Entscheidungsstichwort (Thema)

Honorar eines unternehmensangehörigen Einigungsstellenbeisitzers. Honoraranspruch eines freigestellten Betriebsratsmitglieds, das während seines Urlaubs als Einigungsstellenbeisitzer in einem anderen Betrieb des Unternehmens tätig geworden ist

 

Leitsatz (amtlich)

Der Betriebsrat ist grundsätzlich berechtigt, einem in einem anderen Betrieb des Unternehmens beschäftigten Betriebsratsmitglied für die Tätigkeit als Beisitzer in einer Einigungsstelle eine Honorarzusage zu machen, sofern seine Mitarbeit in der Einigungsstelle erforderlich ist, weil es hinsichtlich des Regelungsgegenstandes der Einigungsstelle über besondere Erfahrungen oder Kenntnisse verfügt, und der Betriebsrat keinen betriebsangehörigen Arbeitnehmer, der sein Vertrauen genießt, mit vergleichbaren Erfahrungen und Kenntnissen findet.

 

Normenkette

BetrVG 1972 §§ 76, 78 S. 2, § 37 Abs. 1, §§ 38, 51 Abs. 6; BUrlG § 8; BGB §§ 134, 242

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Beschluss vom 18.08.1987; Aktenzeichen 1 TaBV 6/87)

ArbG Hannover (Beschluss vom 08.01.1987; Aktenzeichen 8 BV 1/86)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluß des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 18. August 1987 – 1 TaBV 6/87 – aufgehoben.

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Hannover vom 8. Januar 1987 – 8 BV 1/86 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

Der Beteiligten zu 2) wird aufgegeben, an den Antragsteller 6.140,-- DM nebst 4 % Zinsen seit dem 29. Januar 1986 zu zahlen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

A. Die Beteiligten streiten darüber, ob der Antragsteller, der in einem anderen Betrieb seiner Arbeitgeberin (Beteiligte zu 2) als Einigungsstellen-Beisitzer tätig wurde, Zahlung des mit dem dortigen Betriebsrat (Beteiligter zu 3) vereinbarten Honorars verlangen kann.

In dem Unternehmen der beteiligten Arbeitgeberin besteht bundesweit ein System erfolgsabhängiger Vergütung – “QUIP” –, das zwischen der Unternehmensleitung in S… und dem Gesamtbetriebsrat vereinbart worden ist. Das “QUIP-System” beinhaltet einen sog. “100 %-Club”, an dem die einzelnen Mitarbeiter mit bestimmten Quoten beteiligt sind.

Für die Niederlassung H… strebte der beteiligte Betriebsrat den Abschluß einer Betriebsvereinbarung an, in der das Verfahren einer nachträglichen Quoten-Reduzierung für sog. “Incentive-Empfänger” geregelt werden sollte. Zu diesem Zwecke wurde Anfang 1985 eine Einigungsstelle gebildet. Der Betriebsrat benannte als Beisitzer u. a. den Antragsteller.

Der Antragsteller ist bei der beteiligten Arbeitgeberin in deren Niederlassung in Ha… beschäftigt. Er ist dort Betriebsratsvorsitzender und von der Arbeit freigestellt. Zugleich ist er Ersatzmitglied im Gesamtbetriebsrat. Der Antragsteller verfügte hinsichtlich der Fragen, die von der Einigungsstelle zu behandeln waren, über besondere Erfahrungen und Sachkunde. Er war bereits zuvor als Beisitzer an zwei Einigungsstellen beteiligt gewesen, die gleichgelagerte Regelungsstreitigkeiten zum Gegenstand hatten, und zwar in den Niederlassungen Ha… und K….

Für die Beisitzertätigkeit in seinem Beschäftigungsbetrieb in Ha… hatte der Antragsteller keine Vergütung gefordert. Um Ende 1984 Beisitzer der Einigungsstelle in K… sein zu können, hatte er sich vergeblich um bezahlte Freistellung bemüht. Daraufhin hatte er sich kurzfristig Urlaub genommen. Seine anschließende Honorarforderung blieb ohne Erfolg. Aufgrund dieser Erfahrungen war der Antragsteller nur bereit, gegen Honorar an der Einigungsstelle in H… teilzunehmen.

Der Betriebsrat bestimmte mit Beschluß vom 6. Februar 1985 das Beisitzerhonorar auf 7/10 des Honorars des Vorsitzenden der Einigungsstelle, jedoch mindestens 5.000,-- DM für jeden Beisitzer zuzüglich 1.000,-- DM pro Sitzung.

Zur Vorbereitung auf das Verfahren und zur Teilnahme an den Sitzungen wandte der Antragsteller zum Teil Freizeit, zum Teil Erholungsurlaub auf. Die Sitzungen der Einigungsstelle fanden am 13. Februar, 15. März und 29. April 1985 statt.

Am 14. Februar, also am Tage nach der ersten Sitzung, bot die Arbeitgeberin dem Antragsteller an, ihm für seine Tätigkeit in der Einigungsstelle bezahlte Freistellung zu gewähren und ihm die Fahrtkosten zu erstatten. Dieses Angebot lehnte der Antragsteller ab.

Die Einigungsstelle setzte das Honorar des Vorsitzenden auf 8.000,-- DM fest. Mit Schreiben vom 9. Juni 1985 stellte der Antragsteller seiner Arbeitgeberin eine Vergütung von 5.600,-- DM zuzüglich 540,-- DM für Reisekosten und Spesen in Rechnung. Die Arbeitgeberin lehnte mit Schreiben vom 26. Juli 1985 die Begleichung der Forderung ab.

Im Januar 1986 leitete der Antragsteller das vorliegende Beschlußverfahren ein. Er hat die Auffassung vertreten, der Betriebsrat habe mit ihm ein Honorar vereinbaren können, da er nicht dem Betrieb angehört habe, für den die Einigungsstelle gebildet worden sei.

Der Antragsteller hat in erster Instanz beantragt,

die beteiligte Arbeitgeberin zu verpflichten, an den Antragsteller 6.140,-- DM nebst 4 % Zinsen seit dem 29. Januar 1986 zu zahlen.

Die beteiligte Arbeitgeberin hat beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Sie hat darauf verwiesen, daß der Antragsteller demselben Arbeitsverbund “Unternehmen” angehöre, in dem die Einigungsstelle gebildet worden sei. Das Begünstigungsverbot aus § 78 Satz 2 BetrVG mache ihr deshalb die Zahlung eines “Sonderhonorars” an den Antragsteller unmöglich. Ihr Angebot, statt dessen bezahlte Freistellung und Spesenersatz zu gewähren, sei ausreichend gewesen. Im übrigen sei zu beachten, daß jede entgeltliche Tätigkeit während eines Erholungsurlaubs untersagt sei.

Der beteiligte Betriebsrat hat sich in dem Verfahren nicht geäußert.

Das Arbeitsgericht hat dem Antragsteller mit Beschluß vom 8. Januar 1987 lediglich den begehrten Auslagenersatz zugesprochen. Hinsichtlich der Honorarforderung in Höhe von 5.600,-- DM hat es den Antrag wegen Rechtsmißbrauchs als unbegründet abgewiesen.

Hiergegen hat der Antragsteller Beschwerde eingelegt. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller sein Zahlungsbegehren bezüglich des vereinbarten Beisitzerhonorars weiter. Die Arbeitgeberin beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

B. Die Rechtsbeschwerde ist begründet.

Dem Antragsteller steht entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts für seine Tätigkeit als außerbetrieblicher Beisitzer der in der Niederlassung H… gebildeten Einigungsstelle ein Honorar in Höhe von 5.600,-- DM nebst 4 % Zinsen seit dem 29. Januar 1986 zu (§ 76 BetrVG).

I. Das Landesarbeitsgericht ist bei seiner Würdigung im wesentlichen von folgenden Erwägungen ausgegangen: Aus § 37 Abs. 1, § 51 Abs. 6, § 78 Satz 2, § 76 BetrVG folge, daß grundsätzlich eine Honorierung der Tätigkeit von Betriebsrats- und Gesamtbetriebsratsmitgliedern in Einigungsstellen des Unternehmensbereiches unzulässig sei. Dies gelte nicht nur in den Fällen, in denen der Betriebsrat oder Gesamtbetriebsrat selbst an der Einigungsstelle unmittelbar beteiligt sei. Auch wenn der Beisitzer zwar ein “betriebsfremdes”, aber unternehmenszugehöriges Betriebsratsmitglied sei, könne er keine Vergütung verlangen. Denn mittelbar sei an jeder Einigungsstelle auch das Unternehmen als Arbeitgeber beteiligt. Eine Honorierung komme nur für unternehmensfremde Einigungsstellen-Beisitzer in Betracht, da für in den Betrieben des Unternehmens gewählte Betriebs- und Gesamtbetriebsratsmitglieder gleiche Rechte und Pflichten gelten müßten. Bei der Mitwirkung jedes unternehmenszugehörigen Betriebsratsmitgliedes handele es sich gleichermaßen stets um eine Tätigkeit, die so eng mit seiner Amtstätigkeit verbunden sei, daß im Wege der extensiven Auslegung von § 37 Abs. 1, § 51 Abs. 6, § 78 Satz 2 BetrVG jedenfalls eine lediglich über einen Betriebsratsbeschluß getroffene Honorarvereinbarung als unzulässig und damit gemäß § 134 BGB als nichtig anzusehen sei. Die persönlichen Interessen der Betriebsratsmitglieder würden durch eine bezahlte Freistellung nach § 37 Abs. 2 BetrVG ausreichend gesichert. Jede weitere Begünstigung, z. B. eben durch Zuerkennung eines Honoraranspruchs, laufe gleichzeitig auf eine Begünstigung des Einigungsstellenmitgliedes gegenüber anderen Betriebsratsmitgliedern hinaus. Die Unzulässigkeit einer Honorarzusage an unternehmensangehörige Betriebsratsmitglieder verhindere auch, daß es zwischen den Betriebsräten eines Unternehmens bei der Besetzung von Einigungsstellen zu einem Ringtausch komme.

II. Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Für die Honorarforderung des Antragstellers ist von § 76 BetrVG als Anspruchsgrundlage auszugehen. Die aufgrund des Gesetzes vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I S. 2312) geschaffene Vorschrift des § 76a BetrVG ist erst am 1. Januar 1989 in Kraft getreten und kommt daher als Anspruchsgrundlage für die vom Antragsteller im Jahre 1985 wahrgenommene Beisitzertätigkeit nicht in Betracht.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. zuletzt den zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmte Beschluß des Senats vom 14. Dezember 1988 – 7 ABR 73/87 –, unter (C II 1 der Gründe, m.w.N.) entsteht mit der Anrufung der Einigungsstelle durch den Betriebsrat oder durch den Arbeitgeber ein besonderes betriebsverfassungsrechtliches Rechtsverhältnis zwischen den Betriebspartnern. Inhalt dieses Rechtsverhältnisses ist nach § 76 Abs. 2 BetrVG auch die Befugnis des Betriebsrates, die Beisitzer einer Einigungsstelle auf Arbeitnehmerseite in der zuvor mit dem Arbeitgeber vereinbarten oder vom Arbeitsgericht festgesetzten Zahl zu bestellen. Durch seine Bestellung zum Mitglied der Einigungsstelle nimmt auch der Beisitzer an dem zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat durch die Anrufung der Einigungsstelle bestehenden besonderen Rechtsverhältnis teil, das auch seine Rechte und Pflichten bestimmt. Hierzu gehört auch der Anspruch des betriebsfremden Beisitzers auf Honorar für seine Tätigkeit in der Einigungsstelle, wenn sie erforderlich war oder der Betriebsrat sie für erforderlich halten durfte.

Nach § 76 Abs. 2 Satz 1 BetrVG ist die Befugnis zur Bestellung von Beisitzern nicht auf einen bestimmten Personenkreis beschränkt. Beide Betriebspartner können danach auch Personen in die Einigungsstelle berufen, die nicht dem Betrieb angehören. Der Betriebsrat ist befugt, betriebsfremde Personen als Beisitzer zu bestellen, die nur bereit sind, gegen ein Honorar tätig zu werden, wenn er andere Personen, die sein Vertrauen genießen, nicht findet.

Der vorliegende Fall zeichnet sich durch die Besonderheit aus, daß der Antragsteller, der ein freigestelltes Betriebsratsmitglied in einem anderen Betrieb des Unternehmens ist, als zwar unternehmensangehöriger, aber betriebsfremder Beisitzer in einem Einigungsstellenverfahren tätig geworden ist. Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts ist der Betriebsrat auch in den Fällen der vorliegenden Art grundsätzlich berechtigt, einem unternehmensangehörigen, betriebsfremden Beisitzer einer Einigungsstelle ein angemessenes Honorar zuzusagen, wenn dieses betriebsfremde Betriebsratsmitglied nur gegen ein Honorar zur Mitarbeit in der Einigungsstelle bereit ist und seine Teilnahme als Beisitzer erforderlich ist, weil er hinsichtlich des Regelungsgegenstandes der Einigungsstelle über besondere Erfahrungen oder Kenntnisse verfügt, und der Betriebsrat keinen betriebsangehörigen Arbeitnehmer, der sein Vertrauen genießt, mit vergleichbaren Erfahrungen und Kenntnissen findet. Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen ist der Betriebsrat befugt, mit betriebsfremden unternehmensangehörigen Betriebsratsmitgliedern Honorarvereinbarungen für ihre Tätigkeit als Beisitzer in Einigungsstellen zu schließen.

b) Ein betriebsfremdes Betriebsratsmitglied, das als Beisitzer einer Einigungsstelle tätig wird, übt kein unentgeltliches Ehrenamt i. S. des § 37 Abs. 1 i. V. m. § 51 Abs. 6 BetrVG aus. Seine Mitarbeit in einer Einigungsstelle, die zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zwischen den Betriebspartnern eines anderen Betriebes gebildet worden ist, stellt keine Betriebsratsarbeit dar. Dies gilt auch für betriebsfremde Betriebsratsmitglieder, die – wie hier – nach § 38 BetrVG von ihrer beruflichen Tätigkeit freigestellt worden sind und anstelle ihrer ansonsten bestehenden Verpflichtung zur Arbeitsleistung die Erbringung von Betriebsratsarbeit in ihrem Betrieb schulden. Das Amt des Betriebsrats ist betriebsbezogen. Hierbei handelt es sich um ein grundlegendes Prinzip der Betriebsverfassung (vgl. § 1 BetrVG). Die Wahrnehmung von betriebsübergreifenden betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben obliegt den Mitgliedern des Gesamtbetriebsrats (§§ 47 ff. BetrVG). Eine auf betrieblicher Ebene gebildete Einigungsstelle hat lediglich die Funktion, betriebsinterne Regelungsstreitigkeiten beizulegen. Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts kann daher auch nicht angenommen werden, daß es sich bei der Tätigkeit eines betriebsfremden, unternehmensangehörigen Betriebsratsmitglieds als Beisitzer in einer Einigungsstelle um die Wahrnehmung einer Aufgabe handele, die so eng mit seiner Amtstätigkeit verbunden sei, daß es gerechtfertigt sei, dem Betriebsrat die Befugnis zum Abschluß einer Honorarvereinbarung im Wege einer extensiven Auslegung von § 37 Abs. 1, § 51 Abs. 6 BetrVG abzusprechen. Von einem derartigen engen sachlichen Zusammenhang könnte allenfalls dann ausgegangen werden, wenn eine Einigungsstelle auf Unternehmensebene gebildet worden ist (vgl. nunmehr die hier noch nicht anwendbare Vorschrift des § 76a Abs. 2 Satz 2 BetrVG). Ist dagegen – wie hier – eine Einigungsstelle zur Beilegung einer betriebsinternen Regelungsstreitigkeit gebildet worden, so fehlt es an einem engen sachlichen Zusammenhang zwischen der von einem betriebsfremden, unternehmensangehörigen Betriebsratsmitglied wahrzunehmenden Amtstätigkeit und seiner Mitwirkung als Beisitzer in einer in einem anderen Betrieb des Unternehmens gebildeten Einigungsstelle.

c) Die Zusage eines Honorars an betriebsfremde, unternehmensangehörige Betriebsratsmitglieder für die Tätigkeit als Beisitzer in einer in einem anderen Betrieb des Unternehmens gebildeten Einigungsstelle stellt auch keinen Verstoß gegen das Begünstigungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG dar.

Sinn und Zweck des § 78 Satz 2 BetrVG ist es, die Mitglieder eines der in § 78 Satz 1 BetrVG bezeichneten betriebsverfassungsrechtlichen Organe gegenüber den Mitarbeitern desselben Arbeitsverbundes wegen ihrer Tätigkeit in dem jeweiligen betriebsverfassungsrechtlichen Organ weder zu benachteiligen noch zu begünstigen (vgl. BAG Beschluß vom 11. Mai 1976, BAGE 28, 103, 105 = AP Nr. 2 zu § 76 BetrVG 1972, unter II 3 der Gründe). Bei einer auf betrieblicher Ebene gebildeten Einigungsstelle dürfen die betriebszugehörigen Mitglieder der Einigungsstelle gegenüber den anderen Arbeitnehmern des Betriebes wegen ihrer Tätigkeit als Beisitzer weder benachteiligt noch begünstigt werden. Die Zusage eines Honorars an betriebsangehörige Mitglieder der Einigungsstelle durch den Betriebsrat stellt eine nach § 78 Satz 2 BetrVG unzulässige Begünstigung dar. Dies hat der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts im Beschluß vom 11. Mai 1976 (aaO) entschieden und mit den folgenden Erwägungen begründet: Da die Einigungsstelle die Fortsetzung der üblicherweise erfolgreichen Einigungsbemühungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber (vgl. § 2 Abs. 1, § 74 Abs. 1, § 77 BetrVG) im Konfliktfalle darstelle, gleichsam das Substitut für die fehlende (Regel-) Einigung sei, bei der notwendig der Betriebsrat mitwirke, sei es auch von der Sache her gerechtfertigt und geboten, die Betriebsangehörigen in der Einigungsstelle – gleichgültig von wem benannt – wie Betriebsratsmitglieder zu behandeln. Dann aber gelte auch für sie der für Betriebsratsmitglieder in § 37 Abs. 1 BetrVG festgelegte Grundsatz, nach dem Betriebsratsmitglieder ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt zu führen haben, für die Dauer ihrer Tätigkeit in der Einigungsstelle entsprechend. Dies werde durch die Gleichstellung von Mitgliedern des Betriebsrates mit den Mitgliedern der Einigungsstelle bekräftigt (§ 78 BetrVG). Die Betriebsratsmitglieder und die betriebsangehörigen Mitglieder der anderen betriebsverfassungsrechtlichen Organe würden letztlich in Angelegenheiten tätig, die unmittelbar ihre eigene Arbeitswelt angingen. Für die Anwendung des § 37 Abs. 1 BetrVG sei es unbeachtlich, ob das Mitglied der Eingigungsstelle auch Betriebsratsmitglied sei.

Dieser Rechtsprechung schließt sich der erkennende Senat aus den folgenden Erwägungen an: Ein betriebsangehöriges Mitglied der Einigungsstelle wirkt mit bei der (zumeist) normativen und unmittelbaren Gestaltung der betrieblichen Arbeitsbedingungen. Es wird somit gleichsam “in eigener Sache” tätig, denn eine Beilegung des Regelungsstreits durch eine gütliche Einigung vor der Einigungsstelle oder durch einen Spruch der Einigungsstelle führt in der Regel zu einer normativen und unmittelbaren Änderung der betrieblichen Arbeitsbedingungen. Die unmittelbare Betroffenheit des betriebsangehörigen Einigungsstellenmitglieds äußert sich insbesondere darin, daß es mit einem Regelungsstreit befaßt wird, der sich auf die in seinem Betrieb geltenden Arbeitsbedingungen bezieht. Das auf betrieblicher Ebene angesiedelte Einigungsstellenverfahren stellt die Fortsetzung eines laufenden Einigungsprozesses zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat dar. Mit dem Regelungsgegenstand ist das betriebsangehörige Mitglied der Einigungsstelle in der Regel besser vertraut als ein betriebsfremder Beisitzer. Dies gilt insbesondere für Betriebsratsmitglieder. Die unmittelbare Betroffenheit durch den Regelungsstreit rechtfertigt es, betriebsangehörige Beisitzer einer Einigungsstelle vergütungsmäßig wie Betriebsratsmitglieder zu behandeln. Dies hat der Gesetzgeber nunmehr auch in der Regelung des § 76a Abs. 2 Satz 1 BetrVG, die allerdings auf den hier zu entscheidenden Sachverhalt noch keine Anwendung findet, ausdrücklich anerkannt, indem er bestimmt hat, daß die Beisitzer der Einigungsstelle, die dem Betrieb angehören, für ihre Tätigkeit keine Vergütung erhalten.

Bei betriebsfremden, unternehmensangehörigen Beisitzern einer Einigungsstelle fehlt es an dem Merkmal der unmittelbaren Betroffenheit. Diese Personen wirken mit an der Beilegung eines fremden Regelungsstreits, denn das Ergebnis des Einigungsstellenverfahrens hat keinen unmittelbaren Einfluß auf die Arbeitsbedingungen des Betriebes, in dem dieser Arbeitnehmer seine Arbeitsleistungen erbringt oder Betriebsratsaufgaben wahrnimmt. Es ist zwar nicht auszuschließen, daß das Ergebnis eines betrieblichen Einigungsstellenverfahrens auf andere Betriebe des Unternehmens (z.B. durch den Abschluß entsprechender Betriebsvereinbarungen) uneingeschränkt oder mit Modifikationen übertragen wird. Hierzu bedarf es aber weiterer Verhandlungen zwischen den beteiligten Betriebsräten und dem Arbeitgeber bzw. der Durchführung weiterer betrieblicher Einigungsstellenverfahren. Ein betriebsfremder, unternehmensangehöriger Beisitzer der Einigungsstelle wirkt somit nicht mit an der (zumeist) normativen und unmittelbaren Gestaltung der in seinem Betrieb geltenden Arbeitsbedingungen. Das Fehlen einer unmittelbaren Betroffenheit impliziert in der Regel auch eine geringere Vertrautheit mit dem Regelungsgegenstand einer in einem anderen Betrieb des Unternehmens gebildeten Einigungsstelle. Besitzt allerdings – wie hier – ein betriebsfremdes, unternehmensangehöriges Betriebsratsmitglied hinsichtlich des Regelungsgegenstandes des Einigungsstellenverfahrens besondere Fähigkeiten oder Kenntnisse, so ist der Betriebsrat befugt, sofern er keinen betriebsangehörigen Arbeitnehmer seines Vertrauens mit einem vergleichbaren Erfahrungs- und Kenntnisstand findet, mit dem betriebsfremden, unternehmensangehörigen Betriebsratsmitglied eine angemessene Vergütung zu vereinbaren, wenn dieses nur bereit ist, gegen Honorar als Einigungsstellenbeisitzer tätig zu werden. In den Fällen der zuletzt genannten Art ist es rechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Betriebsrat die honorarpflichtige Mitwirkung eines betriebsfremden, unternehmensangehörigen Betriebsratsmitgliedes in einem Einigungsstellenverfahren für erforderlich hält. Die Zusage eines Honorars an betriebsfremde, unternehmensangehörige Arbeitnehmer, die nicht über besondere Kenntnisse und Fähigkeiten im Hinblick auf den Regelungsgegenstand des Einigungsstellenverfahrens verfügen, ist dagegen in der Regel nicht erforderlich. Bei einem Abstellen auf das Erfordernis einer besonderen fachlichen Qualifikation oder einer besonderen Vertrautheit mit der anstehenden Regelungsmaterie sowie auf die Subsidiarität der Bestellung von betriebsfremden, unternehmensangehörigen Arbeitnehmern wird der vom Landesarbeitsgericht befürchteten Gefahr eines “Ringtausches” begegnet. Wenn ein sachkundiger betriebsangehöriger Arbeitnehmer, der das Vertrauen des Betriebsrats genießt, zur Mitarbeit in der Einigungsstelle bereit ist, widerspricht die honorarpflichtige Bestellung eines (gleichfalls sachkundigen) betriebsfremden, unternehmensangehörigen Arbeitnehmers in der Regel dem Grundsatz der Erforderlichkeit. Dies gilt ebenso für die Bestellung eines nicht sachkundigen betriebsfremden, unternehmensangehörigen Arbeitnehmers zum Beisitzer einer Eingigungsstelle.

2. Die Anwendung dieser Grundsätze führt im Streitfall zu dem Ergebnis, daß sowohl die Bestellung des Antragstellers zum Beisitzer in der Einigungsstelle wie auch die vom Betriebsrat gemachte Honorarzusage dem Grunde und der Höhe nach nicht zu beanstanden sind.

a) Der Betriebsrat hat mit Beschluß vom 6. Februar 1985 den Antragsteller zulässigerweise zum Beisitzer in der Einigungsstelle bestellt. Unstreitig verfügte der Antragsteller über besondere Erfahrungen und Sachkunde hinsichtlich der Fragen, die Gegenstand des Einigungsstellenverfahrens waren. Ebenso unstreitig konnte der Betriebsrat keinen betriebsangehörigen Beisitzer seines Vertrauens finden, der dazu bereit gewesen wäre, ohne Honorar in der Einigungsstelle als Beisitzer tätig zu werden. Der Antragsteller war auch nur bereit, gegen Honorar eine Beisitzertätigkeit in dem Einigungsstellenverfahren zu übernehmen. Bei dieser Sachlage war der Betriebsrat befugt, mit dem Antragsteller eine Honorarvereinbarung für seine Tätigkeit als Einigungsstellenbeisitzer zu treffen.

b) Die vom Antragsteller geltend gemachte Honorarforderung von 5.600,-- DM (= 7/10 der Vergütung des Einigungsstellen-Vorsitzenden) ist auch der Höhe nach rechtlich nicht zu beanstanden.

Der Senat hat sich in dem Beschluß vom 14. Dezember 1988 (aaO, unter C II 3a der Gründe) der Rechtsprechung des Ersten und des Sechsten Senats des Bundesarbeitsgerichts angeschlossen. Danach hält sich die Zusage eines Honorars von 7/10 des dem Vorsitzenden der Einigungsstelle durch den Arbeitgeber zugesagten oder gezahlten Honorars in einem vernünftigen und angemessenen Verhältnis zu dessen Honorar und entspricht damit grundsätzlich billigem Ermessen. Der Umstand, daß der Antragsteller dem Unternehmen der beteiligten Arbeitgeberin angehört, führt nicht zu einer Einschränkung des Ermessens. Der Antragsteller hat als Mitglied der in der Niederlassung H… gebildeten Einigungsstelle eine Tätigkeit erbracht, die er in seiner Eigenschaft als freigestelltes Betriebsratsmitglied der Niederlassung Ha… nicht schuldete. Die von ihm wahrgenommene betriebsverfassungsrechtliche Aufgabe erforderte besondere Fähigkeiten und Kenntnisse hinsichtlich des Regelungsgegenstandes. Der Antragsteller verfügte unstreitig über die erforderliche Sachkunde. Die im Beschluß des Betriebsrates vom 6. Februar 1985 enthaltene Zusage eines Honorars von 7/10 des Vorsitzendenhonorars entspricht damit billigem Ermessen. Es kann dahingestellt bleiben, ob es auch billigem Ermessen entsprach, dem Antragsteller noch “zuzüglich 1.000,-- DM pro Sitzung” als Honorar zuzusagen. Da der Antragsteller im vorliegenden Beschlußverfahren lediglich ein Honorar in Höhe von 7/10 des Vorsitzendenhonorars geltend gemacht hat, bedarf es insoweit keiner rechtlichen Würdigung.

III. Die vom Antragsteller dem Grunde und der Höhe nach aus betriebsverfassungsrechtlichen Gründen gerechtfertigte Honorarforderung entfällt auch nicht aus urlaubsrechtlichen Erwägungen.

Selbst wenn man zugunsten des Arbeitgebers davon ausgeht, daß sich § 8 BUrlG auch auf den Fall einer “dem Urlaubszweck widersprechenden Erwerbstätigkeit” in einem anderen Betrieb des Unternehmens bezieht, so entfällt bei einem Verstoß gegen § 8 BUrlG gleichwohl nicht der Anspruch auf Vergütung für eine dem Urlaubszweck widersprechende Erwerbstätigkeit. Das für die Urlaubsdauer pflichtwidrig vereinbarte Rechtsverhältnis ist nicht nach § 134 BGB nichtig, denn bei § 8 BUrlG handelt es sich nicht um ein gesetzliches Verbot (BAG Urteil vom 25. Februar 1988 – 8 AZR 596/85 – AP Nr. 3 zu § 8 BUrlG = NZA 1988, 607, 608, auch zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt).

Anhaltspunkte für ein treuwidriges Verhalten (§ 242 BGB) des Antragstellers sind nicht ersichtlich. Im Streitfall war der beteiligten Arbeitgeberin zum Zeitpunkt der Urlaubserteilung jeweils bekannt, daß der Antragsteller die Absicht hatte, während des Urlaubs als Einigungsstellenbeisitzer in der Niederlassung H… mitzuwirken. Bei einer derartigen Sachlage kann das Verhalten des Antragstellers nicht als treuwidrig beurteilt werden.

IV. Der vom Antragsteller geltend gemachte Zinsanspruch rechtfertigt sich aus den §§ 291, 288 BGB.

 

Unterschriften

Dr. Seidensticker, Schliemann, Dr. Becker, Ruppert, Lappe

 

Fundstellen

Haufe-Index 872095

BAGE, 129

BB 1990, 1349

RdA 1989, 381

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