Entscheidungsstichwort (Thema)
Anordnung des persönlichen Erscheinens. Ausbleiben im Termin. Ordnungsgeld. Kosten
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Ordnungsgeld nach § 141 Abs. 3 ZPO darf immer dann nicht mehr festgesetzt werden, wenn im Termin zur mündlichen Verhandlung des Rechtstreits Fragen zum Sachverhalt nicht offengeblieben sind und der Rechtsstreit ohne weiteren Vortrag durch Urteil entschieden wurde, wobei es unerheblich ist, ob der Rechtsstreit in der Instanz rechtskräftig abgeschlossen wird oder nicht. In einem solchen Fall hat das Ausbleiben der persönlich geladenen Partei die Sachverhaltsaufklärung weder erschwert noch verzögert.
2. Die Kosten der erfolgreichen Beschwerde einer Partei gegen die Verhängung eines Ordnungsgelds wegen ihres Ausbleibens im Termin entgegen einer Anordnung des persönlichen Erscheinens gem. § 141 Abs. 3 ZPO gehen zu Lasten der letztlich kostenpflichtigen Partei.
Normenkette
ArbGG § 51; JVEG § 7; ZPO § 141 Abs. 1, 3, § 380 Abs. 3 S. 1, § 574
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Beschluss vom 29.06.2005; Aktenzeichen 18 Ta 198/05) |
ArbG Offenbach am Main (Beschluss vom 21.03.2005; Aktenzeichen 3 Ca 254/04) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Geschäftsführers der Beklagten, W…, werden der Beschluss des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 29. Juni 2005 – 18 Ta 198/05 – und der Ordnungsgeldbeschluss des Arbeitsgerichts Offenbach am Main vom 21. März 2005 – 3 Ca 254/04 – aufgehoben.
Tatbestand
I. Die Parteien haben über die Wirksamkeit zweier außerordentlicher Kündigungen sowie über Zahlungsansprüche gestritten. Nachdem der Rechtsbeschwerdeführer, der Geschäftsführer der Beklagten, trotz Anordnung des persönlichen Erscheinens zum Kammertermin am 17. Februar 2005 vor dem Arbeitsgericht nicht erschienen war, erklärte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten zu Protokoll, dass der Rechtsbeschwerdeführer zur Sache keine Angaben machen könne und dass er, der Prozessbevollmächtigte der Beklagten, gemäß § 141 Abs. 3 ZPO bevollmächtigt sei. Am Schluss der Sitzung erging ein Urteil, mit dem das Arbeitsgericht der Klage teilweise stattgab.
Mit Beschluss vom 21. März 2005, der dem Rechtsbeschwerdeführer am 30. März 2005 zugestellt worden ist, hat das Arbeitsgericht gegen den Rechtsbeschwerdeführer wegen dessen unentschuldigten Fehlens im Kammertermin am 17. Februar 2005 ein Ordnungsgeld iHv. 300,00 Euro festgesetzt. Hiergegen hat dieser am 12. April 2005 sofortige Beschwerde eingelegt. Mit Beschluss vom selben Tage hat das Arbeitsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht vorgelegt. Dieses hat mit Beschluss vom 29. Juni 2005, dem Rechtsbeschwerdeführer zugestellt am 6. Juli 2005, die sofortige Beschwerde des Rechtsbeschwerdeführers gegen den Ordnungsgeldbeschluss des Arbeitsgerichts vom 21. März 2005 mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das verhängte Ordnungsgeld auf 150,00 Euro herab- und festgesetzt wurde. Hiergegen richtet sich die vom Landesarbeitsgericht im Hinblick auf den Beschluss des LAG Niedersachsen vom 7. August 2002 (– 10 Ta 306/02 –) zugelassene Rechtsbeschwerde.
Entscheidungsgründe
II. Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 statthafte und auch im Übrigen zulässige (§ 575 ZPO) Rechtsbeschwerde ist begründet. Der Ordnungsgeldbeschluss des Arbeitsgerichts Offenbach am Main entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen.
1. Es konnte offenbleiben, ob der Ordnungsgeldbeschluss des Arbeitsgerichts bereits deshalb zu beanstanden ist, weil das Arbeitsgericht das Ordnungsgeld nicht gegen die Beklagte selbst, sondern gegen deren Geschäftsführer festgesetzt hat (zum Meinungsstand vgl. LAG Hamm 25. Januar 1999 – 1 Ta 727/98 – LAGE ArbGG 1979 § 51 Nr. 6; Vonderau NZA 1991, 336, 339; aA Zöller/Greger ZPO 26. Aufl. § 141 Rn. 14 mwN). Jedenfalls ist die Verhängung des Ordnungsgeldes ermessensfehlerhaft.
§ 141 Abs. 3 ZPO bestimmt, dass gegen eine Partei ein Ordnungsgeld wie gegen einen im Verhandlungstermin nicht erschienenen Zeugen festgesetzt werden kann, sofern die Partei entgegen einer Anordnung ihres persönlichen Erscheinens im Termin ausbleibt. Danach steht die Festsetzung des Ordnungsgeldes zwar im Ermessen des Gerichts; dieses Ermessen ist jedoch nicht frei, sondern pflichtgemäß auszuüben. Hierbei hat das Gericht den Sinn und Zweck der Anordnung des persönlichen Erscheinens einer Partei sowie des Ordnungsgeldes zu berücksichtigen. Eine diesen Grundsätzen entsprechende Abwägung durch das Arbeitsgericht ist dem angefochtenen Beschluss nicht zu entnehmen.
2. Zweck des § 141 Abs. 3 ZPO ist es nicht, eine vermeintliche Missachtung des Gesetzes oder des Gerichts durch die nicht erschienene Partei zu ahnden; ebenso wenig darf die Androhung und Verhängung eines Ordnungsgeldes dazu verwendet werden, einen Vergleichsabschluss zu erzwingen (vgl. OLG Brandenburg 24. Oktober 2000 – 12 W 49/00 – NJW-RR 2001, 1649). Mit der Möglichkeit, das persönliche Erscheinen der Parteien anzuordnen, setzt das Gesetz das Gericht vielmehr in die Lage, den entscheidungserheblichen Sachverhalt so umfassend und rasch wie möglich zu klären, um so zu einer der materiellen Rechtslage möglichst gerecht werdenden Entscheidung zu gelangen. Sinn und Zweck der Anordnung des persönlichen Erscheinens nach § 141 Abs. 1 ZPO ist es demnach – entsprechend dem Gesetzeswortlaut – allein, die Aufklärung des Sachverhalts zu fördern. Zur wirksameren Durchsetzung des persönlichen Erscheinens der Partei und damit zur wirksameren Erreichung dieses Ziels sieht das Gesetz die Möglichkeit der Verhängung des Ordnungsgeldes vor (BVerfG 10. November 1997 – 2 BvR 429/97 – NJW 1998, 892; BGH 12. Juni 2007 – VI ZB 4/07 – juris mwN). Das bedeutet aber zugleich, dass ein Ordnungsgeld immer dann nicht mehr festgesetzt werden darf, wenn im Termin zur mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits Fragen zum Sachverhalt nicht offengeblieben sind und der Rechtsstreit ohne weiteren Vortrag durch Urteil entschieden wurde. Und dies gilt unabhängig davon, ob der Rechtsstreit in der Instanz rechtskräftig abgeschlossen wird oder nicht. In einem solchen Fall hat das Ausbleiben der persönlich geladenen Partei die Sachverhaltsaufklärung weder erschwert noch verzögert (vgl. BGH 12. Juni 2007 – VI ZB 4/07 – aaO mwN).
Vorliegend ist nicht ersichtlich, dass das Arbeitsgericht in der mündlichen Verhandlung vom 17. Februar 2005 Fragen zum Sachverhalt hätte erörtern wollen, deren Beantwortung zu einer umfassenden Erledigung des Rechtsstreits erforderlich gewesen wäre. Auch das Landesarbeitsgericht hat hierzu keine Feststellungen getroffen. Da somit nach Ansicht des Arbeitsgerichts weiterer Anlass zur Sachverhaltsaufklärung nicht bestand, hätte die erforderliche Abwägung dazu führen müssen, dass die Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegenüber dem Rechtsbeschwerdeführer unterblieb.
3. Mithin ist der angefochtene Beschluss des Landesarbeitsgerichts aufzuheben. Da weitere Feststellungen nicht zu treffen sind (§ 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO), ist ebenso der Beschluss des Arbeitsgerichts über die Festsetzung des Ordnungsgeldes insgesamt aufzuheben.
4. Eine Kostentscheidung war nicht zu treffen. Das Verfahren über die Verhängung eines Ordnungsgeldes ist nicht kontradiktorisch ausgestaltet. Gemäß § 141 Abs. 3 Satz 1, § 380 Abs. 3 ZPO, § 7 JVEG gehen die Kosten der erfolgreichen Beschwerde des Rechtsbeschwerdeführers (Auslagen) zulasten der letztlich kostenpflichtigen Partei (so auch BGH 12. Juni 2007 – VI ZB 4/07 – juris). Dies ist die Beklagte. Die Parteien haben den Rechtsstreit im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht durch Vergleich beendet. Hinsichtlich der Kosten haben sie unter Ziff. 4 die Regelung getroffen, dass es hinsichtlich der Kosten 1. Instanz bei der arbeitsgerichtlichen Entscheidung verbleibt und die Kosten des Berufungsverfahrens gegeneinander aufgehoben werden. Da die Anordnung des persönlichen Erscheinens sowie die Ordnungsgeldfestsetzung im ersten Rechtszug erfolgt sind, hat die Beklagte die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen. Gerichtskosten entstehen nicht. Einer Kostenentscheidung bedarf es daher nicht.
Unterschriften
Reinecke, Kremhelmer, Schlewing
Fundstellen
NJW 2008, 252 |
NZA 2008, 1151 |