhandlung nicht mehr verweisen dürfen, fehlt jeder Anhaltspunkt. Die Verweisung wegen örtlicher Unzuständigkeit richtet sich zumindest dann nach § 48 Abs. 1 ArbGG, § 17a GVG, wenn Widerspruch erhoben wurde. Auf die Wirksamkeit des Widerspruchs kommt es nicht an. Es spricht wenig dafür, daß materiell-rechtliche Erwägungen, wonach ausnahmsweise aus einer Schickschuld eine Bringschuld werden kann (BAG Urteil vom 8. März 1995 – 5 AZR 848/93 – AP Nr. 21 zu § 630 BGB), auch Auswirkungen auf den Gerichtsstand des Erfüllungsortes nach § 29 ZPO haben. Jedenfalls ist eine gerichtliche Entscheidung, die dies ablehnt, nicht “greifbar gesetzwidrig”.

§ 20 ZPO betrifft – wie sich aus dem Wortlaut klar ergibt – nur Passivprozesse. Rechtliches Gehör wurde in allen Instanzen gewährt.

Die sofortige weitere Beschwerde ist auch insoweit unstatthaft, als sie sich gegen die Streitwertfestsetzung des Landesarbeitsgerichts richtet (§ 48 Abs. 1 Nr. 1, § 78 Abs. 2 ArbGG).

 

Unterschriften

Griebeling, Reinecke, Kreft

 

Fundstellen

Haufe-Index 2628926

FA 1998, 191

FA 1998, 218

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?